Jesus. Oder: Verlorenes Paradies

Jesus wohnt allein und zurueckgezogen in einer Holzhuette unten am Fluss. Es ist der traurigste Jesus, den ich je getroffen habe. Morgens wacht Jesus auf, und ist allein. Er raucht seine erste Zigarette und ruft nach seinen beiden Katzen, denen er das Fruehstueck zubereitet hat. Dann kocht sich Jesus einen Kaffee und raucht drei Zigaretten. Anschliessend streift er durch seinen kleinen Garten Eden und sammelt das Laub ein, das der Wind ueber Nacht von den Blaettern geblasen hat. Die Blaetter verbrennt er in einem kleinen Lagerfeuer am Rande des Gartens. Gegen Mittag legt sich Jesus allein in eine seiner 6 Haengematten und raucht. Sein Garten Eden ist nicht schalldicht, drum dringen die laut knatternden Dieselmotoren der vorbeifahrenden Boote in das kleine Paradies und zerstoeren ein bisschen seiner Vollkommenheit und die Gehoergaenge von Jesus, der sich lediglich ein bisschen Ruhe und ein bisschen Frieden wuenscht. Doch es gibt keine Ruhe mehr und auch keinen Frieden. Reggaetonmusik und das Droehnen der Motorsaegen ueberschallen die traurigen Klagelieder der Paradiesvoegel, und mit jedem Baum, der faellt, wird der Dschungel ein bisschen weniger und loest sich das Paradies ein bisschen mehr auf, und wenn man den Urwald sucht, dann muss man ganz weit laufen, denn er zieht sich immer weiter zurueck, bis er eines Tages nicht mehr weiss, wohin er ausweichen soll, und dann verschwindet er ganz, und es gibt auch kein Paradies mehr. Das macht Jesus ganz furchtbar traurig und verbittert, und drum flucht und keift er, und raucht. Weil der Garten Eden leider auch nicht einbruchsicher ist, rennen kleine Kinder in ihm herum und kacken in seine Buesche, oder pissen vor die Gartenpforte. Oder verlauste Nachbarhunde dringen ein, und fressen den kleinen Katzen das Essen weg. Drum lauert Jesus nachmittags mit einem Spaten in seiner Haengematte, und immer, wenn er ein Geraeusch hoert, springt er auf und jagt zur Pforte, doch er hat bisher noch keinen einzigen kleinen Teufel dingfest machen koennen. Die Kinder aus dem Dorf finden Jesus merkwuerdig, und machen sich einen Spass daraus, an Jesus Tuerglocke zu klingeln, die nur ganz selten bimmelt, weil Jesus nur ganz selten Gaeste hat, und wenn er nach vorne schaut, wer ihn besuchen kommt, dann ist da gar keiner, und so schlurft Jesus langsam zurueck zu seiner Haengematte und raucht allein und streichelt seine Katzen und flucht und wuergt.

 

Doch es war nicht immer so. Auch Jesus war einmal jung, voller Energie, voller Entdeckerdrang, voller Traeume. Und weil die Welt in dem regnerischen Baskenland fuer ihn zu klein und zu eng war, packte er seine sieben Sachen und machte sich auf, die weite Welt zu entdecken. Als er ging, weinte seine Mutter ganz bitterliche Traenen, und flehte ihn an, er moege nicht gehen, aber die Welt rief nach Jesus, und dem Ruf der Welt, das wusste Jesus, dem muss man folgen. Und so stuerzte er sich ins Abenteuer. Jesus radelte auf einem rostigen Fahrrad von Mexiko nach Brasilien und durchquerte dabei 14 Laender. Er marschierte zu Fuss ueber die Anden von Peru nach Bolivien (und kam auch in Ananea vorbei) und paddelte in einem selbst zusammengezimmerten Holzkanu durch den Dschungel Perus den Rio Ucayali-Pachitea herunter. Auf seinen Reisen sah Jesus unglaubliche Dinge. Er sah die unverfaelschte vollkommene Schoenheit der unberuehrten Natur, er sah Armut und Ungerechtigkeit und Zerstoerung. Er sprach mit dem Dschungel und den Fluessen und den Bergen. Er schlief unter den Sternen und lebte mit Indianerstaemmen, die kein Weisser zuvor zu Gesicht bekommen hatte. Er lernte von Scharmanen, trank Ayahuasca und durchwandelte die Welt der Toten und des Schmerzes. Er durchlebte die kaeltesten Naechte und die heissesten Tage. Er wurde ausgeraubt und von Schlangen gebiessen, ging durch die Hoelle von Malaria und Dengue. Jeder Tag ein Kampf, jeder Tag ein Geschenk, jeder Tag Abenteuer. Jesus lebte von der Hand in den Mund, und er war nicht arm. Er schrieb Buecher und drehte Dokumentarfilme, er machte Radiosendungen und interviewte Mario Vargas Llosa („dieses heuchlerische Stueck Scheisse von Mensch und erbaermliche Niete von Schriftsteller!“) in Zeiten seiner Praesidentschaftskandidatur und solche Dinge.

Seine Mutter weinte viel und bat ihn doch nach Haus zu kommen, doch es gab noch so viel zu sehen und so viel zu entdecken. Und eh er sich`s versah, da waren 20 Jahre vergangen, und immer wieder flehte seine alte Mutter ihn an, er moege doch nach Hause kommen, oder wenn er schon nicht nach Hause kaeme, so moege er doch wenigstens sesshaft werden, und sich ein Haus bauen, damit sie endlich ruhig sein koennte. Und da Jesus spuerte, dass er aelter wurde, und dass er muede wurde, und mit jedem weiteren Schritt, den er tat, spuerte er, dass die rastlose Neugierde seiner Jugend, seine Antriebskraft, sein Benzin, sein Motor, ihre Kraft verlor, und so folgte er eines Tages dem Rat seiner Mutter und baute sich eine kleine Holzhuette in einem kleinen Dorf am Ufer des Flusses Ucayali. Das Haus war umgeben von einem kleinen Garten Eden, ein kleiner hauseigener Regenwald, in dem bunte Blumen bluehten, und Kolibris und Schmetterlinge flogen und Carambola wuchs. Tagsueber streifte er durch den Dschungel und studierte seltene Pflanzen und besuchte seine Freunde in den Indianergemeinden. Jeden Tag sprach er mit dem Fluss und den Fischen und versicherte sich, dass es ihnen gut ging, und abends lag er in seiner Haengematte und lauschte dem Singen der Grillen und der Zykaden und ruhig und gluecklich schlief er ein. Und seine Mutter war endlich ruhig und konnte friedlich sterben. Denn sie konnte nicht in die Zukunft blicken, und wusste zu ihrem Glueck nicht, wie es weitergehen wuerde.

 

Jesus brauchte nicht viel zum Leben, aber doch ein bisschen, um sich ab und zu eine Packung Zigaretten kaufen zu koennen, oder ein paar Eier und aehnliches, um sich ab und zu mal spanische Tortilla zubereiten zu koennen. Deswegen machte er aus seiner kleinen Holzhuette eine kleine Herberge fuer Studenten, die kamen, um in der Gegend seltene Pflanzen und seltene Tiere studieren. Ab und zu kam auch mal ein verirrter Rucksackreisender vorbei, dem gewaehrte er dann natuerlich auch Obdach. Es waren gute Zeiten, er lernte von den Reisenden, die Reisenden lernten von ihm, gemeinsam goennte man sich ab und zu mal ein gutes Flaeschchen spanischen Rotwein, und mit der Zeit legte sich Jesus in seinem kleinen Dschungelnest sogar eine kleine Bibliothek zu, und man lamentierte ueber Literatur und Poesie und nie verschwendete er einen Gedanken an seine alte vergessene Heimat im Baskenland.

 

Doch mit der Zeit kamen immer mehr Menschen in sein Dorf im Dschungel, und das Dorf wuchs und wuchs, und mit der Zeit verwandelten sich die einfachen Holzhuetten am Flussufer in Zementkloetze, und damit noch mehr Menschen noch einfacher kommen konnten, verwandelten sich die roten schmalen Dschungelpfade in graue breite Asphaltstrassen, damit die gebaut werden konnten, mussten viele grosse, alte Baeume sterben. Der Wald weinte leise. Jesus hoerte es, denn er kannte seinen Wald gut, aber die Bauern hoerten es nicht, und die Lastwagenfahrer, und die Holzhaendler, denn sie sprachen eine andere Sprache, die Sprache des Geldes, und wer die Sprache des Geldes spricht, kann die Sprache des Waldes nicht verstehen. Etwas spaeter verstummten die Fische, und wenn Jesus fischen ging, fing er keinen Fisch mehr, dafuer Plastiktueten und Konservendosen. Auch der Fluss wurde leiser, er sprach kaum noch, dafuer groehlten die lauten Dieselmotoren der Motorboote, besonders billig aus China importiert, und besonders laut. Aber zum Glueck hatte Jesus ja noch seinen kleinen Garten Eden, dort hoerte er in seiner Haengematte Musik von Mozart (die er nun etwas lauter stellen musste), unterhielt sich mit seinen Studenten und fuehrte sie zu seinen Freunden in die Indianergemeinden, damit sie voneinander lernen konnten und dorthin, wo der Wald noch lebte und die Pflanzen noch bluehten. Doch die Zivilisation breitete sich im Wald aus, wie ein maechtiges Krebsgeschwuer, und dort wo der Krebs seine Bahnen zieht, dort waechst und blueht und lebt nichts mehr, dort geht alles kaputt. Und dort, wo es Zivilisation gibt, dort gibt es Geld, und wo es Geld gibt, dort gibt es Konsum, und wo es Konsum gibt, dort gibt es Raffgier, und so fand schliesslich auch die Kriminalitaet ihren Weg in das Paradies. Es haeuften sich die Ueberfaelle auf die Studenten, man raubte ihnen ihre Kameras, ihre Mikroskope und ihre Computer, und somit auch ihre ueber Jahre hinweg muehsam zusammengeschriebenen Studien und die Grundlage fuer ihre wissenschaftlichen Arbeiten. Weil es zu gefaehrlich wurde, kamen immer weniger Besucher zu Jesus, und die Indianergemeinden, die das Treiben der Neokolonialisisten mit Skepsis beauegten, distanzierten sich von Jesus, und wenn dieser mit den wenigen der verbliebenen Studenten die Gemeinden aufsuchte, warfen sie ihm vor, er bringe die weissen Eindringlinge in ihre Gebiete, um zu spionieren und ihnen die Kinder zu rauben.

 

Von Jahr zu Jahr wurde Jesus etwas einsamer und etwas verbitterter. Von Jahr zur Jahr rauchte er ein paar Zigaretten mehr pro Tag (die er sich nur leisten konnte, weil sie illegal aus Brasilien durch den Dschungel ueber die Grenze geschmuggelt werden, und somit keine Zoelle anfallen). Von Jahr zur Jahr fluchte er etwas lauter, und von Jahr zu Jahr wurde er auch etwas aelter, und er spuerte wie langsam langsam die Kraft aus seinen Knochen und seiner Seele wich. 30 Jahre waren vergangen, 30 Jahre, in denen Jesus nach seinem Paradies gesucht hatte, und nun musste er sich eingestehen, dass er in diesen 30 Jahren niemals gefunden hat, was er gesucht hat. Vielleicht liegt es daran, dass es auf der Erde kein Paradies gibt.

Dann eines Tages, als er schon laengst die 60 ueberschritten hatte, lag er in seiner Haengematte und erinnerte sich an seine alte Heimat im Baskenland, wo er vor langer langer Zeit einmal Freunde gehabt hatte und Familie und eine glueckliche Jugend, und so packte er seine sieben Sachen, verammelte den Garten Eden, und machte sich nach all den Jahren in der Ferne auf die weite Reise zurueck in die Heimat.

 

Doch als er dort ankam, musste er feststellen, dass auch dort sich die Welt veraendert hatte. Seine alten Freunde hatten ihn laengst vergessen, seine Mutter war tot und von seinen 8 Bruedern lebten nur noch vier. Mit 65 Jahren wollte kein Arbeitgeber ihn mehr anstellen, und ohne Einkommen konnte er sich keine Wohnung leisten, drum lebte er eine Weile auf Pump von seinen verbliebenen Bruedern. Alle um ihn herum waren irgendwie gluecklich, oder zumindest schien es so, zumindest hatten sie eine Familie, und ein Haus, und ein Einkommen, nur Jesus war irgendwie allein und hatte irgendwie nichts. So verstrichen zwei Jahre, in denen Jesus mit schmerzverzerrter Seele feststellen musste, dass das hier, auf das er so viel gesetzt hatte, wo er gehofft hatte, in seines verbleibenden Jahren ein bisschen Frieden und ein bisschen Ruhe zu finden, nicht mehr seine Heimat war und drum flog er zurueck in den Dschungel, wo er ein Haus und einen verlorenen Garten Eden hatte, und auch allein ist und ungluecklich.

 

Jeden Nachmittag besuche ich Jesus fuer ein paar Stunden. Dann haenge ich in einer seiner 6 Haengematten, und wenn Jesus in der Stimmung ist, dann unterhalten wir uns ein bisschen. Ueber Rotwein und Mozart, ueber Trump, Mario Vargas Llosa, ueber Blumen und Gemuese zum Beispiel. Wenn er nicht in der Stimmung ist, schweigen wir, ich lese, Jesus raucht, oder er spricht mit seinen Katzen.

 

 

Heute ist Jesus arm und alt und allein. Abends raucht er seine letzten Zigaretten und fuettert seine beiden Katzen. Dann legt er sich schlafen. Allein. Wenn er am naechsten Morgen aufwacht, macht er das Gleiche, wie am Tag zuvor. Wenn nicht, dann ist es auch nicht so schlimm. Denn letztendlich schert sich keiner mehr so recht darum, was aus Jesus wird.

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Puerto Bermudez

Auf den Strassen spielen Kinder in zu grossen, dreckigen Hemden. Kakaobohnen trocknen in der Mittagssonne. Zerrupfte Hunde doesen ruhig im Schatten von Schilf und einfachen Holzhuetten. Frauen waschen die Waesche im Fluss, ihre nackten Brueste wiegen in der Sonne. Am Hafen entladen kleine hoelzerne Boote die Bananenernte aus den Gemeinden am Fluss.

Ich durchquere das Dorf und folge dem alten Indianerpfad in den Dschungel. Im Geast kreischen die Guacamayos. Mich umgibt ein tiefes dunkles vollkommenes Gruen und das Summen der Heuschrecken. Ich bin allein. Im Indianergebiet. Vorangetrieben von einer unersaettlichen Neugier, beinahe eine Besessenheit, zu erfahren, was sich im Dickicht verbirgt. Ruhig und doch stets wachsam, denn der Dschungel schreibt seine eigenen Gesetze. Und tief im Busch treiben sich rauhe Gestalten rum. Vom Rio Ucayali aus organisieren die Ueberreste der Guerilla-Truppe „Leuchtender Pfad“ Ueberfaelle auf umliegende Gemeinden und kontrollieren gemeinsam mit den Narcos den Kokaschmuggel aus den Drogenanbaugebieten Perus ueber geheime Dschungelpfade ueber die Grenze hinweg zu den Laboratorien in Kolumbien. Weiter oestlich treiben Raubbauern mit ihren Motorsaegen ein gewissenloses Unwesen. Der eine misstraut dem anderen, und ungeplante Zusammentreffen verlaufen in der Regel toedlich. Was genau passiert, weiss man nicht, nur wenige Geschichten dringen aus dem Urwald nach aussen, what happens in the jungle, stays in the jungle. Ab und zu munkelt man etwas von Hexenverbrennungen in den Indianergemeinden, von Eindringlingen, die mit Giftpfeilen (Indianer) oder Macheten (Raubbauern) hingerichtet wurden, Ueberfaelle auf Handelsboote und von Guerillas begangene Massaker an den Nativos. Weisse allein im Dschungel haben die geringste Lebenserwartung. Die Asháninkas sehen in den weissen Eindringlingen Landraeuber oder Terroristen, fuer die Raubbauern sind es Spione, die von auslaendischen Regierungen gesandt wurden, um die illegalen Machenschaften aufzudecken, und die Narcos metzeln ohnehin alles nieder, was ihren unglueckseligen Weg kreuzt. Die Gesetze des Dschungels sind rauh, wie seine Bewohner. Man muss wissen, worauf man sich einlaesst. Und waehrend mir das alles so waehrend meines einsamen Streifzugs durch den Kopf geht, dringen aus dem Gebuesch unbekannte Vogelstimmen, und auf einmal bin ich mir da gar nicht so sicher, ob es die Voegel sind, die da rufen, oder ob es die Indianer sind. Und auf einmal ist mir dann doch etwas mulmig zu Mute und ich fuerchte mich doch etwas vor den Giftpfeilen. Eine heruntergekommene Gestalt im zerissenen Hemd kommt mir entgegen. Seine Gummistiefel sind von einer roetlichen Schlammschicht ueberzogen. Rechterhands die Machete, Fluppe in den Mundwinkeln. Vergilbte Augen. Und ich glaube, es ist an der Zeit ins Dorf zurueckzukehren. Denn mit einem Schweizer Taschenmesser ist die Schlacht nicht zu gewinnen.

 

Zurueck im Dorf. Kleine nackte Kinder baden im Bach. Ein hoelzernes Floss ist an den Wurzeln der Urwaldriesen befestigt. Maedchen mit langen schwarzen Haaren bereiten in blechernen Toepfen das Mittagessen zu. Ich sitze auf einem Stein einige Meter unterhalb der Badestelle, ein dichtes Blaetterdach spendet wohltuenden Schatten. Eine blau-schwarze Libelle laesst sich neben mir nieder, gemeinsam beobachten wir das Schauspiel des Wassers, und waehrend wir uns fragen, ob es etwas Schoeneres gibt, als die Reflexion der Wasserbewegungen auf der Blattoberflaeche der Urwaldgewaechse, traegt uns das ruhige Rauschen des Baches fort in einen Zustand meditativer Schwerelosigkeit, und ich vergesse die Zeit. Der Wald spricht mit mir, und wie seine Stimme lauter wird, zeichne ich mit Wasser Punkt- und Strichsymbole auf den Stein neben mir, alte Indianerzeichen, deren Bedeutung einzig der Dschungel kennt. Und als die Sonne die Zeichnung verblassen laesst, erwachen wir behutsam aus unserem gruenfarbenden Trance, und die Libelle und ich verlassen den Stein.

 

In der Abendluft liegt der Geruch von verbranntem Holz, Bootslack und gegrilltem Fisch. Kleine Feuer brennen am Wegesrand. Ein Schwarm kreischender Papageien zieht ueber den Fluss. Die tuckernden Motorengeraeusche der Holzboote verhallen im Dschungel. Ruhig und gemaechlich fliesst der Strom. 

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Rueckblick

Bevor wir uns nun tiefer in die magische Dschungelwelt begeben, bin ich Euch ja noch die Fortsetzung von den meuchelmordenden Projektteilnehmern aus Ananea und dem Honig schuldig. Also bitte sehr, hier kommt sie:

Ich wiederhole: „Ausserdem gibt es Tumulte in Achacachi, da will man widerum den Buergermeister lynchen, Haus und Auto wurden bereits niederbrannt, der Buergermeister ist auf der Flucht, wie man munkelt, aber seit einigen Tagen liefern sich dort nun Militaer und aufgeregte Buerger eine feurige Strassenschlacht, was ebenfalls schlecht fuer unsere Entwicklungshilfe ist, Achacachi muessen wir naemlich unweigerlich passieren, wenn wir nach Tacacoma wollen. Da gibt es nun aber ebenfalls kein Durchkommen.“

 

 

Trotz der geballten Ladung Hiobsbotschaften von Seiten der Meerschweinfront begeben wir uns am Samstagmorgen furchtlos auf die strapazioese Reise in die Berge, denn ein echter Entwicklungshelfer, der fuerchtet weder Tod und Teufel, und Honig brauch ich schliesslich auch. Achacachi ist ein Schatten seiner vergangenen Pracht, verkohlte Autowracks qualmen am Wegesrand (eins davon mit Sicherheit vom Buergermeister, von dem bislang jede Spur fehlt), die Laeden sind dicht (also kein Mittagessen) und die Fensterscheiben zertruemmert. Ansonsten koennte man aber fast sagen, Friede, Freude, Eierkuchen, wir koennen unbehelligt passieren. Oben angekommen in Tacacoma treffen wir auf einen sichtlich geknickten Mario. Ananea sei ein Geisterdorf, der gesamte Laden sei auf der Flucht. Zwei Damen aus Ananea sind trotz des ganzen Schlamassels auf dem Markt erschienen, ihre Goldzaehne leuchten im Nebel, und sie haben Honig mitgebracht. Wann die Maenner wiederkommen sei ungewiss, vorerst muesse man sich in den Bergen verstecken, bis sich die Lage beruhigt habe. Ich werde eingeladen, zu ihnen nach Ananea zu ziehen, fuer die Story waers natuerlich der Knueller, allerdings hab ich echt keinen Bock mehr, weder auf Berge noch Kaelte, und lehne deshalb ab. Scheiss auf den Honig! Ansonsten alles weniger spektakulaer, als es zunaechst erschien. Ich kaufe das erste Glas Honig, was ueber den Tresen geht, fuehre ein paar Interviews zur dramatischen Lage in Ananea, dann piercen wir mir einen der uebrig gebliebenen Meerschweinohrringe ins linke Ohr, Alex traegt einen rosafarbenen Basthut, den er einer Projektteilnehmerin entwendet hat, und dann finde ich unter der feilgebotenen Ware doch sage und schreibe ein 5 kg schwere Monstermoehre (das muss man sich mal vorstellen, gewachsen aus UNSEREN kleinen zarten Entwicklungshilfssamen). Bevor ich das gute Stueck in einem ausgiebigen Festmahl vertilge, wird das natuerlich abfotografiert UND zu Protokoll genommen, und dann findet der Tag auch schon sein gemaechliches Ende und zurueck gehts nach La Paz.

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Der FUND!

Achtung - Achtung - Wichtig -Wichtig!!!

Heute habe ich Durian, ich wiederhole: D-U-R-I-A-N gefunden. Es kann also bald losgehen mit der superfruchtigen obstlersause!!!

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Die Hoelle von Tacacoma – dem Grauen sein zweiter Teil: IN DER SCHULE

Soweit so gut, jetzt aber erstmal zurueck nach Tacacoma, da muss ja noch so einiges nachbereitet werden. Kurz zur Auffrischung: "An diesem Ort des Verderbens fallen nachts die Sterne vom Himmel, und mit jedem Stern, der erlischt, gibt es ein bisschen weniger Licht und wird es noch ein bisschen dunkler." (Achtung, weiterlesen ist nichts fuer schwache Nerven, aber dennoch, es muss berichtet werden.)

 

In Tacacoma gibt es eine Schule. Aber die ist leer, da ist gar kein einziger Schueler. Und wisst Ihr auch warum? Weil in der Hoelle von Tacacoma die Kinder zu Spottpreisen an Menschenhaendler verkauft werden. Von der Hoelle Tacacomas werden sie in die Hoelle San Borjas gebracht, wo man ihnen die Organe aus den Koerpern schlitzt, die wiederum zu Wucherpreisen an Organhaendler verkauft werden. „und die leeren Koerperhuelsen verwesen im immerfeuchten Sumpf des Dschungels“ (Alex). Das passiert denen, die ganz grosses Pech haben.

 

Die restlichen Kinder, die leben ein bisschen laenger, aber nur ein bisschen, denn sie schuften in den schwarzen, menschenfressenden Minen des menschenfressenden Berges, und der Riese, der immerhungrige, der will genaehrt sein, wie wir wissen. Oder aber sie finden einen Bombenjob in den mit Pestiziden vergifteten Kokaplantagen der Yungas, dem koennen sie so lange nachgehen, bis der Krebs schleichend ihre jungen Koerper zerfrisst, dann muessen sie sich zur Ruhe setzen, das passiert so mit 20, oder aber mit etwas Glueck so mit 25.

 

Oder aber, sie begeben sich auf die Suche nach dem ganz grossen Glueck, das befindet sich bekannter Massen ganz dicht am Himmel, in der schwarz grau braun schimmernden Seifenblase namens La Paz (Friede sei mit Dir). Die Blase zerplatzt allerdings meistens bereits kurz nach der Ankunft, und mit Schrecken muss man dann feststellen, dass die Seifenblase auch gar nicht aus Seife bestand, sondern aus Guelle, Urin und Frittierfett, das sich als kalt feuchte Fluessigkeit ueber Deinen Koerper ergiesst, und wenn Du Pech hast, ertrinkst Du darin. Ansonsten geschieht in La Paz in der Regel Folgendes: Wenn die kleinen Kinder noch ganz klein sind, dann tanzen sie als lustige kleine Figuerchen, in lustigen bunten Kostuemchen zu traditioneller Folkloresongs der schoenen andinen Bergwelt, das Problem ist nur, dass sie so dreckig sind, dass sie gar nicht so schoen anzuschauen sind, und der Sound ist so schlecht, dass die Folklore auch gar nicht so schoen anzuhoeren ist, drum ist es besser, wegzuschauen und wegzuhoeren, hat allerdings zur Folge, dass die Einnahmen entsprechend duerftig sind, und nach kurzer Zeit sind ihre lustigen bunten Kostuemchen auch gar nicht mehr bunt, sondern schwarz wie der schwarze Smog der Stadt. Ein paar von ihnen verhungern dann auch, das Gute jedoch ist, dass sie ja bereits ganz dicht am Himmel waren, drum ist der Weg dorthin fuer ihre kleinen Seelchen nun auch gar nicht mehr so weit. Andere wiederum werden von der Strasse gefischt – wieder mal von den geldgierigen Menschenhaendlern - um dann taeglich im Schnitt 30-35 stinkende paedophile Minenarbeiter ohne Zaehne (und aehnliches Gesindel) zu befriedigen, dafuer verdienen sie im Schnitt 100 Bolivianos pro Tag, die duerfen sie aber selbstredend nicht behalten, selbstredend bekommt die der Zuhaelter, der passt schliesslich auf, dass seine zarten Schuetzlinge nicht verhungern. Mit noch etwas mehr Glueck koennen sie dann sogar nach Argentinien, Brasilien, oder – mit ganz grossem Glueck in die USA, ins Land der unbegrenzten Moeglichkeiten reisen, wo sie dann als Sexsklaven wohlhabenderer Paedophile einem Luxusleben in Saus und Braus froehnen.

 

Ja, meine Lieben, so ist es in der Hoelle. Das muss man verstehen, da bleibt halt wenig Zeit fuer Schule. Und darum pfeift der kalte Wind durch die zerbrochenen Scheiben der leeren Klassenraeume, in denen es dunkel ist, weil es keine Gluehbirnen gibt, und ohne Gluehbirnen logischer Weise kein Licht, aber wo kein Schueler, das braucht man schliesslich auch kein Licht.

 

Das Gute allerdings ist, Lehrer, die gibt es sehr wohl, und damit alles besser wird, erzaehlen wir denen ein paar schlaue Saetze zu Vigilancia y Control Social und Politica Pública und Geschlechtergleichheit, das ueben wir dann noch mit ein paar bunten witzigen Handpueppchen.

Doch irgendwie hab ich das dumme Gefuehl, das bringt vielleicht gar nicht so viel...

 

 

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Aufbruch

Ich treffe die Entscheidung, Bolivien, den Meerschweinen, dem Kleiderschrank und insbesondere der Kaelte den Ruecken zu kehren, und mich in das Amazonasgebiet des peruanischen Dschungels zu begeben, um dort Ruhe, Frieden, Vollkommenheit und Inspiration zu finden (und mit etwas Glueck 1-2 unentdeckte Indianerstaemme, Schmetterlinge und neue Tierspezies jeglicher Art und Form und seltene Federn und Samen und mit etwas Pech Schlangen, Spinnen, Malaria und Dengue). Drum verschnuere ich sorgsam mein Hab und Gut und mache mich auf den beschwerlichen Weg ueber die schneebedeckten Gipfel der Anden Richtung Peru.

Auf der peruanischen Seite des heruntergekommenen, kalten Grenzkaffs namens Desaguadero treffe ich mich mit Alex, er will ebenfalls nach Peru zu seiner kranken Mutter, drum legen wir den ersten Teil der Strecke gemeinsam zurueck.

Nachts um 1:30 erreichen wir im stroemenden Regen Juliaca, ein abfuck Kaff erster Klasse, wo wir die kaelteste Nacht unseres Lebens in einem abfuck Hostal erster Klasse verbringen. Die „Waende“ sind aus Pappe, und nach oben hin offen, das flackernde Neonlicht aus der „Lobby“ ermordet kaltbluetig die zur Nachtruhe benoetigte Dunkelheit, es gibt weder Ruhe noch Dusche noch Waschbecken, das „Fenster“ hat keine Scheiben und eingekauert unter einer „Woll-“decke ohne Wolle froesteln wir uns 3 Stunden durch die Eiseskaelte, um am naechsten morgen um halb 5 eingefroren die Reise nach Sicuani fortzusetzen. Der Spass kostet 30!!! Soles, was wiederum eine Frechheit erster Klasse ist. Im Bus kann ich wie ueblich nicht schlafen, bei jeder Kuh, die wir passieren erklaert mir Alex Name, Rasse, Zuchtmethoden, und Menge von Milch und Kaese, die sich daraus machen laesst. Die besten Kuehe sind die Holsteiner (angeblich aus Holland, ich glaub allerdings, dass das eine deutsche Marke ist), die zweitbesten die Braunschweiger (angeblich aus der Schweiz, klingt mir allerdings auch arg deutsch).

 

 

Auf dem Markt von Sicuani wollen wir mir ein Alpacka und einen Esel kaufen, fuer den Rucksack und fuer mich. Auf dem Markt gibt es ALLES. Fettleibige Peruaner vertreiben Rottweiler, Pitbulls und Schaeferhunde fuer Hundekaempfe. Am Flussufer verticken aehnlich fettleibige Peruaner zerrupfte Haehne fuer Hahnenkaempfe. Es gibt Hasenpfoten und Fuchskoepfe fuer scharmanischen Zauber, jede Menge Meerschweine, dunkelrote wohlschmeckende Dschungeltrauben, jede Menge Chicha und natuerlich jede Menge Coca. Was es NICHT gibt, sind Esel. Und das, was man uns als Alpacka andrehen will, ist ein schlechter Scherz. Es stehen insgesamt genau zwei Stueck zur Auswahl. Das erste ist eine schafsgrosse verfilzte Missgeburt mit Glubschaugen, die aussieht wie ein deformierter Karpfen vom Mars (geht GAR nicht!), das zweite ist weiss und weich und flauschig und mit einem Preis von 35,- Euro auch durchaus erschwinglich, allerdings ein Miniminiexemplar, keine drei Wochen alt, das geht auch nicht, kann keinenfalls meine Rucksack wuppen, schlimmer noch, ich muesste es womoeglich noch selbst tragen, und das war auf jeden Fall nicht die Idee....War also nichts. Von dem gesparten Geld kaufen wir noch ein paar mehr Dschungelkirschen und teilen uns einen Ceviche.

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Kleines Update von der Crew

Lang schon haben wir nichts mehr von der Fido Dido gehoert (das liegt u.a. auch daran, dass wir ja

nun damals leider ganz unverschuldet abgesoffen sind). ABER Die Crew lebt! Zumindest die Mehrheit. Ich setze Euch ins Bilde, soweit ich im Bilde bin (Luzifer lasse ich mal aussen vor, den haben wir ja zwischenzeitlich immer mal wieder getroffen):

 

Dumont hat sich nach einem Gewaltpowermarsch durch den Himalaya Vorder- und Hinterindiens (- auf ewiger Suche nach seltenen Diamanten, Edelsteinen und Bergkristallen fuer das Schmuckgeschaeft), wieder zurueck nach Penang durchgeschlagen, wo er dem alten Business nachgeht. Mit einigen Startschwierigkeiten allerdings, gleich zu Beginn des Jahres ist er mitsamt Bauchladen in der Love Lane „komplett abgesoffen“ – arge Regenschauer, wohl aehnlich, wie wir es uns hier gerade in Peru ergeht (Anm. d. R.: Wir versinken im Schlamm, haben wir einer kleinen verzogenen Goere namens „El nino“ zu verdanken). „Absaufen“ sei er ja aber nun bereits gewoehnt, kann ihn also nicht mehr aus der Ruhe bringen, einige Diamanten hat der Strom zwar mit sich genommen „macht aber nichts“, er hat naemlich gleichzeitig ein paar Perlen angeschwemmt, die Dumont noch nicht in seinem Sortiment hatte.

Sein neuestes Werk:„Bracelet with a Mexican Rainbow Obsidian and a beautiful dark green and purple fire“ (ich gehe davon aus, dass der „Mexican Rainbow Obsidian“ einer der angespuelten edlen Steine ist, in Mexico war Dumont naemlich nicht!). Lange Rede, kurzer Sinn: der Laden laeuft.

 

Nachdem Kolumbus nun seit gut einem Jahr dem gemaechlich feucht kuehlen Leben in seiner kleinen Waldholzhuette nahe Bristols in Good Ol‘ Grea‘ Britain gefroehnt hat, zieht es in ihn wieder hinaus ins Abenteuer, ihm schwebt hohes und grosses vor, „moeglichst fern von See und Luzifer“, drum wird er sich in den kommenden Monaten nach Nepal aufmachen, wo er hofft, den Yeti zu finden, und mit ihm in seiner Schneehoehle die ein oder andere Club Mild zu rauchen. Lovely.

 

Donnie Vasco hatte voruebergehend Sumatra verlassen, um sich mit Thailand auszuprobieren, trotz Hitze wurde er „mit dem Laden“ allerdings nicht warm, das Essen dort war „unter aller Sau“, Zitat: „Thai food is causing me some concern now...... I NEED GOOD FOOD.....“, schlimmer als die Fischknochen auf der Fido Dido (und das will was heissen), die Thais sind unleidlich (haett ich ihm auch vorher sagen koennen), und Regen gab`s auch keinen, das ist natuerlich nischt fuer so’n alten Schotten, wie den Vasco. Und Club Milds gibts auch nicht. Drum ist er nun schnurstracks zurueck nach Sumatra (mit kleinen Zwischenstop in Penang), wo er momentan als Schiffbruechiger (er kanns nicht lassen) vor der Kueste Pulau Banyaks treibt.

 

Der Obstler ist mir dicht auf den Fersen, wie wir ja bereits wissen, ist er mit Teilen seiner Crew in Peru, wo sie momentan auf einer veganen Oekofarm versuchen die Kohle fuer den Dschungeltrip zusammenzukriegen. „Durian“, wie ich heute in Erfahrung bringen konnte, haben sie „bisweil noch nicht auftun koennen“, man sei aber zuversichtlich, im Dschungel fuendig zu werden. Da ich ja nun bereits im Dschungel bin, versprach ich grossherzig schon mal Ausschau zu halten, damit unser Wiedersehensmahl (in gut zwei Wochen duerfte es soweit sein) auch gebuehrend zelebriert werden kann (ich arbeite bereits an einem neuen Duriansong).

 

Angga ist Jungleguide und stolz drauf. Er folgt weiterhin dem Licht.

 

Dedi ist ebenfalls zurueck im Dschungel (das mit der hollaendischen Prinzessin ist irgendwie schief gelaufen), er hat allerdings keinen Bock mehr auf diesen „Steuermannjungleguideschwachsinn“, und baut jetzt deshalb Lampen aus Kokosnussschalen, die „Lampe“ muss man sich allerdings einbilden, weil es im Dschungel ja bekanntermassen in der Regel keinen Strom gibt-und wenn es welchen gibt, faellt er aus.

 

Und Remus– ja der Remus – nach der traurigen Geschichte mit dem Stachelrochen ist und bleibt er verschollen. Ohne Herz keine Orientierung, so ist es nun mal. Doch manchmal, wenn ich ganz still bin, und ganz tief in mich hinein horche, dann hoere ich aus der Ferne HERZzerreissende indonesische Junglehymnen, geklimpert auf einer indonesischen Holzgitarre, und dann kommen mir die Traenen, und ich weiss, wo auch immer der arme herzlose Bursche gerade herumirrt, es geht ihm gut.

 

Von Phil hingegen ward nie wieder was gehoert. Ob tot oder lebendig, so werde ich ihn doch stets in guter Erinnerung behalten.

 

 

Nun noch kurz zu mir: Ich hab wie gesagt die Meerschweinhilfsarbeit (keine Sorge, die alten Gruselmoerdermeuchelstoriesaus der kalten Bergwelt werden noch nachbereitet) geschmissen und bin wieder ins Schmuckgeschaeft eingestiegen, dem ich in Peru nachgehe (die Zahlkraft der Bolis ist gelinde gesagt fuer’n Arsch). Nachdem ich mir zunaechst die Taschen mit Inkagold aus den Anden vollgestopft habe, suche ich aktuell im Dschungel nach seltenen Samen und bunten Federn, um meinem artesanalem Handwerk einen abenteuerlich spirituellen Pepp zu verleihen. Muss dabei allerdings stehts aufpassen, mich nicht zu vergiften. Und jetzt muss ich die Schreibarbeit voererst an den Nagel haengen, der Gestank de verwesenden Tapirs vor meiner Zimmertuer vernebelt mir die Sinne, so gehts nicht, das legt den gekonntesten Schrifsteller lahm.

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Die Perfektion

Ein toter Tapier vor der Zimmertuer

Ein gruener Frosch in der Kloschuessel

Ein Faultier fault in der Nachmittagshitze

Ein Nachtfalter in Rattengroesse

Schwuele Hitze

Kaymane, Schlangen, Spinnen, Dengue

Ich bin im Dschungel.

 

I LOVE JUNGLE!!!

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Hommenage an La Paz

La Paz, Du kalte Hoelle,

die Du ersauefst in ranzigem Frittierfett

die Du erstickst in schwarzem Smog,

die du mir die Luft raubst,

so dass ich nicht atmen kann,

waehrend ich durch Dein stinkendes Chaos sprinte,

gejagt von blechernen Monstern aus der Unterwelt

und ueber die Woelbungen stolpere, die Dein Boden schmeisst,

weil er es nicht mehr aushalten kann

weil er ausbrechen will und es nicht kann

Rastlos. Gefangen. Atemlos.

Dem Himmel so nah, dem Paradies so fern

 

La Paz, Du laermdendes Inferno,

Du bruellendes Untier, das Du niemals schlaefst

das Du droehnst in einem niemals endenden Soundtrack

aus schrillen Sirenen und schallernden Lautsprecherboxen

und groehlenden Hupen und kreischenden Strassenhaendlern

das Du mir das Trommelfell zersprengst,

Du ballerndes Biest,

das Du zarte Kinderstimmen verschlingst

die am Wegesrand um Hilfe rufen,

weil sie verhungern,

und niemand sie hoeren kann

 

La Paz, Du sarkastisches Ungetuem,

Du immer hungriges

das Du berstes aus allen Naehten

und doch nicht genug kriegen kannst

von dem Leid heimatloser Irrgestalten,

die keine Schuhe tragen

und in Deinem Dreck versinken

die sich schieben durch deine ueberfuellte Scheinwelt vogekaukelter Zuversicht

sich verlieren in deinem Labyrinth anonymer Gluecklosigkeit

Waehrend sich frisch frisierte Schosshunde

Mit rosa farbenen Strickpullis

Vor der klirrenden Kaelte schuetzen

 

La Paz, Du stinkende Muellkippe verwesender Traeume,

Du seelenfressendes Monstrum,

das Du uns das Leben aus den Knochen saugst

und lachend zuschaust, wie das Glueck aus unseren Herzen weicht

und als schwarze Smogwolke den Himmel verdunkelt

und zurueckbleiben leere Koerperhuelsen,

die sich in deiner Guelle waelzen

und zwischen Hundekot und Rattenleichen

frittiertes Huhn und frittierte Wurst und frittierte Unschuld verkaufen

Und ihre stillen Traenen

vermischen sich mit dem Urin der Strasse

 

La Paz, Du faekaler Fettfleck, Du verhasste Bestie, Du wahr gewordener Alptraum

La Paz, Du meine Heimat, sag, warum lieb ich Dich trotzdem?

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Normaler Wahnsinn in den Anden

Meine persoenliche Erloesung von der andinen Geisterwelt finde ich abends in der vollkommenen weltlichen Backpacker Herberge mit dem kreativen Namen Paccamama, wo ich mich von einem deutschen Volldepp namens – gute Frage – den Namen habe ich verdraengt – vielleicht sowas wie Chris- zulabern lasse, u.a. ueber den hoellenhaften Menschenhandel in Deutschland, professionell betrieben durch das hoellenhafte Jugendamt. Seinem eigenen Bruder wollte man den Sohn rauben und fuer teures Geld an eine kinderluesternde hoellenhafte Pflegefamilie verticken, aber NICHT MIT IHM! Man begab sich auf die Flucht, um bei einer geheimen Drogenkommune im Sueden Spaniens Schutz vor den raffgierigen Krallen der deutschen Jugendteufel zu finden, wurde aufgespuert und – HALTET EUCH FEST: E-i-n-g-e-k-e-r-k-e-r-t. Solche und aehnliche Geschichten, der Weltfrieden liegt Chris (oder wie wir ihn nennen wollen) sehr am Herzen, jedes, ja JEDES Leben ist lebens – und lobenswert, und generell war frueher auch alles besser, damals im Mittelalter, als die Menschheit noch gut und gerecht war, und nicht von dem hoellenhaft kapitalistischen Gedankengut der Luegenpresse verpestet wurde. Damit wir gut bleiben, muessen wir uns vermehren, wie die Kanickel, die Abtreibung gehoert abgetrieben. Und u-e-b-e-r-a-l-l ist Zucker drin.Scheisse mann! Alkohol und Zigaretten. Pah! Der Zucker! Das Teufelszeug, das suesse Gift aus der Hoelle, macht uns kaputt, zerstoert Zaehne und Menschenleben! Scheisse mann! Sagt er und trinkt seinen dritten Whiskey-Cola.

 

Um mich abzulenken bespasse ich mich mit Manu, einem rastlosen Rasta aus Jamaica, der aus unerfindlichen Gruenden im kalt feuchten Cabanaconde haengengeblieben ist. Wir floaten auf derselben Welle, hoeren Reggaemusik, und auf einmal, da bekomme ich unheimlich Laune, nach Jamaica zu fahren.

 

 

Vorerst muss ich allerdings zurueck nach Cusco, und von da zurueck nach La Paz.

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Cabanaconde - oder: Im Reich der verlorenen Seelen

Kurz zur Auffrischung: "Und als ich die steinerne Huette verlasse, da erschallt hinter mir ein graessliches Gelaechter. Und waehrend ich mich entferne und nicht zurueckblicke, ich mir meinen Weg durch den dichten Nebel bahne, da weiss ich: Das war Luzifer. Und der Geruch. Das war der Schwefel aus der Hoelle."

 

Ich verlasse diesen Fleck des geisterhaften Unheils, bevor man mir meine Zukunft aus dem Kokablatt lesen kann. Und durchwandle eine weltfremde Welt, in der nichts lebt und nichts tot ist. Zerfallenes Mauerwerk. Grabesstille. Friedhof verlorener Seelen. Eine bucklige alte Frau am Wegesrand starrt mich aus schwarzen Augen an, die alles sehen und alles wissen, und in denen es nichts Menschliches gibt und nichts Vertrautes. Nicht tot und doch nicht lebendig, gefangen in einer Zwischenwelt der Untoten. Der boese Blick. Der boese Blick. Schichten jahrhunderte alter Lamadecken umhuellen ihren knoechernen Leib.Tiefe Falten zerfressen ihr runzliges Gesicht. Sie verwehst.

 

Tock. Tock. Tock macht ihr Krueckstock, waehrend ihre duerre Gestalt zu Nebel wird. Und zurueck bleibt eine dumpfe Stille, die dir die Vernunft raubt und den Atem abschnuert.

 

Ich passiere eine Herde verhungerter Schafe, und dort, wo ihre schwarze verfilzte Wolle den Boden beruehrt, werden sie eins mit dem fleischfressenden Schlamm der Erde, denn der Hunger der Berge, ist unersaettlich. Wildpferde beissen sich blutige Wunden in die Haelse und der Tod sendet schwarze zerfetzte Hunde, die Dir den Weg in die Dunkelheit weisen. Kadaver und Schaedelknochen.

 

Ein 1000m tiefer Krater zerreisst die Erde in zwei Teile, und waehrend ich in die Tiefe starre kreist ueber mir ein Kondor, 1000 mal gestorben und 1000 mal wieder auferstanden, in einem niemals endenden Kreislauf von Leben und Tod, der die Sonne aufgehen laesst, Mittler zwischen Himmel und Erde, Gesandter der Goetter, schwebt er hinab von dort wo die Bergspitzen eins mit dem Himmel werden, auf der Suche nach verirrten, koerperlosen Seelen, um sie zu begleiten auf ihrer Reise zu der oberen Welt, wo sie Erloesung finden sollen.

 

 

Der Hund mit Menschenaugen verfolgt mich.

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Es OBSTET! - Oder: Wiedersehen mit alten Freunden

ATENCION ATENCION! Wichtige Neuigkeiten, bevor die erlebnisse aus den schwaerszesten aller schwaerzesten berge aufgearbeitet werden koennen. Es ereilte mich soeben eine rauchmeldung des obstlers! Er und seine crew haben es nach peru geschafft. (er hat sich also offensichtlich aus dem spinnennetz loesen koennen). Sie befinden sich derzeit im Dschungel des Amazonas auf der Suche nach Durian (auch Stinkfrucht genannt). Das passt natuerlich wie der Kern in den Pfirsich, da ich ja nun meine heldenhafte Taetigkeit bei den Meerschweinen geschmissen habe, und mich ebenfalls in Peru befinde, auf dem Weg zum Amazonas. Das Wiedersehen wird selbstredend gebuehrend zelebriert werden, auch wenn dafuer ggf. Die ein oder andere Mango ermordert werden muss. Vom Verlauf des fruchtigen Festschmauses berichte ich, sobald es soweit ist. Vorerst werden jedoch die alten Anekdoten aus La Paz und Umgebung reflektiert.

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Die Rache der Goldgraeber

In unserem Entwicklungshilfsprojekt gehts hoch her. Die Goldgraeber aus Ananea haben einen Polizisten gelyncht (es ging wohl um Gold), jetzt will man „die Moerdertruppe dingfest machen“, drum sind alle Zugangswege gesperrt. Fuer unser Meerschweinhilfsprojekt insofern schlecht, weil es sich bei den Anfuehrern der „Moerdertruppe“, wohl um unsere Projektverantwortlichen handelt. Das ist uebel, denn Sonntag steht der naechste Markt an. Ausserdem gibt es Tumulte in Achacachi, da will man widerum den Buergermeister lynchen, Haus und Auto wurden bereits niederbrannt, der Buergermeister ist auf der Flucht, wie man munkelt, aber seit einigen Tagen liefern sich dort nun Militaer und aufgeregte Buerger eine feurige Strassenschlacht, was ebenfalls schlecht fuer unsere Entwicklungshilfe ist, Achacachi muessen wir naemlich unweigerlich passieren, wenn wir nach Tacacoma wollen. Da gibt es nun aber ebenfalls kein Durchkommen.

 

Doch auch das, kann einen wahren Entwicklungshelfer nicht erschuettern. Wie wir die Krise ueberwinden, und ich letzten Endes doch noch an den Honig komme, das berichte ich beim naechsten oder uebernaechsten Mal.

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Wie es weiter ging in Santa Clara- oder: Santa Clara: Ort ohne Wiederkehr

Eh wir es vergessen, und bevor ich berichte, was mir in dem Geisterdorf tagsueber fuer Ueber- und Untersinnliche Begegnungen ueber und unter den Nebelpfad gelaufen sind, muss zunaechst erst nochmal der alte Faden aus Santa Clara weitergesponnen werden. Wo waren wir stehen geblieben? Ich wiederhole: „Ich hab die Munition der Schreckschusspistole mit einem Faden versehen, dann hab ich den Faden um den Zahn gebunden und KNALL ZACKabgedrueckt und raus war der Zahn.“

 

Der Weg nach Santa Clara dauert laenger als geplant, weil Alex bei jeder der Millionenfachen Parasitenpflanzen anhaelt und „guck hier!“ schreit. Das ist das Signal, dass man stehen bleiben muss, und sagen muss „oh wow“ und dann muss man ein Foto schiessen (das man spaeter ohnehin wieder loescht)...Der „Weg“ ist ein nicht zu unterschaetzender Stolperbergssteigerpfad, in der Regel gibt es kein Durchkommen, und wenn es Durchkommen gibt, liegt es daran, dass es am „Weges“rand (der Weg an sich ist schon ein Rand) so steil bergab geht, dass dort nichts mehr wachsen kann. „Sieht mir so aus, als waer hier seit Jahrzehnten keiner mehr lang gekommen...“ „Ja, das liegt an den Baeren und den Leoparden, vor denen fuerchten sich die Leute.“ Nun Gut. Irgendwann erreichen wir tatsaechlich Santa Clara, auf dem Weg dahin passieren wir noch Coyabamba, wo wir ebenfalls ein paar Projektteilnehmer haben, allerdings ist keiner zu Hause, ausser einer Schafshirtin, die verkuendet, dass sie am Markt NICHT teilnehmen wird. Von einer Nachbarin wisse sie, dass die ihr Meerschwein zu „Auststellungszwecken“ zum Markt bringen werde, dann aber wieder mit nach Haus nehmen werde. Nehme ich nicht zu Protokoll. In Santa Clara allerdings gehts hoch her, es gibt – Achtung – ein R-E-S-T-A-U-R-A-N-T, und – ACHTUNG: K-A-F-F-E-E! Das Restaurant gehoert der Projektverantwortlichen im Dorf, sie werde morgen NICHT zum Markt kommen, erstens seien alle ihre Meerschweine tot (gibts fuer uns also auch nichts zu piercen) und zweitens habe sie im Restaurant genug zu tun (im Schnitt ist mit 2 Gaesten pro Tag zu rechnen). Wir verweilen ein Weilchen im Restaurant, in der Glotze laeuft Moby Dick, und 4 Stunden spaeter kommt tatsaechlich eine Dame mit 20 Eiern vorbei, was widerum Arbeit bedeutet. Wir putzen Eier (wird zu Protokoll genommen und fotografiert), danach hauen wir einen Stempel „Asocacion Santa Clara“ drauf. Das macht Alex mit so peinlichst uebelsterregender Genauigkeit, dass es nicht zum Aushalten ist. Dann versuchen wir zurueck nach Tapila zu kommen. Fussmarsch sind nochmal 4 Stunden, das geht nicht, wir sind zu erschoepft, ausserdem lauern nachts am Wegesrand irgendwelche menschenfressenden Reptilien, wie man mir mitteilt, und es ist bereits dunkel. Wir muessen also auf ein vorbeifahrendes Auto warten. 3 Stunden passiert nichts. Dann kommt ein betrunkenes Kind vorbeigefahren, dass allerdings nur zur naechsten Mine faehrt. Darueber bin ich nicht so ungluecklich, denn die Strasse von Santa Clara nach Tapila ist die toedlichste aller Todesstrassen, da warte ich lieber auf was besseres. Das „bessere“ ist allerdings eine Illusion, die sich nach und nach in Dunst und Nebel aufloest. 1,5 Stunden spaeter kommt ein Paaerchen – ich korrigiere: Mutter und Sohn – vorbeigecruist. Allerdings in die entgegengesetzte Richtung. Man nehme uns gerne mit, wenn wir zufaellig unser Ziel aendern wollen. Verlockend, allerdings ist der Sohn (und Fahrer) ebenfalls so was von sternhagelvoll, dass er sich nur noch mit Muehe auf den Beinen halten kann. Aussederm muessen wir morgen um 5:30 auf dem Markt antanzen, wir lassen sie also passieren. Dann passiert eine lange Weile wieder: nichts. Das Ganze ist an Peinlichkeit mal wieder kaum zu uebertreffen, es ist naemlich mittlerweile 23:00 Uhr, und es ist offensichtlich, dass die Restaurantbesitzerin alles dafuer geben wuerde, uns endlich los zu werden (um 21:00 Uhr wurden bereits die Schotten dicht gemacht). Irgendwann faellt uns ein, dass Francisco heut mit dem Dienstwagen UND Fahrer eintreffen wollte, den rufen wir also an, dass man uns abholen moege (in Santa Clara gibt es naemlich absolut wirklich gar keine Schlafmoeglichkeit). Franciscos kollegiale Antwort ist Folgende: „Jo, das Auto ist da. Nein. Schicke ich Euch nicht. Chao.“ Alex brodelt vor Wut ueber, und raucht eine Packung Zigaretten, um sich zu beruhigen. Ich trinke ein paar Schlueckchen Sake. Nach einigem Hin und Her bringen wir die Nummer des Fahrers in Erfahrung. Wir rufen ihn direkt an, jo, no prob, er komme vorbei.

 

 

Und eh wir’s uns versehen, da befinden wir uns in der Hoelle von Tacacoma.

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Im Gemach der toten Tante

Die Nacht ist unheimlich. Der Ort ist unheimlich. Diese Huette ist unheimlich. Der Mann ist unheimlich. Er schenkt Pisco Sour nach. Ich will gar nicht mehr. Und dieser Geruch. Keine Ahnung, wie spaet es ist. Regen in der dunklen kalten Nacht. „In dem Raum, in dem Du schlaefst, da ist meine Tante gestorben.“ Na bravo. „Manchmal nachts, kann ich die Touristen dort schreien hoeren. Am naechsten Tag erinnern sie sich nicht daran.“ Aus dem Schatten funkeln schwarze Schweinsaugen. Das Radiosignal kehrt kurz zurueck. Dann verschwindet es wieder im dunklen feuchten kalten Nichts. „Meine Tante hat den Raum nie verlassen.“ Mir ist kalt. Ich zieh mir die Kapuze tiefer ins Gesicht. Schwarze Schweinsaugen beobachten mich. Suesslicher Atem. Zu nah an meinem Gesicht. „Wenn ich in dem Raum schlafe, lasse ich Nachts das Licht brennen. Nimm noch einen Schluck, das ist Deine einzige Nacht, die Du hier verbringen wirst. Du solltest das Beste daraus machen.“ Beklommen und benommen.

Das Licht im Bad hab ich brennen lassen. Es knackt und tropft von der steinernen Decke in den metallernen Pisspot. Der Wind pfeift durch die zerbrochene Fensterscheibe. Es ist klamm und feucht und ich friere wie immer. Es knackt und raschelt.

 

Am naechsten Morgen bin ich geraedert, vollkommen neben der Spur, als haett ich kein Auge zugetan. Offensichtlich muss ich aber geschlafen haben. Aus der Nacht erinnere ich nichts. Der Regen hat nachgelassen. Zum Fruehstueck gibt es Banane mit Schokoladensauce. Ich hab keinen Hunger und esse. Packe hektisch meine Sachen. Und verlasse diesen Ort des dunklen feuchten kalten Grauens. „Du gehst?“

Ich muss nichts bezahlen.

 

Und als ich die steinerne Huette verlasse, da erschallt hinter mir ein graessliches Gelaechter. Und waehrend ich mich entferne und nicht zurueckblicke, ich mir meinen Weg durch den dichten Nebel bahne, da weiss ich: Das war Luzifer. Und der Geruch. Das war der Schwefel aus der Hoelle.

 

 

Ein Hund mit Menschenaugen schaut mir hinterher.

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Spuk in den Anden

Der Regen prasselt gegen die Fensterscheiben des Schrottbusses aus der Urzeit. Der Nebel nimmt Dir die Sicht. Eine Herde Vicunas erscheint aus dem grauen undurchsichtigen Nichts. Grazile Silhouetten auf Stelzenbeinen, zart und fragil, durchsichtig fast. Und wenn der Nebel ihre Hufen verschlingt, scheint es, als wuerden sie schweben. Und dann verschwinden sie wieder, als waeren sie nie dagewesen. Geisterhaft.

Cabanaconde. Es schuettet aus Kuebeln. Es ist dunkel. Die Strassen loesen sich auf und werden zu Fluessen. Ich wate durch den Schlamm, und sehe nicht, wo ich hintrete. Mir ist kalt. Meine durchweichten Klamotten verfluessigen sich, kleben an mir, wie eine zweite Haut. Eine Fischhaut.

Kein Mensch auf den Wegen, kein Leben. Trostlos. Dunkel. Nass. Kalt. „Hostal Valle de Fuego“. Zerfallenes Mauerwerk. Stein auf Stein auf Moos auf Stein. Die Scheiben sind zerbrochen. Es brennt Licht. „Gluehwein. Spaghetti. Pisco Sour. Sandwich. Alpacka. Room.“ Ich klopfe. Nichts. Ich klopfe. Nichts. Ich oeffne die Tuer, und sie quietscht. „Hostal Valle de Fuego“ loest sich von der Eingangstuer und faellt in den Matsch. „Hola!“ Nichts. „Hoolaaa!“ Nichts. Das Radio laeuft. Rustikale Steinwaende formen einen steinernen Salon, in einer Ecke stapeln sich verstaubte Buchfetzen von verstaubten Reisenden aus den vergangenen Jahrhunderten. In einer anderen Ecke Zeitschriften aus den 70ern und 90ern. Ich suche Menschenleben. Der Hinterhof ist dunkel. Nass. Und kalt. Zerbrochene Holzstuehle und ein ausrangiertes Sofa modern zwischen Sparten und Metallfaessern. In der Kueche bewegt sich was. Dreck und Konserven und Einmachglaeser und ungewaschenes Geschirr. Menschenleben gefunden. Halb Mensch, halb Tier. Eine schwere Lederjacke, mit Alpackafell und Menschenfleisch gefuettert, die zerschneidet Fleischstuecke auf einer Holzplatte. „Hooolllaa!“ Keine Reaktion. H-O-L-A-A-A-A! „Ich hab Dich erwartet. Setz Dich.“ Ich sehe was, was du nicht siehst, und das sind keine Vorderzaehne. „Mate de Coca?“ Ich trinke warmen Mate de Coca, aber mir wird nicht warm. Meine Schuhe sind nass und meine Fuesse sind Fischflossen aus Eis. „Heute morgen hatte ich eine Vision von Dir. Drum wusste ich, dass Du kommen wirst. Als Du in der Kueche standst war ich mir nicht sicher, ob Du real bist, deshalb hab ich zunaechst nicht geantwortet. Ich bitte um Entschuldigung.“ Mmmm. Der Mann ist merkwuerdig. Im Schummerlicht kann ich ihn schlecht erkennen. Seine Augen verschwinden im Schatten eines zerissenen Schlapphuts. Unter dem waechst langes filziges Haar, das in einen langen filzigen Bart uebergeht. Grau schwarz schwarz grau. Wuchtige Repitilienknochen durchbohren seine ledernen Ohrlappen, um seinen Hals haengt ein steinernes Holzkreuz.

 

Mein „Zimmer“ ist eine karg eingerichtete Kammer mit drei Pritschen. Auf dem steinernen Boden steht ein metallerner Pisspott. Es tropft durch die Decke. Der Wind saeuselt durch die fehlende Fensterscheibe. „Das ist Dein Bett.“ Das unter der fehlenden Fensterscheibe. „Die anderen sind feucht, in denen kannst Du nicht schlafen.“ Es knackt. Und frostig kalt.

 

Spaeter gibt es zaehes Alpackafleisch auf faden, verkochten Nudeln. Ohne Salz. „Das letzte Alpacka.“Waehrend ich esse, beobachtet mich Yamil schweigend. Unbehagen.

 

Ein Klopfen zersprengt die Stille. Yamil reagiert nicht. Draussen steht eine vom Regen durchgeweichte Gestalt, dicke Wassertopfen tropfen von seiner farblosen Kapuze und unter der Kapuze, da ist nichts, denn der Regenfluss hat das Gesicht davongespuelt. Ein Regengeist. Er klopft und tropft. Yamil reagiert nicht. „Da draussen steht jemand, der will rein.“ „Die Herberge ist voll.“ „Food?“ „Das war das letzte Alpacka.“ Der Regengeist schwimmt in den Schlammpfuetzen davon und wird zu einem Schlammgeist. Yamil verammelt die Tuer. Ich saeusele irgendwas von Geistern, und weiss nicht mehr genau, wie ich darauf komme. Yamil erkundigt sich, ob ich an sowas glaube. An Geister. „Obviamente.“ Ich erzaehle von meinen Djinn-Erfahrungen in Marokko. „Spaeter beim Pisco Sour erzaehl ich Dir was zu dem Thema.“ Das Holz im Ofen knackt und wimmert und klagt leise, waehrend es von den Flammen verschlungen wird. Yamil presst die Limonen fuer den Pisco Sour. Der Regen trommelt auf das Dach aus Wellblech und Stroh. Wuchtige Wurstfinger mit schwarzen Fingernaegeln zerdruecken die Eier fuer den Pisco Sour. Und mir schwant nichts Gutes.

Eine schattenhafte Augenpartie fixiert meinen Hals. „Man hat Dich stranguliert.“ Wie bitte? „In Deinem frueheren Leben. Wurdest Du umgebracht. Man hat Dich stranguliert. Hier, trink das.“ Ein Glas weisser Rum. Wir sind allein in dem steinernen Saal. „Du warst maennlich.“ Das Radiosignal bricht ab. Das scheint mir hier ein Geisterdorf zu sein...“Setz Dich hier zu mir ans Feuer.“ Ich bleibe besser auf Abstand. Was ist jetzt mit den Geistern? „Es gibt hier im Dorf ein Haus aus Stein. Da lebte ein Mann mit seiner Familie, der hat schwarze Magie betrieben. Drum haben die Leute im Dorf das Haus gemieden. Eine tragische Geschichte. Der Sohn wurde verrueckt, und ist jung gestorben. Wenig spaeter hat die Tochter sich umgebracht. Den Tod des Hexers habe ich im Kokablatt vorhergesehen. Komm naeher.“ Ich ruecke mit meinem Holzhocker ein paar Zentimeter zurueck. Dieser Geruch. „Die Arbeit mit den Fluechtlingen hat Dich veraendert, nicht wahr?“ Der Mann weiss von den Fluechtlingen. Woher? „Merkwuerdig, aber fuer einen kurzen Moment habe ich eine Kurdin in Dir gesehen. Dabei kenn ich keine Kurden.“ Die Beklommenheit heftet sich an meinen Koerper, wie ein schwerer Stein. Und zieht mich hinab auf die Tiefen eines Sumpfes aus Schlamm. Wo es finster ist und nass, und ich keine Luft bekomme. Die dunkle Aura dieses Ortes droht mich zu ersticken. Und der Feuerschein ist die einzige Lichtquelle an diesem Fleck der feuchten Finsternis.

 

„Heute steht das Haus des Hexers leer. Nachdem er gestorben ist, hat jemand die Tuer des Hauses zugemauert. Keiner hat es seitdem mehr betreten.“ Das mit der Tuer war dumm, wie ich finde. Eine alte Faustregel besagt, ein Geist verlaesst das Haus nie, durch die gleiche Tuer, durch die er gekommen ist. Drum muss beim Hausbau stets darauf geachtet werden, dass es mindestens zwei Ausgaenge gibt (Wenn ich mich recht erinnere, hab ich das in Marokko gelernt.) Ich will also nicht wissen, wie es in dem Inneren eines Hauses zugeht, in dem ein schwarzer Magier sein Unwesen getrieben hat, dass von vornerein nur eine Tuer hatte, die nun auch noch irgendein nichtswissender Vollidiot zugemauert hat.

„Als ich eines Abends auf dem Heimweg das Haus passiert habe, stand dort eine Frau vor der Tuer, ich konnte ihr Gesicht nicht erkennen, denn sie trug einen Hut, den sie tief ins Gesicht gezogen hatte, alles, was ich erkennen konnte, war eine tiefe, konturlose Schwaerze. Die sagte etwas zu mir auf Quechua, aber ich spreche kein Quechua, drum konnte ich es nicht verstehen. Aber diese Phrase heftete sich in meinem Gedaechtnis fest, und immer wieder musste ich gedanklich diese fremden Worte wiederholen. Am naechsten Morgen fragte ich meinen Onkel nach der Bedeutung. „Sieh mich an. Sieh mich an.“ Sagte sie.“ Das Holz im Ofen knackt. „...die zugemauerte Tuer zu dem verlassenen Haus des toten Magiers, das weiss ich jetzt, ist die Pforte zu der Welt der Toten. Die Bruecke zwischen Leben und Tod, zwischen Diesseits und Geisterwelt. In Deutschland hast Du unter einer ungluecklichen Liebe gelitten, nicht wahr?“

 

 

Was folgt? Die Nacht im Gemach der toten Tante.

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Im Paradies des Sonnengotts

Stille. Die Klaenge eines einsamen Panfloetenspielers hallen aus dem Tal. Und Schafe. Sonst Stille. Und ein Windhauch. Und das Zwitschern von kleinen Voegeln. Sonst Stille. Friedliche, allumfassende, unwirkliche Stille. Ich schwebe in einer glitzernden Seifenblase. Durch deren zarte Huelle kann nichts Boeses dringen. Ich kann den Frieden hoeren. Schwerelos und frei, ohne Balast. Fern von dem Irrsinn all des Irdischen. Das Zirpen einer Grille. Das Summen einer Fliege. Sonst Stille. Frieden. Auf 4000m Hoehe. Die Zeit kriecht. Oder sie bleibt stehen. Umschlossen von den tiefblauen Fluten heiliger Gewaesser floate ich auf der Insel des Sonnengotts. Regungslos und vollkommen. Der Lago Titicaca. Die kleinen Voegel sind gelb. Lauscht, die Stille. Seht, wie der See glitzert. Diese Insel ist heilig, und die Fische sind zahm, und die Alpackas sind weiss und flauschig. Und ueber mir wacht Dios Sol, der mir mit seinen Sonnenstrahlen den Nacken verbrutzelt.

 

Und wenn der Tag sich schlafen legt, dann erstrahlen hinten am Horizont, am Ende der Welt, dort wo der See den Himmel beruehrt, die schneebedeckten Gipfel der Cordillera Real im roten Licht der untergehenden Sonne. Der hoelzerne Bootssteg wiegt seicht in den kaum wahrnehmbaren Wellen, die ebenfalls rot-rosé schimmern. Und ein bisschen guelden. Ich bin allein. Ein Wunder. Und ich bin ganz dicht am Himmel. Fast kann ich die Sterne beruehren. Aber nur fast.

Ruhe. Frieden. Amen.

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Die Hoelle von Tacacoma

Pulsierende Venen fressen sich durch schwarzes Gestein. Aus den Wunden der Berge sprudelt weisses Blut, dessen schaeumender Strom reisst formlose Krater in den Fels. Und dort, wo der Berg endet, und der Abgrund beginnt, dort stuerzt sich die Flut tosend in die Tiefen, die kein Ende finden, denn in einer raumlosen Welt zwischen Himmel und Hoelle gibt es keine Erde und keinen Boden. Dort, wo Nebelgeister Dich erblinden lassen, und wo das letzte Licht erloschen ist, dort, wo eine dumpfe allumfassende Stille jeden Laut verschlingt, und wo der letzte Ton verstummt ist, dort schlaeft im Fels seit 1000 Jahren ein steinerner Riese. Gib Acht, dass Du ihn nicht weckst, denn immer wenn er erwacht, dann erinnert er sich daran, wie hungrig er eigentlich ist, dieser Hunger, unersaettlich ist er, denn der Riese naehrt den Berg, und damit der Berg leben kann, muessen andere sterben. Wenn der Riese erwacht, dann frisst der Riese Menschenfleisch und Traeume und Hoffnungen. Und abertausende verlorene Seelen schwirren orientierungslos, in Form transparenter, Schmetterlinge, durch das finstere Gehaeuse einer unheimlichen Zwischenwelt, in der es kalt und feucht ist, so dass sie stets frieren muessen. Wenn sie ihre glaesernen, farblosen Fluegel schlagen, dringt ein sureales Surren durch die Stille.

 

Wir befinden uns an einem gottlosen Ort, vergessen von Mensch und Menschlichkeit, wo es keine Regeln gibt und keine Gesetze, wo Leben zu Stein wird und Stein zu Leben. Ein Ort, an dem Kaelte und Dunkelheit regieren. Ein Ort, an dem der Mais verkuemmert und die Huehner sterben und das Wasser kontaminiert ist, von dem goldenen Gift der Berge. Dort, wo Maenner ihre Frauen vergewaltigen und Kinder mit versteinerten Gesichtern in versteinerten Mienen schuften. Wo Parasiten Loecher in leere Maegen fresse, wo es dreckig ist und die Ratten die Herrschaft uebernommen haben. Umschlossen von einer dichten, undurchdringlichen Nebelwand, ein Ort, aus dem es kein Entrinnen gibt. Und denen, denen es gelingt, die Nebelwand zu durchbrechen, die finden doch keinen Ausweg aus der Hoelle. Du kannst sie sehen, die Kinder, die keine Kinder sind, in La Paz, wo sie als kleine schwarze Gestalten – eingehuellt in Smogwolken – in Dreck und Guelle kauern und zu von alten, billigen Lautsprecherboxen verzerrten repetetiven Andenrythmen tanzen. Monotone, repetetive Bewegungen, ausdruckslos , so als wuerde ein unsichtbarer Puppenspieler mit toten Marionetten spielen.

 

Und niemand weiss so genau, was in dem Nebel lauert, und niemand weiss so genau, wo die Nebelwelt aufhoert und die Hoelle beginnt. Geruechte und Stimmen und Geschichten, die sich im Dunst verlaufen, denn diejenigen, die sie erzaehlen koennten irren durch ein unendliches Labyrinth zerbrochener Traeume, in dem sie nicht sehen koennen, und ihre Stimmen verhallen im im dumpfen Nichts der Berge. Und die Berge sind weit, und der Nebel ist dicht, und nur die Nebelgeister und die Hoehlentrolle kennen den Weg, aber sie verraten ihn Dir nicht.

 

An diesem Ort des Verderbens fallen nachts die Sterne vom Himmel, und mit jedem Stern, der erlischt, gibt es ein bisschen weniger Licht und wird es noch ein bisschen dunkler.

 

Ich weiss nicht, wie ich hier hergekommen bin. Eine Witzfigur mit einem Meerschwein unterm Arm.

 

 

Fortsetzung. folgt.

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Kein Honig und keine Schweine. Und auch sonst nicht viel.

Der naechste Tag boomt vor Arbeit. Ich wuchte mich mit schmerzenden Knochen um 7 auf (es gibt keinen Kaffee, kein Wasser und keine Dusche), Alex pennt bis halb 8. Dann eiern wir durch Machacamarca (leider EXTREM huegelig) und zaehlen Eier und Meerschweinchen. Waherend Alex zaehlt, und pierct, fuehre ich ein paar Interviews. „Was hat sich im Rahmen des Projekts fuer die Frauen hier geaendert?“ „Nichts.“ Nehme ich mal nicht zu Protokoll. „Wieviel Schweine willst Du Sonntag auf dem Markt verkaufen?“ „Was fuer Schweine?“ „Na, Deine Meerschweine, die wir Dir zu Projektanfang fuer die Zucht gespendet haben.“ „Ach die. Die Haelfte hab ich verkauft. Die andere Haelfte hab ich gegessen.“ Nehm ich auch nicht zu Protokoll. Bei den anderen Damen laeuft es nicht viel besser, die restlichen Schweine wurden vom Hund gefressen, und auch noch ein paar von der Katze. Der Markt verspricht Bombe zu werden. Zwischenzeitlich finden wir einen zahmen Wellensittich, zur Freude von Alex. Dann wandern wir den 5 Stunden Marsch nach Santa Clara (Knuelleraussicht, und wir schlafen ne Runde im Nebel). Alex:„Weisst Du, wie ich meiner Tochter den ersten Zahn gezogen hab?“ Nee. Interessiert mich auch nicht. „Ich hab die Munition der Schreckschusspistole mit einem Faden versehen, dann hab ich den Faden um den zahn gebunden und KNALL ZACKabgedrueckt und raus war der Zahn.“ Was uns in Santa Clara widerfaehrt, meine Lieben, dass ist ebenfalls der Knueller, werde ich allerdings erst spaeter berichten.

 

 

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Kein Honig und keine Eier

Am naechsten Morgen haben wir nichts zu tun. Liegt daran, dass Mario nach wie vor spurlos verschwunden ist, und wir auch generell auch gar nicht so genau wissen, was wir hier eigentlich sollen. Alex pfeift sich einen billigen Horrorfilm rein und ich trinke einen Instant Coffee nach dem anderen. Ausserdem interviewe ich aus Langerweile ein Kind, dass einsam auf dem Sportplatz abhaengt und sich ebenfalls langweilt. Gen Mittag wandern wir in die naechste 6km entfernte Ortschaft, denn wir wollen Mittag essen. Es gibt kein Mittag. Wir kaufen eine Packung Kekse und wandern zurueck. Im Schuppen machen wir uns ein Tuetensueppchen, Alex guckt noch einen Film, ich sitze auf einer halbfertigen Baustelle und beobachte den Nebel. Ansonsten Tote Hose. Gegen vier beschliessen wir, nach Tacacoma aufzusteigen, da oben lagern naemlich unsere Eierkartons und irgendwelche Akten im „Rathaus“. Diese gedenken wir nach Ananea und Machacamarca und Santa Clara zu bringen. Wird auf jeden Fall n Fussmarsch. Oben angekommen. Das „Rathaus“ hat leider geschlossen. Waehrend Alex draussen auf der Parkbank abluemmelt und wartet, besteige ich einen weiteren Huegel und steige wieder ab. Zwischenzeitlich haben wir kurzen Telefonkontakt zu Mario. Er ist in Chumiza, wo er sich mit dem Fussvolk besaeuft, es ist naemlich „Party“. Nehm ich mal nicht zu Protokoll. Nach dieser glorreichen Information bricht der Funkkontakt fuer die naechsten zwei Tage wieder ab. Ich hab nach wie vor kein einziges Foto geschossen. Dafuer findet Alex gegen 18:30 den Buergermeister, der uns das „Rathaus“ aufschliesst. Anschliessend trampen wir auf der Todesstrasse nach Ananea, dort steigen wir aus, das Auto faehrt mit unseren Eierkartons weiter nach Santa Clara. In Ananea suchen wir die Projektverantworliche, um mit ihr die Marktplanung abzustimmen. Wir finden sie nicht. Man munkelt, sie sei im Urlaub, und man wolle hier sowieso auch gar nichts verkaufen, weil 1. gibt es keinen Honig, und zweitens wolle man die Eier lieber selber essen. Nehm ich mal nicht zu Protokoll. Von Ananea schlagen wir uns durch Berge, Wald und Dschungel und Wiesen hinab nach Machacamarca. Der Weg ist atemberaubend. Lang. Und wir sind zugebener Massen von dem harten Tag schon etwas erledigt. Ausserdem ist es spaet. In Machacamarca gibt es zwar kein Essen – und zu meinem Erschuettern auch kein Wasser, und zwar nirgends, und auch keine Dusche und auch keine Toilette. Dafuer Cracker. Und wir haben vorsichtshalber noch ne Pulle Sake im Gepaeck, japanischer Schnappes, den wir in La Paz im Korea Laden aufgetan haben. Eigentlich gibt es in Machacamarca eine Kammer fuer unsereinst zum Naechtigen, Alex hat allerdings den Schluessel verloren, und die Eigentuemerin ist im Urlaub. Drum naechtigen wir auf dem Erdboden im Gemeindesaal. Es gibt Ratten, aber keine Spinnen. Vor dem Schlafengehen finden wir noch ein paar glueckselige Projektteilnehmerinnen, Alex kuendigt an, dass sie ich Morgen frueh um halb 7 bereit halten sollen, dann kommen wir naemlich und zaehlen ihre Meerschweine, ausserdem wollen wir sie piercen (die Schweine – Alex ist deswegen extra letzte Woche nach Peru gefahren, denn nur dort gibt es die richtig guten Meerschweinohrringe). Ich korrigiere: „Halb 8.“ Man einigt sich auf 7.

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Back to the Honig, erster Tag

Der Tag beginnt schlecht, vollbeladen, verpennt und schlecht gelaunt verlassen wir in aller herrgotts Fruehe unser bescheidenes Heim und begeben uns auf dem Weg zur Minibushaltestelle. Hier erwartet uns Mario, weiterer Kollege, wortkarg, aber frisch geduscht, was widerum selten ist. Waehrend wir damit beschaeftigt sind, zigtausende Eierkaesten, leere HONIGglaeser und knallrote Plastikkisten fuer die Meerschweine aufs Dach des ueberladenen Minibusses zu wuchten, und ich ohne Erfolg eine Toilette suche (wie wir wissen, ist das auf den Langstreckenfahrten mit den Toiletten immer so ne Sache...), dampft der Taxifahrer mit unserem Wechselgeld ab, und ward nicht mehr gesehen. Alex kocht, mir ist es schnuppe, denn es war nicht mein Geld, und Mario, der Egoist ergattert sich den Luxussitz vorne neben dem Fahrer. Alex und ich quetschen uns in den Abfuckplatz der letzten Reihe, ich kann meine Beine weder ausstrecken, noch einziehen, ein Dilemma, ausserdem laeuft der Joghurt aus.

 

8 Stunden spaeter erreichen wir Tacacoma. Das Projekt laeuft Bombe! Urspruenglich war der Plan, dass wir direkt weiter nach Ananea fahren, und dort den HONIG fuer den Markt abfuellen. Der Plan wird jedoch geaendert, wie Mario in Erfahrung gebracht hat, gibt es naemlich keinen HONIG. Das ist natuerlich mal wieder ganz schlecht. Gut allerdings ist: Wo es nichts abzufuellen gibt, gibts auch keine Arbeit fuer uns, drum machen wir Pause. Nehme ich selbstredend nicht zu Protokoll. Waehrend die Mannen sich mit Salchipapa vollstopfen (einziges Nahrungsangebot in Tacacoma – Fett triefende, frittierte Wurst mit Pommes), erklaere ich, dass man in Deutschland die Toten zu Chicharron (Wuerste aus frittierten Hautfetzen) verarbeitet, um seine hinterbliebenen Familienangehoerigen zu ernaehren. Mario glaubts mir aufs Wort. Zwischenzeitlich landet eine Biene in dem Chilitopf, ich rette sie vor dem feurigen Tod, anschliessend drueckt Alex sie platt „als Strafe dafuer, dass sie keinen Honig gemacht hat“...Anschliessend begeben wir uns mit Sack und Pack auf den 6km langen Abstieg nach Tapila, wo unser Rattenschuppen auf uns wartet, der Abstieg ist holprig und kraeftezehrend, die Haelfte des Marsches stuerze ich mit dem zentnerschweren Gepaeck den Abhang hinab, und werde zu Schlamm (ganz grossartig, hab naemlich nur zwei Hosen dabei und wir haben noch ne Woche vor uns). Auf der Haelfte der Strecke verlaesst uns Mario und ward fortan verschollen. Unten angekommen, haben wir wie ueblich KEINEN Schluessel (Alex trifft selbstredend KEINE Schuld, denn Francisco „der Schuft, hat den Schluessel gestohlen.“). Da weit und breit keine Menschenseele anzutreffen ist, schlafen wir den Rest des Tages vor dem Schuppen, in der Hoffnung, dass die Loesung irgendwann aufwatet. Ist tatsaechlich der Fall. Spaet zwar, aber besser spaet als nie, wie der Volksmund sagt. Wir schlafen zwischen dem Mopped, Franciscos eingelegter Schlange, Spinnen und Ratten. Schoen ist es, das Leben als Entwicklungshelfer.

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Zurueck zum Honig

Nach 3 Wochen Office (ein gravierender Nachteil des Journalistendaseins besteht im Verfassen der Texte im Nachgang an das Gereise) steht – Gott sei’s gedankt – wieder Dienstreise an. Erneut in die geisterhafte Bergwelt des abgeschieden verlassenen Tacacomas, geheimnisvoll und duester und kalt, dort wo der Nebel Laut und Leben verschlingt, dort wo sich hoch oben in den Bergen, tief im Dunste gespenstischer Einsamkeit, funkelnde Goldadern gierig durch das schwarze Gestein fressen, dort wo die verarmten, verrohten Bergbewohner, mit ihren knoechernen Leibern toedliche Wunden in die kalten steinernen Felsen hacken. Auf der Suche nach Glueck und Reichtum, gehen sie in ihrer Goldgier ueber Leichen, und fuerchten weder Tod noch Teufel, denn dort im Schlund der dunkelsten schwaerzesten Minen, dort sind sie bereits in der Hoelle angelangt. Dort wo Trolle, Geister und Gebirgsmonster ihr Unwesen treiben, dort, wo maennermordende Frauen ihrer Bluteslust froehnen, dort, wo die seelenlosen Todesstrassen unbarmherzig ihren Wegeszoll einfordern, dort, wo wir unser Huehner- Honig – Meerschwein Projekt installiert haben. Denn am 05. Februar 2017 ist es soweit. Ein Tag, wie kein anderer, nie dagewesen, wird in die Geschichte eingehen, und noch Jahrhundertelang wird man sich mit Erfurcht von den spektakulaeren Ereignissen dieses einen Sonntags berichten, eine Legende, unsterblich. Und wem haben wir es zu verdanken? Uns! Dem selbstlosen hart arbeitendem Team von CECASEM, stets zu Diensten der Aermsten, der vergessenen Seelen der Berge, Sprachrohr der Campesinos und der vergessenen Frauen. Am 05. Februar 2017 werden unsere Projektteilnehmer erstmalig ihre lokalen Spezialitaeten auf dem Markt in Tacacoma feil bieten. Aufregend. Spektakulaer. Atemberaubend. Als Marketingbeauftragte wird mir in diesem Zusammenhang natuerlich ein besonders hoher Stellenwert beigemessen, die Story wird sensationell, die Fotos breathtaking! Insgesamt passt mir der Auftrag nicht nur wegen seiner immensen Relevanz und potentiellen Geschichtstraechtigkeit besonders gut in den Kram. Es ist naemlich zudem auch so, dass mein letztes Glas Honig, das Alex von seinem letzten Besuch eines weiteren Honigprojekts aus Uatachata mitgebracht hat, unweigerlich zur Neige geht, und ich benoetige DRINGEND Nachschub. So stuerzen wir uns also ins Abenteuer.

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Unter Mormen, oder: Was bisher geschah.

Seit dem verheerenden Biss der Buna verlaeuft das Leben, bis auf den ein oder anderen kleinen Zwischenfall, in erstaunlich gemaechlichen, ja geradezu unspektukalaeren Bahnen. Zwischenzeitlich musste ich mich noch mit 5 weiteren der unliebsamen eierlegenden Parasiten rumschlagen, habe mittlerweile jedoch eine ebenso professionelle wie gelassene Routine bei der Entfernung entwickelt, dass mich auch die fetteste Made nicht mehr erschuettern kann. Ansonsten haeng ich nach wievor auf den Berggipfeln im frostig grau luftknappem La Paz fest, wo ich nach wievor fuer nachhaltige laendliche Entwicklung und gegen den Menschenschmuggel ankaempfe. Ich wohne hier in dem (begehbaren) Kleiderschrank einer Sippe strengglaeubiger Mormomen, das Gute daran ist, dass ich keine Miete zahlen muss, das Schlechte ist, das im Fernseher von morgens bis abends Moses laeuft (es sei denn mein alter Kollege Francisco – wohnt hier ebenfalls - hat die Kontrolle ueber die Fernbedienung, dann laueft Frauen Wrestling). Das Gute widerum ist, dass ich Sonntags von 8:00-15:00 Uhr sturmfrei habe, weil dann Kirchgang ist. Weiterhin gut ist, dass mein Lieblingskollege Alex hier ebenfalls sein spaerliches Lager aufgeschlagen hat, eine Etage unter mir auf der Couch, die er sich mit einem langhaarigen, verfilzten lebendigen Wischmopp namens Bonifacius teilt, der in der Regel einen leopardenfarbenen Overall traegt und bei Gelegenheit ins Treppenhaus kackt, gelegentlich auch in den Korridor meiner Etage. Mit Boni – wie man ihn unter Freunden nennt – muss ich noch warm werden. Wenn es Wasser gibt, ist es kalt, aber auch das kann mich nicht mehr erschuettern. Das Schlechte an meinem Kleiderschrank ist, dass man, wenn man an dem Tuerknauf den falschen Button drueckt, und anschliessend die Tuer schliesst, ihn auf immer und ewig verriegelt und von draussen nicht mehr rein kommt (hochkomplexes Schliessystem, laesst sich schlecht in Worte fassen, jedenfalls gibt es keinen Schluessel, mit dem man von draussen wieder aufschliessen koennte), und das ist mir natuerlich passiert, und zwar ausgerechnet in meiner Mittagspause, in der ich auf Grund vorabendlicher Erschoepfung ein entspanntes Nickerchen auf meiner 80 Jahre alten Matratze einlegen will. Das Gute widerum ist, der Kleidersschrank hat ein Fenster, das widerum von einem weiteren Kleiderschrank (genau genommen also ein Kleiderschrank im Kleiderschrank) blockiert wird. Da es beim besten Willen kein Durchkommen gab (weder mit Gewalt, noch mit gut zureden), hangele ich mich in schwindelerregender Hoehe in einem halsbrecherisch akrobatischen Akt vom Kuechenfenster zum Schrankfenster, dabei muss ich den moerderischen Abgrund des Innenhofs ueberwinden, vermeide den Blick in die Tiefe, und werfe mich durch das – auf Grund des gewoehungsbeduerftigen Geruchs stets offen gehaltenen – Schrankfenster. Dabei stosse ich den Kleiderschrank im Kleiderschrank um (prall gefuellt leider), ABER ich bin drin. Das Ganze verlaueft leider weniger diskret, als geplant, die Mormonen sind von dem Laerm  - der Moses uebertoent hat - aufgeschreckt, und entsetzt ueber das Chaos im Kleiderschrank. Den Rest der Mittagspause muessen die Klamotten in einem mir undurchschaubaren hochkomplexen Ordnungssystem wieder einsortiert werden, lange Rede kurzer Sinn, kein sonderlich erfreuliches Erlebnis und die Mittagspause ist fuer den Arsch, wie man so schoen sagt. 

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Wie verlieren an Fahrt

„...und der Caseiro wart gerettet“, erzaehlt Grossvater, „denn ganz vorsichtig und behutsam, landet das Insekt auf jedem einzelnen der blutigen Schlangenbisse und saugt mit seinem Ruessel das Gift aus den Poren des Caseiros, bis dieser spuert, dass seine Kraefte zurueckkehren, und siehe da, er kann sich erheben, und seinen Weg fortsetzen, zu seiner lieben Braut, die im Dorf auf ihn wartet. Drum...“ lehrt der Grossvater: „...fuerchte Dich nicht vor dem Amigo del Hombre, und tue ihm kein Leid, denn er ist Dein Freund im dunklen Dschungel.“

 

Ein Cappuccino Monkey winkt mir vom Baum aus zu, und fragt, ob ich mit ihm Cappuccino trinken will. Nur mit Milch will ich, nicht mit Sahne. „Ist ok. Mit Kokosmilch ist ok.“ „Aber ohne GIFT!“ kreische ich. Ein herrenloses Boot treibt vorbei, dass hat der Fluss mitgehen lassen, und auf den Zweigen der Baeume sitzen kleine Voegelchen, die ganz lieblich singen, und immer, wenn sie singen, klappen sie dazu ihre kleinen piep piep, klipp klapp, piep piep, klipp klapp, Fluegelchen auf und zu. Und ueber meinen Kopf segelt ein Schmetterling, ganz gruenlich blau schimmernd. Ein Wasserschwein taucht auf und ab und wart nicht mehr gesehen. Die Nacht bricht ein. Ueber mir funkeln die Sterne. Und unter mir auch. Die Stroemung schwaecht ab. Ich verliere an Fahrt. Luzifer ist verschwunden. Zwei rotblaue Aras, mannsgross oder groesser gar, strecken ihre Krallen nach mir aus, ganz vorsichtig, um mich nicht zu verletzen, greifen sie nach den Traegern meines Tshirts, schlagen mit ihren riesigen, anmutigen, praechtigen Fluegeln und gemeinsam fliegen wir von dannen. Waehrend sie mich aus der Hoelle tragen, kraechzen sie alte Junglelieder. Und dann? Dann LAESST DER SCHMERZ NACH. Ich wasche mich in einem Wasserfall. Zum Fruehstueck gibt es Instant Coffee und frittierte Bananen mit Zwiebeln und Dosenfleisch. Das Schwein hat 6 Junge, und die Huehner baumeln in meiner Haengematte. Das Inferno ist ueberstanden.

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Der Amigo del Hombre

„Vor langer Zeit, da lebte ein Caseiro, der streifte allein durch den Dschungel. Er hatte dabei kein grosses Glueck, denn er wurde von einer GIFTviper gebissen, und zwar nicht nur einmal, sondern 3 bis 7 Mal...“...dann passiert etwas Sonderbares Unheilvolles, denn die Stimme des Grossvaters verhallt im Dschungel, und der Caseiro ist kein Caseiro mehr, er verwandelt sich in einen weiblichen Entwicklungshelfer, und bei genauem Hinschauen muss ich feststellen, dass ich das bin, leider leider. Ich liege auf dem Boden im Dickicht, gelaehmt vor Schmerz, und immer dann, wenn ich mich bewege, schnellt die Viper nach vorne und hackt auf ein weiteres ihre toedlichen GIFTbeisser in meinen erschoepften Leib. So liege ich da, ohne Ausweg, ohne Hoffnung auf Rettung, denn ich befinde mich tief tief im Dschungel und erwarte mein jehes Ende. Da ertoent ein dumpfes Brummen in der Luft, und heran schwirrt der Amigo del Hombre, und anstatt mich zu stechen, geschieht Folgendes: Er rammt seinen FleischermesserGIFTstachel in die Viper, immer und immer wieder, bis diese so vollgepumpt ist mit GIFT, dass sie auf das 5fache ihrer Groesse anschwillt und platzt. Dann segelt das Insekt rueber zu mir, faehrt aufs Neue seinen Stachel aus und jagt ihn metertief in mein...„Halt ein!“, kreische ich, „die Story geht anders!“ „Denkste!“ sagt Luzifer und lacht graesslich ueber mein nahendes Ende.

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Todesfahrt durch die gruene Hoelle, oder: GIFT

17:57: Ich wate in der Rio Beni

17:58 Ich kralle mich an einem der vorbeitreibenden Baumstaemme fest.

18:00 Ich lasse mich davon treiben & die Piranhas springen hoch, und ich will sie fangen und fressen, bevor sie mich fangen und fressen. Ich bin ein Indianer, darum hau ich mit der Machete tiefe Wunden in den Suebracho Amarillo, den Baum, dessen weisses Blut so GIFTig ist, dass ich damit – in kleine Baellchen geformt – den gesamten Schwarm verrecken lassen kann, aber ich hab nicht aufgepasst, und ich reibe mir die Augen, und kann nichts mehr sehen, ueberall GIFT! Und die Krokodile sind 6 Meter lang und reissen ihre Maeuler auf, denn sie wollen Menschenfleisch fressen. „Nehmt meinen Fuss!“ schreie ich. Mit 100 Knoten rase ich durch die gruene Hoelle. Die Augen der Baeume beobachten Dich, und es sind Spinnen, Augen von Spinnen, die in den Baeumen wachsen, die warten nur darauf, Dir ihre spitzen stinkenden Beisser in Dein Fleisch zu hauen,um Dich zu verGIFTen, denn sie sind so GIFTig, dass du dich, einmal gebissen, eine Woche vor Schmerzen windest und Dir wuenscht, Du waerst niemals geboren worden. Tennisballgrosse Kaefer kriechen ueber meine Beine, stecknadelgrosses Ungeziefer, halb Mosquito, halb Made, bohrt Loecher in meine Haut, die zwischen meinen Zehen zu faustgrossen tumorartigen Geschwulsten heranwachsen, in dessen Inneren sich eine fette schwarze Larve windet, die da Millionen von kleinen Eiern ablegt, in denen weitere Millionen von kleinen Larven gedeihen. Ein stacheliges Gewaechs winkt mich heran, aus dessen Stamm spriessen tausende und abertausende kleine Speerspitzen und Degen und Messer: „Komm naeher komm naeher, pflueck Dir eine meiner Dornen, damit kannst Du Dir die Larven aus den Zehen schneiden!“ Aber weil ich ein Indianer bin, weiss ich, dass das eine Falle ist, denn die Dornen sind vollgepumpt mit GIFT, die benutzt unsereins naemlich, um Affen und Fledermaeuse und Minitiger mit verGIFTeten Pfeilspitzen abzuknallen, und das Teufelsgewaechs wartet nur darauf, mir mit einer seiner tueckischen Stolperwurzeln ein Bein zu stellen, damit es sein GIFTstacheln in meinen geschundenen Koerper rammen kann. Aber nicht mit mir! Ich sehe Palmen, die auf Stelzen gehen („komm, spring auf, wir tragen Dich hier raus“), aber ich trau Ihnen nicht. Und dann sehe ich eine Schnecke, die sich an meinen Baumstumpf saugt, die so gross ist, wie ein kleiner Kuerbis, sowas Schoenes, denke ich, da hab ich einen Freund gefunden, doch dann„GIFT!“ schrillt es in meinen Ohren, „fass das nicht an, oder der milchige SchneckenGIFTschleim verGIFTet Dich!!!“ Auf einmal schallt ein ekelhaftes Gelaechter durch die Luefte, das hab ich irgendwo schon mal gehoert, und als ich durch einen milchig schummrigen halb verblindeten Schleier nach vorne blicke, erkenne ich die Umrisse von: Luzi, Kapitaen und Steuermann meines Baumstumpfes, auf dem Rio Beni, der jolt „Geile Fahrt!“, und wir beschleunigen noch etwas. Offenbar will er im Fluss nach Gold suchen, und das ueber die Grenze nach Peru schmuggeln, wo er es zu verfaelschtem Inkaschmuck verarbeiten und an reiche Touristen verticken will. Wir brettern durch den Schlund einer Anakonda, die ist 20 Meter lang, und auch sie will Menschenfleisch fressen, aber wir haben zu viel Fahrt, drum rauschen wir auf dem Baumstumpf durch ihre stinkenden Innereien, wie in einer vermoderten Wasserrutsche, und am Schwanzesende schnellen wir wieder hinaus, und die Schlange wundert sich, wieso sie ein Loch im Schwanz hat, sowas ist Ihr auch noch nicht passiert. Und ich widerum wundere mich, warum es immer noch stinkt, obwohl wir ja nun schon wieder raus sind aus den Schlangengedaermen, nach modrig Verottetem. Waehrend sich eine Schlingpflanze um meinen Hals windet, um mich zu strangulieren, folge ich mit den Augen meiner Nase, und da winkt mir doch tatsaechlich der Obstler zu, der in einem hausgrossen Spinnennetz haengt, und da nicht mehr rauskommt. Er reckt den Arm aus, nach einem Klumpen roter Dschungelkirsche, den die Spinne ebenfalls gefangen hat, aber er kommt nicht ran. Im Windeshauch wiegen sich die Blaetter des Arbol del Diabolo, des Teufelsbaums, die mir bedeuten, naeher zu kommen. Aber auch die koennen mich nicht taeuschen, denn wir Indianer wissen, sie sind moerderisch GIFTig, wenn Du sie beruehrst, brennen sie Dir in Sekundenschnelle ein schwarzes Loch in Deine Haut, und der Schmerz, den sie verursachen, der ist so unertraeglich, als wuerdest Du von 8 Bunas gleichzeitig gebissen.

Um meinen Kopf schwirrt ein faustgrosses Insekt, blaeulich schimmernd, mit einem Stachel im Hintern, der so gross ist, wie ein Fleischermesser. Und gerade, als ich ihn platt hauen will, da erscheint das Gesicht von Rolandos Grossvater vor mir, der laechelt weise und sagt „Halt ein, und lass ihn am Leben! Hoer zu, ich erzaehl Dir eine Geschichte, ueber das Insekt, den „Amigo del hombre.“

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Der Biss -oder: Das Inferno

12:00 Mist! Mich hat was gebissen! Scheisse! Eine „Buna“. Ausgerechnet! Hat ihr hoellenhaftes Gift in meinen Fuss gepumpt. Das wird schlimm. Tapfer erwarte ich das Inferno.

12:05 Es tut weh. Hoellisch weh. Und ich weiss, das ist noch nichts im Vergleich zu dem, was auf mich zukommt. Und das Schlimme ist, Du weisst es.

12:20 Gib mir die Machete, bitte bitte, damit ich mir den Fuss abhacken kann!

12:45 Ablenkung, Ablenkung! Ich beisse mir in den Arm, bis es blutet, aber das tut leider gar nicht weh.

13:00 Ich brauche Alkohol. Ich muss mich ins Koma saufen!

13:15 Oh, schoene Aussicht. Ich schiesse ein Foto und verecke vor Schmerz!

13:30 Ich will Klopapier essen!

13:40 Du wuerdest ALLES tun, damit der Schmerz aufhoert!

13:30 Ich winde mich von links nach rechts nach links. Mach, dass es aufhoert, der Schmerz! Gebt mir die Machete!

13:45 Drogen! Ich brauche irgendeine Droge, die mich komplett weghaut!

13:55 Ich versuch es mit progressiver Muskelrelaxation. Der Schmerzesschweiss laeuft mir aus jeder Pore. Nach1 Minute geb ich auf

14:15 Ich zerbeiss mir die Zaehne an der Plastikflasche

14:25 Was ist besser, Fuss nach oben, oder Fuss nach unten? Beides schlimm!

14:40 Gebt mir ein Messer, damit ich mir wenigstens den Arm aufritzen kann!

14:55 Haare ausreissen ist eine gute Idee

15:10 „Stefanie, wie gehts?“ Lass mich, ich bin der Hoelle!

15:15 Ich versuche den Schmerz auszukotzen. Funktioniert nicht!

15:30 Ich verdreh die Augen, bis ich nichts mehr sehen kann und hoffe, dass es hilft. Tut es nicht!

15:35 Ich muss es abbinden, abschnueren! Machts schlimmer!

15:47 Ich beisse Loecher in mein Tshirt. Nein, ich will nichts trinken!

15:55 Durst! Ich verrecke vor Durst!

16:10 Ich lutsche Zahnpasta

16:17 Ich wuerd mich gern duschen!

16:25 Du musst ganz still liegen. Entspann Dich! Dann wirds besser!

16:34 Ich will schreien und kreischen und bruellen!

16:40 Ich zerbeisse die Shampooflasche

16:45 Ich bin in einem fernen Universum

16:55 Ich reisse mir mein Tshirt vom Leibe und zwaenge mich wieder hinein.

17:00 Gut zurreden. Das haben schon andere ueberstanden

17:07 Warum zum Teufel werde ich nicht ohnmaechtig?!

17:15 Auf die Atmung konzentrieren!

17:30 Ich esse den Stift

17:38 Was ist besser, weniger Gewicht, oder mehr Gewicht? Beides schlimm!

17:45 Stossatmung hilft vielleicht. Tut es nicht!

17:50 Mein Koerper verkrampft sich, ich werde von eiseskalten und feurig heissen Schauern geschuettelt, aus denen schwarzer Rauch aufsteigt.

17:55 Der schwarze Rauch nimmt eine unfoermige Form an, und auf einmal kann ich dort im Rauch eine Gestalt ausmachen, die immer mal wieder nach etwas aussieht, und dann wiederum immer mal wieder nach nichts aussieht (sie ist da, sie ist weg, sie ist da, sie ist weg, sie ist da). Und doch erkenne ich, dass sie mich heranwinkt „folge mir, folge mir“ und drum folg ich ihr. Ich wate in den Rio Beni, denn ich glaube, dort wird mein Schmerz von der Stroemung erfasst und fortgespuelt. Doch dann ertoent Rolandos Stimme, ganz dumpf und weit entfernt, doch ich kann ihn hoeren, und er sagt: „Eines musst Du Dir merken, ueber die Geister des Dschungels. Die weissen Geister, die sind gut, sie helfen Dir und gewaehren Dir Schutz. Aber huete Dich vor den schwarzen. Die sind gefaehrlich und gierig und boesartig, huete Dich davor, ihre Luft einzuatmen, denn denjenigen, die ihre Luft atmen, wird Furchtbares widerfahren. Sie sterben auf der Stelle, oder ihnen wachsen graessliche Tumore, oder es geschieht ein schreckliches Unglueck.“ Doch da ist es schon zu spaet, denn der schwarze Rauch ist bereits in meinen Koerper eingedrungen.

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BACK TO THE JUNGLE

Meine restliche Dschungelzeit verbringe ich bei Bertha und Rolando, einem harmonischen Dschungelehepaar, dass sich oberhalb des Flusslaufes sein bescheidenes Heim errichtet hat. Das Heim besteht aus einem Dach ohne Waende, 2 Matratzen, einer Haengematte, einer Feuerstelle, 30 Huehnern, 5 Gaensen, einem Hund und 5 Schweinen (deren Anzahl sich waehrend meiner Anwesenheit auf 11 erhoeht) und noch einigen weiteren, zu vernachlaessigenden Gegenstaenden. Bei Regen verwandelt sich das Heim in ein Schlammloch, das wenig Gripp unter den Sohlen bietet.Wenn man ausrutscht wird man leider auch zu Schlamm, und weil es keine Waschmoeglichkeiten gibt (Baden im Fluss geht leider nicht, wegen der ganzen Giftfische und der ganzen Piranhas und der ganzen Krokodile und der ganzen Anacondas) ist dieser Zustand dauerhaft. Rolando ist so gut und weiht mich im Zuge unserer Machetenstreifzuege durch das undurchlaessige Dickicht in die geheimnisvolle Welt des bolivianischen Dschungels ein. Kurz und knapp laesst sich das Gelernte wie folgt zusammenfassen: Im Prinzip ist alles giftig und im Prinzip sollte man deshalb am besten gar nichts anfassen, weil alles was giftig ist, tut in der Regel weh. Was nicht giftig ist, beisst in der Regel trotzdem. Besonders uebel ist das, was beisst UND giftig ist. Besonders schlimm in diesem Zusammenhang der Biss der Buna, einer mausgrosssen Riesenameise, dessen Gift Dich fuer mindestens 6 Stunden ausser Gefecht setzt. Das Gute ist, dass man im Einzelfall dem Gift der einen Pflanze mit dem Gift der anderen Pflanze entgegenwirken kann, dabei muss man allerdings aufpassen, dass man sich nicht vergiftet. Rolando kennt sich mit Gift bestens aus, Bertha und er haben so gut wie alles schon mal durch. Die letzte Vergiftung stammt von einem Spinnenbiss, weiterhin lerne ich, die Spinnen hier sind groesser als es fuer normal Sterbliche ertraeglich ist („Wie gross die Spinne?“ „Ach, ganz klein war die nur.“ Ich nicke wissend, und schwelge in weisen Worten: claaaro, asi pueees, in der Regel sind die kleinsten Wesen immer die schlimmsten Wesen – Rolando stimmt mir zu: „In etwa so klein, no mas.“ Er formt mit der Hand die Groesse einer Orange. Ich frage also lieber nicht, wie gross eine „grosse“ Spinne ist). Weiterhin lerne ich folgendes ueber Schlangen:

Wer regelmaessig Schlange isst, der wird nicht mehr gebissen, nicht nur das, der sieht auch nie mehr eine Schlange in freier Wildbahn (Francisco muesste laut Theorie also immun sein, Alex auch).

Ausserdem eignet sich das Oel der Schlange gut zur Verbesserung des Sehvermoegens, hat Rolando am eigenen Leib ausgetestet, wenn man sich die Augenlider 2-5 Mal mit Schlangenoel einreibt, sieht man wie ein Adler, oder besser. Ich erklaere, dass man bei uns zu Lande in diesem Zusammenhang Moehren isst. Findet Rolando merkwuerdig. Dann packe ich meine alte Gluehwurmstory aus Sumatra aus, gibts hier auch, dass die Gluehwuermer einen retten, wenn man sich des Nachts im Dschungel verlaeuft. Zum Thema Geister ist folgendes festzuhalten: Es gibt gute und boese Geister, die guten erkennt man daran, dass sie aus weisser Materie bestehen, die boesen sind schwarz und aeusserst uebel, wenn man ihre Aura einatmet passiert unweigerlich Fuerchterliches.

 

Die Nacht ist ruhig und sternenklar. Das Rauschen des Flusses und die Gesaenge der Zykaden wiegen mich in einen traumlosen Schlaf. Gegen 3 Uhr wird die Nachtruhe unterbrochen, weil die Huehner aufmucken. Bertha vermutet einen Tigerangriff, und Rolando macht sich mit der Flinte auf die Suche nach dem Ungetuem. Ein einsamer Jaeger, der weder Tod noch Teufel fuerchtet, verschwindet in den Tiefen des Dschungels. Ich setze meinen Schlaf fort.

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Der Parasit

Zwischen meinen Zehen entdecke ich einen Stich, oder sowas. Das Problem an dem Stich ist, dass er nicht abschwillt, wie es bei normalen Stichen im Laufe der Zeit in der Regel der Fall ist, sondern er waechst. Ich ahne nichts Gutes. Notduerftig versuche ich, das Elend in den Griff zu kriegen, ich spruehe zum Beispiel Infektionsspray drauf, oder ich denke ihn mir weg, oder ich wickele ein Pflaster drum, ich schneide ein bisschen mit der Nagelschere daran rum, oder ich troepfele ein bisschen Jod drauf. Bringt alles nichts, der Stich waechst, und mein Repertoire ist erschoepft. Was nun, was tun? Das Gute ist, dass ich mich morgen ohnehin im Dschungel einnisten will, da werde ich die ansaessigen Dschungelstaemme um Rat fragen, die werden sich mit sowas ja wohl auskennen. „Aeh Leute, ich hab hier so’n Stich, will sich den vielleicht mal jemand angucken?“ Man inspiziert meinen Zeh. „Ahja, ein Mawy.“ Ein Mawy also. „Was ist ein Mawy?“ Wie man mir geduldig erklaert, handelt es sich bei dem Mawy um einen larvenmaessigen Parasiten, den man sich in staubigen Strassen einfaengt, i.d.R. dort, wo es viele Tiere gibt. SAN BORJA, das Ungluecksnest! „Das ist eine kleine, klitzekleine Fliege, die legt ihre Eier unter Deine Haut, aus denen waechst eine Made – schau, das ist das Schwarze hier in der Mitte - die weitere Eier legt, aus denen wachsen weitere Maden...“ Hm!!! Wieviele Eier denn so im Schnitt? „Millionen! Boah, bei Dir ist das schon riesig, massenweise Eier! Schau, das Weisse hier!“ Was nun, was tun?! Soviel ist klar, das Ding muss SCHNELLSTENS entfernt werden. „Kann mir das hier jemand rausschneiden?“ „Claaarooo.“ Wenig spaeter in einem Holzverschlag im Busch bereitet man die OP vor. Irgendein spitzer Stachel von irgendeinem spitzen Gestruepp fungiert als Skalpell. „Bereit?“ „Nein! Halt!“ Wohlweislich habe ich mein Infektionsspray dabei, und spruehe vorsorglich noch mal eine Ladung auf die besagte Unngluecksstelle. „Bereit?“ „Nein! Halt! Hat hier jemand Singani?“ Hat keiner. Also gut, los! Erfreulicher Weise scheint das hier Routinearbeit zu sein, der Zeh wird aufgeschlitzt, die Made mitsamt ihrer Millionen Eier entfernt und anschliessend fuehle ich mich so befreit, wie lange nicht.

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Auf dem Weg nach Rurre

Die Fahrt nach Rurre verlaeuft routinemaessig. Ich warte vier Stunden in Affenhitze auf die Abfahrt meines Kollektivtaxis, das ich mir – als es denn endlich mal voll ist – mit ein paar jugendlichen Draufgaengern, und einer dicklichen Familie mit Kleinkind teile. Wie ueblich, ist der dickliche Vater aeussert gespraechslustig (ich wie ueblich nicht) und haut mich durchgehend von der Seite an. Dann schaltet der Fahrer – Gott seis gedankt – Musik an, der Dicke hat Ablenkung und groelt aus Leibeskraeften zu den Backstreetboys „Backstreets back, ALRIGHT!“ Ein Alligator ueberquert die Strasse, dann bleiben wir liegen, nach einer Stunde und einigen Tritten gegen den abgefallenen Hinterreifen wird die Fahrt fortgesetzt, diesmal laeuft „Hotel California“ auf Spanisch, der Dicke flippt aus vor Begeisterung und singt mit einer Inbrunst, dass einem schlecht werden koennte. Anschliessend muss ich ihm einen seiner brasilianischen Lovesongs aus dem Portugisischen ins Spanische uebersetzen. Die Fahrt verlaeuft eine zu vernachlaessigende Weile ruhig (zwischendurch halten wir in einer Werkstatt und kaufen uns einen neuen Reifen), dann langweilt sich der Dicke: „Wann sind wir da? Das da vorne am Horizont ist doch schon Rurre, ne?“ Einer der jugendlichen Draufgaenger: „Ne Stunde noch, um halb 7 kommen wir an.“ 5 Minuten spaeter: „Jetzt muessten wir schon gleich da sein, oder?“ „Um halb 7 hab ich gesagt...“ 5 Minuten spaeter: „Komisch, dass der Horizont so weit entfernt ist, hinter der naechsten Ecke muesste es ja sein, oder?“ „Um halb 7 hab ich gesagt...“ „qUiT PlAyInG GaMeS wITh My hEaRT!...“

 

Soweit so gut. Am Ende der Fahrt„Schade, dass Du in Rurre bleibst, wir wuerden ja gerne mit Dir gemeinsam Weihnachten feiern.“ Hach ja, schade ist es, wahrlich, aber was will man machen...

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Arbeitspraxis in San Borja

Das Schlimme ist, dass es in San Borja so gut wie keinen Kaffee gibt. Nach gefuehlter 3stuendiger Suche (ich WEIGERE mich, den Tag ohne Kaffee zu beginnen) koennen wir einen Miniimbiss mit Nescafe auftreiben, so weit also so gut. Anschliessend besuchen wir ein paar Huehnerzuechter in den umliegenden Gemeinden (die Moppedfahrt ist eine Qual, die „Strasse“ ist so staubig, dass man nach 5 Minuten Fahrt selbst auch zu Staub wird, sehen kann man sowieso nichts, zu allem Uebel treiben sich in dem Staub auch noch Parasiten rum, dazu aber spaeter) und den Buergermeister. Ich haenge in den Haengematten und fuehre ein paar Interviews, waehrend Alex die Gaerten nach Obst und generell Essen absucht (irgendwie peinlich). Wenn wir schon genug Obst haben, haenge ich in den Haengematten und fuehre Interviews, und Alex sitzt daneben und isst Obst. Manchmal gibt es auch Moehren. Die Interviews verlaufen recht unspektakulaer: „Was erwartet Ihr von dem Projekt, wenn es in die zweite Phase geht?“ Grabesstille. Alex hat einen zahmen Papagei gefunden, und laesst ihn sich ueber die Schulter laufen. „Guck hier, Stefanie!“ Ich schwinge einmal nach vorne und einmal zurueck und poche auf eine Antwort. „Leute, wenn ihr nichts erwartet, dann brauchen wir auch keine 2. Phase!“ Stille. Alex kreiselt einen Hund, und freut sich darueber, wie er anschliessend voellig verkreiselt durch die Gegend wankt. „Aber ihr wollt, dass das Projekt verlaengert wird, oder nicht?“ „Claaaaarooo...“ „Also! Was wollt Ihr lernen?“ „Hmmmm. Vielleicht koennen wir ein paar Taschen knuepfen, so wie den Beutel, den Du da dabei hast.“ Hoffnungslos, streiche ich aus dem Protokoll. Der Papagei sitzt mittlerweile auf einem morschen Zweig ueber unseren Koepfen, der bricht ab, und Zweig und Papagei segeln und lautem Gekreische zu Boden.

Bei Dona Teresa: „Hallo Dona Teresa, wir kommen, weil Stefanie Kaffee will!“ Peinlich. Ich korrigiere: „Wir kommen, um zu gucken, wies mit den Huehnern laeuft.“ (Alex: „Gibts hier Mango?“ – anschliessend schlaeft er im Liegestuhl). „Ja, naja, gestern hat ein Alligator drei der 10 Huehner gefressen. Das ist schlecht...“ Alex (ist wieder wach):„Hier, Stefanie, komm her!“ Ignorier ich, und versuche meine Arbeit fortzusetzen. „Ja, das ist schlecht. Was nun?“ „Wir erlegen den Alligator, dann machen wir Hamburger draus.“ Alex erscheint auf der Bildflaeche, um seinen Hals haengt eine Alligatorenhaut: „Mit dem Hamburger muesst Ihr aber warten, bis ich wieder da bin! Am 15. Januar komm ich wieder, dann koennen wir auf die Jagd gehen.“ Auch nichts fuers Protokoll. Wir fahren zurueck nach San Borja, schlafen ne Runde in unserer Haengematte (tuellich wird hier geteilt!), anschliessend ueben wir Ueberschlag in der Haengematte – ein nicht ganz ungefaehrliches Unterfangen. Dann fahren wir zu Dona Ana, die Familie hat sich einen neuen Drucker in La Paz gekauft, Alex installiert den Drucker, ich schmuecke mit den Kindern den Plastikweihnachtsbaum, anschliessend haengen wir noch ein bisschen in der Haengematte, die Fotos aus Haengemattenperspektive sind spektakulaer, probe Weise drucken wir eins der Bilder mit dem neuen Drucker. Funktioniert. Sogar in Farbe.

 

In der allabendlichen Reunion (die eine Haelfte schlaeft, die andere Haelfte saeugt Babys, alle erschlagen mit Lappen Muecken BAATSCH!) ermahnt Alex die Dorfgemeinde zu mehr Sauberkeit bei der Huehnerpflege: „Leute, wir haben ein paar Staelle besichtigt, die meisten -BAATSCH - sind sowas von vollgeschiss...Oh, was ist das?“ In der Mitte des Stuhlkreises landet ein grosser schwarzer Kaefer. „Ha! Guckt Euch den an! Junge, Junge!“ Ich uebernehme: „Wie war das fuer Euch, das ist ja nun das erste Projekt, was sich ausschliesslich an die Frauen richtet, gabs da Eifersuechtel...“ BAATSCH – ich kriege einen Lappen ins Gesicht geklatscht. „...eien?“ BAATSCH! Kann die Antwort nicht verstehen, weil die Lappen zu laut knallen. Fuers Protokoll denk ich mir was aus. „So Stefanie, was nun? Fahren wir zu Dona Teresa und gucken, ob es da was zu Essen gibt?“ NEIN! Auf mich hoert keiner, also fahren wir zu Dona Teresa und gucken, ob es da Essen gibt. Gibt es. Peinlich. Ich verschwinde auf Toilette, anschliessend ist es klar an der Zeit zu fahren, ich schwinge mir meinen Beutel um, Alex kiechert, „Was gibts da zu kiechern?!“ – aus meiner Tasche gluckst ein verwirrtes Huhn... Soviel zur Arbeitsspraxis in San Borja, die naechsten 5 Tage verlaufen aehnlich, Alex heult regelmaessig ueber seine Zahnschmerzen von Tag 1, an einem Tag kaufen wir uns Klamotten, am letzten Morgen finden wir unseren Kaffeeimbiss nicht wieder, irren uns in der Tuer und landen in einem privaten Wohnzimmer. Auch wieder peinlich. Nach vollbrachter Arbeit trennen sich unsere Wege, Alex will nach Cochabamba, ich nach Rurrenabaque, denn ich habe beschlossen, die wohlverdienten Weihnachtsferien im Dschungel zu verbringen.

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Von Regen und Fischen

9:30 Uhr. Wir sitzen verpennt unter einem Holzverschlag bei Don Fernando in Porto Lata und erkundigen uns nach den Fortschritten des Huehnerprojekts. Damit ich nicht einpenne, hau ich mir den Bauch mit Koka voll. Funktioniert besser als Kaffee. Alex hat einen zahmen Affen gefunden und fuettert ihn mit unserer Ananas. „Hier Stefanie, nimm auch ein Stueck!“ Auf dem Dach turnen ein paar Katzen. „Das Problem mit den Katzen ist, dass sie immer das Dach auffressen.“ Ich mach mich mal an die Arbeit. Ich schiesse ein paar Affenfotos, um die Atmosphaere einzufangen. Wie laeufts so mit den Huehnern? „Es laeuft....natuerlich nicht zu vergleichen mit den guten alten Zeiten. Richtig schoen viel Kokain haben wir hier produziert, das hat ordentlich Kohle gebracht! Ja, reich waren wir! Das waren noch Zeiten!“ Nehm ich mal nicht zu Protokoll. Es regnet, nein es schuettet! Das ist gut, das heisst wir sitzen hier fest und muessen uns nicht unnoetig bewegen. „Hier in Porto Lata ist es so, wenn es regnet, regnet es Fische.“ Es regnet Fische...“...das ist gut, dann muessen wir naemlich nicht angeln gehen. Hier im Garten landen sie.“ Der Garten ist mittlerweile ein See. Alex und Don Fernando ueberlegen, warum Porto Lata eigentlich Porto Lata heisst. „Ich glaube das war so, hier gab es mal einen Hafen, da wurden hauptsaechlich Latas de Cerveza (Bierdosen) angeschifft. Deshalb der Name.“ Den Huehnern draussen ist es zu nass, sie wollen auch rein, duerfen aber nicht. Wie laeufts so mit den Workshops ueber Mangelernaehrung? „Super sind die. Vorher haben wir wenig gefruehstueckt, viel zu Mittag gegessen und ganz viel zum Abendbrot. Jetzt machen wirs andersrum.“ Aha! Das ist doch mal was fuers Protokoll. 11:00 Uhr. Regen. Alex packt den Pisco aus: „Guck mal, was wir aus Peru mitgebracht haben!“ – Was DU aus Peru mitgebracht hast! Es regnet, wenn es regnet kann man nicht arbeiten, also machen wir Pisco Verkostung. Draussen versinkt unser Mopped in einer Schlammpfuetze. Nach der halben Flasche Pisco wird Alex sentimental. „Hach, immer wenn ich hier ankomme, ists, als wuerde ich nach Hause kommen...“. Er seufzt. Don Fernando seufzt ebenfalls. Ich werfe ein langgezogenes claaaro ein, wie es hier so ueblich ist, wenn man sonst nichts zu sagen hat. „Tag und Nacht haben wir Hand in Hand gearbeitet...“ Seufz. Claaaro. Alex und Don Fernando haben sich die Backen bis zum Platzen mit Koka vollgestopft, die Kommunikation wird also fuer mich etwas unverstaendlicher. „Jaja...wir Ingenieros lieben, was wir machen. Wir opfern unsere Familie und unser Geld, aber ja, wir lieben, was wir machen...“ Seufz. Asi puuueeees....claaaaro...Grob zusammengefasst besteht die Konversation der naechsten drei Stunden darin, dass Alex in sentimentaler Wehmut schwelgt, Don Fernandos Beitrag zur Konversation beinhaltet die Wiederholung der letzten drei Worte von Alex Saetzen, mein Beitrag lautet: „claaarooo“, oder manchmal auch „asi pueeeesss...“. Es regnet. Ab und zu schaut ein Schwein vorbei. Im Gegensatz zu den Huehnern kann das Schwein die Pforte aufmachen.

Um 16:30 Uhr hoert es auf zu regnen. Der Pisco ist leer, der Kokasack ebenfalls (ich habe mich vornehm zurueckgehalten, entsprechend kann man sich den Zustand von Fernando und Alex vorstellen). „So Stefanie, hast Du alles? Fotos? Interviews?“ jaja „Gut, wir fahren!“ Wir schwingen uns aufs Mopped, um 17:30 sind wir wieder in San Borja, um 17:35 pennen wir, um 23:30 wachen wir kurz auf ( – ein Delirium – „wie spaet ist es?“ „Halb 12“ „Nachts?“ „Ja. Irre ne?“ „Ja, krass! Irre! Halb 12 nachts, dachte es waer vielleicht 20:30“ „Ja, ich auch.“ „haben wir Abendbrot gegessen?“ „Nee, glaub nicht“) schlafen weiter bis zum naechsten Tag um 8:30 Uhr. 

 

Am naechsten Tag heult Alex ueber fuerchterliche Zahnschmerzen „Du bist Schuld, Stefanie!“ ??!! Was kann ich dafuer, wenn Du Dich bis zum Zerbersten mit Koka vollstopfst? „Das lag nicht am Koka, das lag am Pisco! Wenn Du nicht gesagt haettest, ich soll Pisco aus Peru mitbringen, haetten wir keinen Pisco getrunken, haette ich kein Koka gegessen, haette ich jetzt keine Zahnschmerzen.“

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Auf dem Weg nach San Borja

„Auf dem Weg hier hab ich ja schon manchmal ein bisschen Angst, aber dann faellt mir wieder ein, dass der Busfahrer betrunken und zugekokst ist, und schon gehts mir besser.“ Alex und ich befinden uns in in der letzten Reihe eines „Original Militaerbusses aus den 50ern“ auf der hoellenhaftesten Todesstrasse, die mir bislang untergekommen ist, und zwar von La Paz auf dem Weg zu einem Huehnerprojekt in San Borja. „Hier“ Alex fuchtelt aufgeregt nach links und rechts in den Abgrund „fallen die meisten Busse. Wenn wir das hier hinter uns haben, kommt nur noch ein Todesabschnitt, aber wenn wir Glueck haben, schlafen wir dann schon. Ha! Guck Dir das an, siehst Du, wie tief es da runter geht! Mann mann mann!“ Ich lehne mich zurueck und zerquetsche dabei seine Nase, die er hinter meinem Ruecken an die Scheibe geklebt hat (ich wuenschte, er wuerde einfach mal auf seinem Sitz sitzen bleiben...). „Uff! Autsch!...Mann mann mann, und guck mal, zwischen uns und dem Abgrund sind keine 2 Zentimeter, guck!!!Boah! Schlagloch! Mann mann mann, der faehrt ganz schoen schnell, scheint mir ein Verrueckter zu sein, unser Busfahrer! Boah, guck mal da runter!! Uff! Schlagloch! Stell Dir das mal bei Regen vor!“ Hoer auf, an mir rumzuzerren! Uns kommt ein Lastwagen entgegen...Wir fahren rueckwaerts...“Weisst Du, warum wir hier immer auf der linken Spur fahren? Unlogisch eigentlich, ne? Man sollte ja meinen, rechts am Felsen ist es sicherer.“ Ne, warum? „Weiss ich auch nicht.“ Tatsaechlich ist es so, dass dies die einzige Verkehrsstrecke im Land ist, wo die Busfahrer soviel 100% Alkohol und Koka konsumieren duerfen, wie sie wollen („damit wir nicht fallen“.). Die Logik erschliesst sich mir nicht ganz. „Wenn wir fallen, und Du ueberlebst, und wir beide wissen, dass ich sterben muss, und ich leide furchtbare Qualen, wuerdest Du mich umbringen, wenn ich Dich darum bitte?“ Ich schiebe Alex zurueck auf seinen Platz und versuche Ablenkung in den Weintrauben zu finden, die wir uns als Wegzehrung aus La Paz mitgebracht haben. Wir haben ausgerechnet: Pro Stunde darf jeder eine Weintraube essen, dann haben wir genug, bis zu unserer Ankunft in San Borja. „Stefanie, schreib doch mal ein Gedicht ueber die Todesstrasse!“ Keine Frage, das werde ich, mein Lieber, das werde ich. Alex haengt wieder ueber meinem Sitz, Konsequenz: Im naechsten Schlagloch knallen unsere Koepfe mit praller Wucht gegeneinander, ich glaub ich hab ne Gehirnerschuetterung. Das Gute ist, dass Alex von dem Schlag benommen ist, und die naechsten 5 Minuten die Klappe haelt. Gegen 21:30 Uhr halten wir in irgendeinem Kaff (wohlgemerkt der einzige Halt auf der 18 Stunden Fahrt, der olle Militaertruck hat selbstredend KEINE Toilette), und Alex zueckt die Pulle Pisco, die er auf meine Bestellung hin am Wochenende aus Peru mitgebracht hat. Ich beschliesse, dass es an der Zeit ist, sich zu betrinken, um dann fuer den Rest der Moerderfahrt in einen tiefen Schlaf zu verfallen. Funktioniert leider nicht, weil Alex ohne Punkt und Komma sabbelt und weiterhin an mir rumzerrt. Um 4:00 Uhr morgens ist die Tortur ueberstanden, schlaflos fahren wir in San Borja ein, ich bin mittlerweile willens- und emotionslos. Ich starte einen klaeglichen Versuch: „Heute muessen wir aber nicht arbeiten, oder?“ „Claro arbeiten wir!“ Na claro...Das Klima in San Borja ist eine Wonne, tropisch warm und Dschungelmaessig und endlich runter von den beknackten Bergen, 200m ue. N.N. Soweit also so gut. Dummer Weise hat Alex den Schluessel zu unserer Unterkunft v-e-r-l-o-r-e-n, deshalb muessen wir den Dueno um diese peinliche Uhrzeit aus dem Bett klingeln. Die Laune ist entsprechend. „Ingeniero, wo ist dein Schluessel?!“ „Oh, den hab ich leider verloren, Senor.“ „Das ist der 5. Schluessel, den Du verloren hast!“ „Ja, darf ich Dir die Kollegin Stefanie vorstellen?“ Ich versinke im Erdboden. Zu mir:„Nur, das eins schon mal klar ist, Du kannst in meinem Zimmer machen was Du willst, aber MEINE Haengematte gehoert MIR, und da schlaeft keiner drin, ausser MIR!“ Jaja, schon klar. Man wird sehen...Wir pennen von 5:00-7:30, dann gehts an die Arbeit. Die verlaeuft mal wieder anders, als erwartet.

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Bergsteigerei

Am naechsten Morgen holen wir erst Mario ab, dann Jaime, einen spanischen Expat, der fuer unseren Financier arbeitet und fuer den Workshopgipfel am Wochenende angereist ist. Mario hat in den 2 Tagen Abwesenheit ca. 5 Kilo zugenommen („Echt geil da oben, von morgens bis abends nichts als Essen, die Frauen veranstalten da immer einen Wettstreit, wer am besten fuer mich kochen kann.“ Daher weht also der Wind. Von Ratten sagt er nichts.)

Der Rest des Tages ist frei, ich freue mich auf einen entspannten Tag, Jaime und Alex beschliessen jedoch den Berggipfel von Tacacoma zu besteigen, muss ich dann natuerlich auch mit (wenn ich gewusst haette, wie das endet, haette ich anders entschieden). Zunaechst einmal muss Alex angeben und sprintet ohne Ruecksicht auf Verluste den nahezu senkrecht ansteigenden Stolperpfad hoch. Nicht zu vergessen, wir sind hier auf 4500m, und die Luft ist knapp. Nach 20 Minuten ist meine Lunge kurz vor der Explosion, Atmen geht sowieso schon lange nicht mehr. Ich bestehe auf eine Pause, aus einem abgebrochenen Ast wird mir ein Krueckstock geschnitzt. Auch irgendwie unter meiner Wuerde. Anschliessend versinken wir im Nebel, Alex meint, er weiss auch nicht, wo wir sind, aber am besten ist es immer dort, wo es keinen Weg gibt. Also schlagen wir uns durchs Dickicht, links von uns gehts steil bergab, alles kein Problem schliesslich „koennen wir uns ja an den Blumen festhalten.“ (Vom Ding her erinnert mich das Ganze hier stark an den Dschungeltreck in good old Bukit Lawang, mal abgesehen von den Temperaturen und dem Hoehenunterschied). Nach gut 40 Minuten Hoellenqual am Schraeghang: „So. Hier gehts nicht weiter!“ Ist nicht Dein Ernst! Unser „Nature Treck“ endet an einem felsigen Abgrund. „Zurueck gehts allerdings auch nicht.“ Wo er Recht hat, hat er Recht. Wir haengen eine Weile ratlos am Abgrund (und halten uns an Grashalmen fest). Aussitzen wird in diesem Falle vermutlich nicht zur Loesung fuehren. „Gut. Ich werde auf die Blume springen, dann kommt Ihr nach. Von da gucken wir weiter.“ (ca. 3 Meter unter uns, waechst ein klaegliches Gestruepp aus dem Felsen, mal gucken, wie stabil das ist). Alex springt, verfehlt natuerlich die Blume, schafft es aber doch noch, sich mit der linken Hand an einem Blatt festzukrallen (ja, die Blume ist offensichtlich widerstandsfaehiger, als gedacht), und zieht sich hoch. „Hui! Das war knapp! So, Stefanie, jetzt Du!“ Ich blicke nach unten und ich blicke nach oben (Jaime: „Nach oben brauchst Du nicht gucken, da gehts nicht zurueck.“). Gut, einer auf der Blume, ok, aber zwei Leute, weiss ja nicht, ob das haelt. „Los, ich fang Dich.“ Es sieht leider so aus: Man hat keine Wahl. Also springe ich ebenfalls und lande auf Alex Kopf, wir rutschen mitsamt Blume etwas nach unten. Jaime haengt noch oben. So verweilen wir ca. 15 Minuten, denn es gibt bislang keinen Folgeplan. Irgendwann wird mir das Ganze zu bloed und zu unbequem („Das hier ist SCHLIMMER, als ruta de la muerte!“), und irgendwie gelingt es mir, den restlichen Felshang runterzurutschen, wobei ich meine Geschwindigkeit mit dem einen oder anderen Grashalm drosseln kann. Unten angekommen lande ich – man glaubt es nicht – auf der Ruta de la Muerte. Waehrend die Mannen noch mit dem Abstieg kaempfen, geniesse ich meine Pause in Ruhe und Frieden und halte uns ein Taxi an. Tacacoma erreichen wir 3 Stunden spaeter als geplant, haben einen Mordshunger, und wir haben Glueck, zum Mittag gibt es Reis mit Kartoffeln und Ei. Auf dem Abstieg zurueck ins Dorf pennen wir drei Stunden am Wassertank. Fazit: Arbeit als Entwicklungshelfer ist weniger schlimm, als keine Arbeit als Entwicklungshelfer.

 

 

Die Weissmachercreme hat uebrigens funktioniert, meine rechte Hand ist deutlich weisser, als die linke. Abends kochen Alex und ich uns Tuetensuppe – attencion: diesmal MISCHEN wir Spinat, Haehnchen und Nudelgeschmack – schmeckt Bombe (Alex: „Ich haenge meinen Job an den Nagel und werde Tuetensuppenhersteller.“), Jaime isst eine Tuete trockene Cornflakes. „Jaime, schnarchst Du?“ „Ja.“

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Honig und das Dorf der maennermordenden Frauen

Da wir ja nun leider um 6:00 Uhr zum Pinienpflanzen antanzen muessen, stelle ich meinen Wecker auf 5:15. „Ey, was soll das?!“ Wir muessen aufstehen. „Bist Du bekloppt?“ Keine guten Morgenvibes, ich gehe mal Eiswasserkalt duschen. Ich komme wieder. Keiner ruehrt sich. Alex schlaeft, von Francisco keine Spur. Ich trinke Instant Coffee. Keiner ruehrt sich. Alex schlaeft, von Francisco keine Spur. Um 7:00 bewegt sich Alex ein bisschen, ich liege auf dem Bett und langweile mich und bin muede. Um 7:45 hupt Francisco vor unserer Tuer, Alex bequemt sich hoch. Im Auto: „Schlimm ists mit den Deutschen, die gesamte Nacht war Stefanie wach, und meinte wir muessen los, Pinien pfanzen. Seit 2:00 Uhr morgens ist sie auf und ab gerannt,kein Auge hab ich zutun koennen!“ So ein Schwachsinn! Um 8:30 pflanzen wir die vermaledeiten Pinien (in Eiseskaelte).

 

Und dann? Nun, ich hatte die Hoffnung ja bereits in einem kilometertiefen Loch verscharrt und ein paar Pinien drueber gepflanzt, aber heute, heute ist es endlich so weit! Es gibt: Honig! Und zwar in rauhen Mengen. Wir fahren auf der Todesstrasse nach Annanea, wo wir vor einiger Zeit eine Hand voll Bienenstoecke installiert haben. Heute bringen wir eine nigelnagelneue Zentrifuge aus La Paz mit, der Plan ist, dass wir die Dorfgemeinschaft in die Honigzentrifugentechnik einfuehren und anschliessend den Honig ernten. Auf dem Weg nach oben berichtet Francisco von dem Dorf der maennermordenden Frauen, dass sich hinter dem uebernaechsten Huegel auf der anderen Seite des Tals befindet. „Da gibt es nur Frauen. Wenn sich ein Mann naehert, wird er umgebracht und gegessen.“ Das klingt interessant. Warst Du schon mal da? „Natuerlich nicht!“ Kann ich da hin? „Kannst Du, aber der Weg ist weit, den findest Du allein nicht, dafuer brauchst Du einen Guide, und wenn Du mit dem Guide dort aufschlaegst, wird er umgebracht, und Du findest nicht zurueck.“ Ich halte es trotzdem fuer eine gute Idee, da mal im Sinne einer kleinen Feldstudie einen Abstecher hin einzulegen. „Und wisst Ihr, was das Schaerfste ist?“ Na? „Man munkelt, dass die Statue auf dem Plaza de Armas eine urinierende Frau darstellt.“ Das ist allerdings das Schaerfste...In Annanea erkundige ich mich nach der allgemeinen Akzeptanz des Bienenprojekts. „Hm. Geht so. Meistens stechen sie uns, und wenn sie uns nicht stechen, bringen sie unsere Kuehe und Schweine um.“ Das Ganze scheint noch nicht so ganz im Griff zu sein. Nehme ich mal nicht zu Protokoll. In einem kleinen Workshop erlaeutern wir die Zentrifugentechnik. Alex malt einen Bienenstachel in mein Notizbuch, Francisco meint, er weiss auch nicht, wie das Ding funktioniert:“Aber hey Leute, morgen will Stefanie in das Dorf der maennermordenden Frauen!“ Ich:“Ja, wenn es das denn gibt!“ Klar gibts das, da ist man sich einig, ein freiwilliger Guide findet sich leider nicht...Francisco beantwortet ein paar Fragen zum Honig, ich versuche zu folgen, Alex findet in der Schublade des Rednerpults ein Buch mit Stempeln („Guck mal, der hier mit dem Lama ist gut, oder der hier, mit dem Inka und der Blume Oh, den hier musst Du fotografieren, los, schiess ein Foto, das Design musst Du mir in einer Kette verarbeiten“). Im Anschluss an den Workshop versuchen wir uns an der praktischen Umsetzung des in der Theorie Erlernten. Fuer mich bleibt Gott sei Dank eine Schutzkleidung uebrig (die Bienen sind wirklich HOECHST aggressiv), muss nur leider mit einer Hand Fotos knipsen, der Rest stuelpt sich Plastiktueten ueber den Kopf und raeuchert sich mit Feuer ein. Am Ende verrecken wir fast an einer Rauchvergiftung, die Haelfte der Dorfgemeinschaft und das klaeglich verbleibende NGO Team bestehend aus Francisco und Alex sind aufs Uebelste zerstochen, die Kinder heulen. Dafuer haben wir Honig, und das ist die Hauptsache. Ich verschlinge eine komplette Wabe, danach ist mir schlecht und der verdammte Wachs verklebt mir die Zaehne und den Magen. Leider ist unser Dienstwagen nun auch rappelvoll mit aggressiven Bienen, die Fahrt auf der Todesstrasse wird also noch etwas moerderischer. Weiter oben in Macachamarca besichtigen wir die von uns eingefuehrte Huehnerzucht. Ich erkundige mich nach dem Stand des Projekts.„Hmm. Geht so. Jetzt gerade fressen die Huehner meinen Mais. Ansonsten haben sie Grippe und sterben.“ Nehm ich mal nicht zu Protokoll. Abends haben wir keinen Singani mehr und generell auch sonst nichts mehr zu trinken, ausser die Schlange, und ich WEIGERE mich, dass Ding anzuruehren. Wir essen Tuetensuppe mit mildem Haehnchengeschmack und – ACHTUNG: Ei!!! (haben wir aus Machacamarca mitgebracht). Weil wir sonst nichts zu tun haben schmieren wir uns je eine Hand mit irgendeiner chinesischen Weissmachercreme ein, um morgen zu testen, ob das Zeug tatsaechlich funktioniert. Des Nachts traeume ich: Gar nichts, kann naemlich nicht schlafen, weil Alex schlafwandelt und im Traum lautstark irgendwelche Geschichten zum Besten gibt.

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Gold und Schlangen

Morgens beim Instant Kaffee. Alex:„Hier!“ W-a-s „hier“? “Wenn wir den Singani geleert haben, trinken wir das hier!” Der Geisteskranke wuehlt hinter dem Mopped rum – und: haelt mir einen 5 Liter Trunk mit – ACHTUNG: E-i-n-g-e-m-a-c-h-t-e-r S-C-H-L-A-N-G-E unter die Nase. In diesem Sinne... Ich weiss wirklich nicht, womit ich das hier verdient habe. Im Auto auf dem Weg zu einem weiteren Komposthaufen:„Stefanie traeumt nachts von menschenfressenden Schlangen!“ Ja, kein Wunder, wo kommt der Schlangentrunk in unserem Schuppen her, wenn ich fragen darf? Francisco: „Das ist meiner! Bei Schmerzen jeglicher Art reibe ich mich damit ein. Das hier, Stefanie, ist uebrigens ruta de la muerte – der Todespfad.“ Danke, was Du nichts sagst. Gestern war hier auf dem Lande Graduationsfeier, hat zur Folge, dass wir auf dem Todespfad alle 5 Meter halten muessen, weil wieder ein besoffener LKW Fahrer am Abgrund haengt und den 1 m breiten Hoellenpfad versperrt (die Meetings verlaufen heute entsprechend schleppend, die bolivianische Zeit wird noch etwas mehr – unfassbar aber wahr – in die Laenge gezogen). Wo wir schon beim Thema sind, packe ich meine alte Schlangenstory aus Kolumbien aus:“Wisst ihr, damals in Minca, in der Sierra Nevada de Santa Marta....“ Francisco:“Ufff! Muuuucha droga en Santa Marta! Der Umschlagplatz für den Drogenhandel in Suedamerika!“ „Ja, aber damals, hat mir die Katze das Leben gerettet, weil sie naemlich die Schlange unter meinem Bett getoetet hat.“ Francisco:“ Niemals! Niemals darfst Du an diesen Ort zurueck kehren. Kehre niemals an den Ort zurueck, wo Du einer Schlange begegnet bist!“ Aus ist’s mit den Reiseplaenen zurueck ins gute alte Minca...“Ja, die Schlangen hier sind auch nicht ohne. Wenn Dich eine beisst ists aus mit Dir, hier gibts kein Gegengift.“ Aha.

Nach 40 Minuten Todesfahrt verabschieden wir uns vorruebergehend von Mario, der seine Arbeit hier oben in Santa Clara fortzusetzen gedenkt (Alex:“Haha, jetzt kann der zwischen den Ratten schlafen.“). Wie sich 2 Tage spaeter herausstellen soll, hat Mario durchaus seine Gruende, fuer seinen kleinen Dienstausflug, dazu aber spaeter. Wichtiger vorerst ist: Hier oben bringe ich in Erfahrung, dass wir uns hier, in diesem abgelegenen vergessenen Fleckchen nebligkalter Andenerde, in einem – haltet Euch fest - GOLDGRAEBERPARADIES befinden. Eine Goldmine reiht sich an die naechste, die Frauen tragen gueldene Ohrringe und gueldene Armreifen, die Maenner haben statt laeppischer naturzaehne funkelnde Goldzaehne, Uhren aus Gold, Autos aus Gold, ja selbst der Reis scheint aus Gold zu sein. Der Plan ist also nun folgender: Ich werd mir hier eine huebsche romantische Berghuette zulegen, einen Goldgraeber heiraten und alt und reich werden. Wenn ich auf die Schnelle keinen Goldgraeber finde, gehe ich selbst auf die Suche (...dachte ich in meiner unbedarften Naivitaet, wie sich spaeter herausstellen soll, duerfen Frauen nicht in die Mine, weil sie Unglueck bringen...). Das Gute an der Schufterei in den hohen Gefielden ist, dass man mich hier stets ebenfalls mit „Ingenieurin“ anredet, oder aber „doctora“. Da hab ich natuerlich kein Problem mit. Vom Honig uebrigens nach wievor keine Spur.

 

Auf der abendlichen Versammlung stopfen wir uns wie immer mit Koka voll. Ansonsten ist das Meeting ein Desaster, die Maenner beschweren sich, dass nur die Frauen Meerschweinchen bekommen. Aus Trotz weigert man sich, morgen um 9:00 Uhr mit uns Pinien zu pflanzen. Nehme ich ebenfalls nicht zu Protokoll. Francisco spricht ein paar beschwichtigende Worte, Alex spielt Autorennen und letzten Endes einigt man sich darauf, dass wir statt um 9:00 Uhr diesmal schon um 6:00 Uhr (morgens!!!) zum Pflanzen antanzen muessen. Ich kanns nicht fassen! Bekannter Massen geht der Singani zur Neige, deshalb kaufen wir uns auf dem Heimweg noch ein kleines Flaeschchen „Cafe al Cognac“, ein ausgemachter Hoellentrunk, der laut Packungsbeilage sage und schreibe 1% Cognac enthaelt, was den Rest ausmacht, kann und will man nicht wissen! Ist mit Vorsicht zu geniessen. Den restlichen Singani mischen wir mit Pfirsichjoghurt, dazu gibts Tuetensuppe mit Spinatgeschmack. Mit Mueh und Not kann ich Alex davon abhalten Franciscos Schlangengesoeff auszutrinken. Nachts traeume ich von Gold und Reichtum.

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Praxistag 2

Zum Fruehstueck gibts diesmal Gott sei Dank Instant Coffee, den ich mir wohlweislich am Vortage gemeinsam mit dem Singani hab zulegen koennen. Jeder Tag ein bisschen besser. Im Laufe des Tages passiert folgendes: Wir graben ein paar weitere Komposthaufen um und ein paar weitere Wuermer ein. Francisco: „ Wichtig ist, dass der Kompost immer schoen humide bleibt, sonst sterben die Wuermer. Die ersten 15 Tage duerft Ihr den Wuermern nichts aus Scheisse zu fressen geben, sonst sterben die Wuermer“ – wir zeigen, wie man den Kuhmist mit Wasser geschmeidiger macht – „...die Wuermer essen nur zerriebene Scheisse, wenn die Brocken zu gross sind, sterben die Wuermer.“ (scheinen mir nicht sehr widerstandsfaehig zu sein, diese Wuermer...). Dann versuchen wir noch einen Stacheldrahtzaun um einen Wassertank zu ziehen, ausserdem wollen wir die Pinienpflanzerei fortsetzen. Diesmal in dem urigen Bergdoerfchen namens Florida. (Francisco nimmt einen ordentlichen Schluck aus der Pulle mit 100% Alkohol: „ Stefanie, diese Strasse hier, nach Florida, ist ruta de la muerte – Todesstrasse“- was Du nicht sagst...). Das mit den Pinien entpuppt sich allerdings als ein zum Scheitern verurteiltes Unterfangen, die Dorfgemeinschaft muckt auf, sie wollen keine Pinien pflanzen, sondern Rosen. Nach einigem hin und her einigt man sich auf Rosen, fuer meine Zwecke eh besser, so kriegen meine Fotos einen romantischen Touch. Waehrend ich einen Pfosten mit weisser Farbe betuenche, interviewe ein paar Kinder, was sie von unserem Entwicklungshilfsprojekt halten. „Mein Kind, was haelst denn Du von den Komposthaufen und den Wuermern?“ “Hm. Geht so, als der Komposthaufen gebaut wurde, dachte ich, es wird ein Schwimmbad...“ (Alex:“ In dem Kompost kannst Du auch schwimmen.“) Nehm ich mal nicht zu Protokoll. Dann interviewe ich eine Oma, was sie von der von uns eingefuehrten Meerschweinchenzucht gegen Mangelernaehrung haelt. „Hm. Geht so, also essen werde ich die jedenfalls nicht, schmeckt wie Ratte.“ Nehm ich mal nicht zu Protokoll. Anschliessend muessen wir drei mal Mittagessen (Ei, Reis und Kartoffeln; Kartoffeln, Reis und Ei; Reis, Kartoffeln und Ei). Von Honig weit und breit keine Spur. Die allabendliche Dorfversammlung laeuft ungefaehr so ab: Beginn: 19:00 Uhr. Wir treffen gegen 20:00 Uhr ein. Gegen 20:30 kommt der erste Dorfbewohner, um 22:00 Uhr sind wird so halbwegs vollzaehlig. Die eine Haelfte schlaeft, die andere Haelfte saeugt Babys. Alex hat auf dem Rednerpult etwas Panfloetenartiges gefunden („Das hier, Stefanie, ist ein `Tu Tu´“). Er dudelt ein bisschen und laesst es dann in seinem Rucksack verschwinden. Waehrend Francisco die mangelhafte Partizipation der Dorfgemeinschaft an unseren Meetings bemaengelt kaut Mario Koka, Alex spielt Autorennen auf seinem Handy und ich male Ratten in mein Notizbuch. Francisco entdeckt das „Tu Tu“ in Alex Rucksack und floetet auch ein bisschen. Zurueck im Schuppen trinken Alex und ich Singani mit Kokosjoghurt. Dazu gibt es Tuetensuppe mit pikantem Haehnchengeschmack. Alex packt das Tu Tu aus und floetet ein romantisches Andenlied. (Ich kanns nicht glauben, er hat die Floete geklaut! Nehm ich mal nicht zu Protokoll.) „Weisst Du, Stefanie, warum die Hunde hier nachts so aggressiv sind?“ Ne. „Wegen der ganzen Geister.“ Ahso. „Und weisst Du, warum ich hier auf dem Boden schlafe, und nicht in dem Bett?“ Jaja, wegen der Kakerlaken und Bettwanzen...“Nee. Eben nicht. Eines nachts lag ich hier alleine in dem Bett, und auf einmal hatte ich das Gefuehl, dass mich etwas stranguliert, so dass ich nicht mehr atmen konnte. Als ich aufgewacht bin, stand die Tuer offen, keine Menschenseele in Sicht. Das, Stefanie, war ein Geist. Hier unten auf dem Erdboden gibt es allerdings keine Geister...“ Was du nicht sagst. Nachts hoere ich sonderbare Geraeusche und traeume von menschenfressenden Geistern.

 

 

„Stefanie! Schlaefst Du?“ JA. „Weisst Du, wenn der Singani alle ist, dann haben wir hier noch einen Drink auf Vorrat, hab ich gestern hinter dem Mopped gefunden.“ Alter! Halt den Rand und lass mich schlafen!

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Praxisbericht Tag 1

Am naechsten Tag gibts uebrigens keinen Honig. Und auch keinen Kaffee (der letzte Rest Instant Coffee, den ich hinter dem Mopped in unserem Schuppen finden konnte ist ein harter gruener Klumpen). Und zu meinem Leidwesen stellt sich heraus, dass in den 10 mitgebrachten Crackerboxen keine Cracker sind, sondern Wuermer. Oder „lombrizes“ wie man auf Spanisch sagt. Entsprechend faellt das Fruehstueck mau aus, Alex hat ne Pulle Kokosjoghurt, die er grosszuegiger Weise mit mir teilt. Anschliessend verbringen wir den Morgen damit, unsere mitgebrachten Wuermer unter begeisterter Teilnahme der Dorfgemeinden in die umliegenden Komposthaufen einzugraben. Teil unseres nachhaltigen Oekoprojekts, das wir hier in den frostigen Anden zu implementieren gedenken. Wie ich (und die Campesinos) lernen, fressen die Lombrizes in den ersten 15 Tagen ausschliesslich Kot, allerdings nicht von Huhn und Schwein, besser ist Kuh und Schaf, den wir vorher mit der Hand zerbroeseln muessen. Anschliessend begeben wir uns auf den Weg bergabwaerts („Stefanie, este camino es el camino de la muerte“ – Stefanie, dies ist der Todespfad) nach Chamisa, wo es gilt, einen neu installierten Wassertank mit einem Pinienschutzwall zu bepflanzen. Deswegen haben wir auch ein paar Pinien mitgebracht, im Schnitt 10 Zentimeter hoch, aber in fuenf Jahren, so erlaeutert Ingeniero Francisco, werden sie eine richtig schoene natuerliche Schutzmauer bilden. Alex: „Stefanie, wiesst Du, wie man die Pinien schneller zum Wachsen bringt?“ Ne. „Man muss sie mit Antibabypillen duengen.“ Der Typ hat einen Knall. Ich sauge mir krampfhaft ein paar Interviewfragen fuer meine Reportage aus den Fingern („beschreibe doch mal den Tageslauf einer Bauernfrau in den hohen Anden“ und aehnlich tiefgruendig), Mario fragt, wer Lust hat, ein Bad in dem Wassertank einzunehmen. Alex zieht dem Dorfoberhaupt seine Steinschleuder aus der Hosentasche und beschiesst damit die wirr herumlaufenden Huehner, die wir im Rahmen eines Kleintieroekoprojekts in den Kommunen angesiedelt haben. Francisco haelt eine weitere Abhandlung ueber Wuermer und Alex erklaert mir, dass man in San Borja aus den Wuermen leckere Kekse herstellt. „Probieren wir, wenn wir in San Borja sind!“ Ein Campesino fragt mich, ob die Wuermer wachsen. Weiss ich doch nicht, denke ich und sage, „ja, sie werden noch ca. 3 cm laenger, wenn ihr sie gut fuettert.“ Nach der Mittagspause (es gibt Ei mit Reis und Kartoffeln) machen wir eine Pause und essen einen Sack Kokablaetter. Alex verkuendet, dass die Arbeit ohne Zigaretten und Alkohol nicht fortzusetzen sei, graebt ein paar Wurzeln aus und findet dabei eine alte Inkatonkanne. Ich schiesse ein paar Fotos. Dann streichen wir noch ein paar Pfosten in weisser Farbe und versuchen einen Stacheldraht anzubringen, was sich also blutiges Unterfangen rausstellt. Um 19:00 abends muessen wir zur Dorfversammlung, um die Fortschritte des Wurmwasserpinienprojekts zu diskutieren. Unerfreulicher Weise werde ich gezwungen mich vor gesammelter Mannschaft vorzustellen, verlaueft etwas holprig, ich stottere irgendwas von „Verehrte Brueder und Schwestern, companeros y companeras, ich komme aus dem fernen Deutschland, um der Welt von unserer grossartigen Arbeit hier zu berichten“, anschliessend treiben Alex und ich ne Pulle Singani auf und stossen auf den erfolgreichen Arbeitstag an. Dazu gibt es Tuetensuppe mit pikantem Beefgeschmack. Nachts traeume ich von Schlangen, die Menschen fressen.

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Das Leben als Entwicklungshelfer. Oder: Auf der Suche nach dem Honig

Das Gute am Leben als Entwicklungshelfer ist, dass man kostenlos durch die Gegend reisen kann. Das Schlechte ist, dass die Reisen in der Regel in aller Herr Gotts Frühe starten, genau genommen um 7:00 Uhr morgens, und das wohl gemerkt an einem Sonntag. Waer ja nicht so schlimm, denn bekanntermassen bin ich ja ein Mensch des Morgens, allerdings tritt das aeusserst bedauerliche Ereignis ein, dass AUSGERECHNET am Samstagabend in meinem sonst so friedlich kalten menschenlosen Hostel ein bolivianischer Rap-Battle aus getragen wird und ich somit des Nachts unter einer Invasion ganzkoerper taetowierter alkoholisierter Latinogangster zu leiden hab, und ja, es ist wirklich ein Leid, meine Kaltwasserdusche wird als Toilette umfunktioniert, unsere schrottige Eingangstuer wird aus den Angeln gerissen und beim abendlichen Zaehneputzen werde ich von tattoogesichtigen HipHop Raudis belaestigt. Nun gut, das Leben ist kein Ponyhof, und wir wissen ja, morgen wird alles besser, denn das Projekt, ueber das ich in meinem nigelnagelneuen Job zu Berichten habe, ist ein H-O-N-I-G Projekt.

Und ja, es wird besser, die Abfahrt allerdings verzoegert sich ein Weilchen, weil wir eine pinke Matratze mitnehmen muessen („die ist fuer Dich, Stefanie!“ - danke), die nicht ins Auto passt, deshalb kleben wir sie mit Tesafilm (T-E-S-A-F-I-L-M) auf dem Dach fest. Ich erlaube mir den Kommentar, dass ich wahrlich bezweifle, dass das halten wird, aber man schwelgt in bolivianisch sorgloser Zuversicht.

Auf der Fahrt ins Honigparadies durchqueren wir zu meinem Leidwesen erneut das Dorf des Schreckens mit den aufgeknuepften Stoffleichen. Feuergeruch schwebt in der Luft. Ich nutze die Gelegenheit und frage meine drei Companeros, bei denen es sich ja schliesslich um ortskundige Einheimische handelt, wer denn nun eigentlich dieser Ladron Pillado ist, der auf gut jeder zweiten Mauer verewigt ist. „Ladron Pillado? Der ist tot, den haben sie hier Mittwoch auf dem Marktplatz verbrannt und aufgeknuepft.“ Hm. „Lebendig verbrannt?“ „Ja.“ Andere Laender, andere Sitten. Ich frag trotzdem mal nach. „Aeh, ist das hier normal?“ „Nun, es war ein Schurke.“ Achso. Hm. „Macht man das in La Paz auch so?“ „Noe, nur hier oben. Die Leute hier sind wuetend.“ Offensichtlich ist das so.

Auf der Autobahn fliegt uns die Matratze davon und landet in einem Schlammloch („Leute, die Matratze ist weg!“ „Wirklich?“), drum drehen wir, und fahren einen halben Kilometer als Geisterfahrer zu dem Ort des Ungluecks. Die neu ueberlegte Technik ist deutlich ausgefeilter, diesmal binden wir das gute Stueck (nun leider nass und braun) mit rotem Nylonpfaden am Scheibenwischer fest. Haelt gut. Zu Mittag gibt es ein Sueppchen mit Huehnerfuss. Anschliessend verlassen uns zwei unserer Companeros. Versteh ich nicht ganz, drum frag ich nach: „Wohin fahren die?“ „Zurueck nach La Paz.“ „Hae?“ „Die haben uns nur gefahren, weil ich keinen Fuehrerschein haben, aber ab hier sind die Strassen so schlecht, dass es keine Kontrollen gibt, ab hier fahre also ich.“ Achso. Im Ort kaufen wir noch ein Flaeschchen 100prozentigen Alkohol. „Hier! Das brauchen wir, fuer die Hoehe.“ „Hm, trink ich das jetzt oder wie?“ „Nein, das ist fuer spaeter.“ Spaeter, ist auf einer Passhoehe von 5200 Meter, und wie sich rausstellt ist der gute Tropfen nicht fuer uns, sondern fuer Pacha Mama, der wir hier oben, in herzloser, verwegener Wildnis einen ordentlichen Schluck verabreichen. Gut drei Stunden spaeter sammeln wir an einem ausgestorbenen Fleckchen Bergspitze Mario ein, ebenfalls Mitarbeiter von Cecasem, weiss der Geier, warum der gerade hier rumhaengt, ein sehr spezieller Charakter mit sehr speziellem Humor, der genau meinen Geschmacksnerv trifft. Jedenfalls sind wir jetzt wieder drei. „Dies, Stefanie, dies ist der Camino de la muerte – Strasse des Todes.“ Was Du nicht sagst. Wir kurven auf 4000m Hoehe auf einem 1 Meter breiten, steil aufwaerts fuehrenden – wie soll ich sagen –spiralfoermigen „Schlammacker“, achso nee, es regnet, es ist ein Schlammfluss – mit Schlagloechern - an dessen ungesicherten Seiten es 3000m senkrecht in die unendlich toedliche Tiefe geht. „...aber wart ab, das hier ist noch gar nichts, der wahre Todespfad, der kommt erst spaeter.“ Mir schwant Folgendes: Das Leben als Entwicklungshelfer in den hohen Anden, das ist nichts fuer Weicheier (und schon gar nicht fuer Warmduscher). Uns kommt ein Lastwagen mit einem Kind am Steuer entgegen. Erfreulicher Weise ist es so, dass wir ueberleben, das liegt vermutlich an der Opfergabe an Pachmama, da oben auf dem Pass. Und erfreulicher Weise ist es so, dass ich -wenn ich es denn richtig verstanden haben sollte – tatsaechlich ein Einzelzimmer haben werde. Nach weiterer 3 stuendiger Todesfahrt halten wir auf 4800m Hoehe in einer kleinen zerfallenen Ortschaft vor einem kleinen zerfallenen Holzschuppen. „Hier ist es.“ Jippie yo, jippie yeah. Mein fensterloser Schuppen besteht aus einer zerfallenen Holzpritsche, auf dem Boden liegt eine modrige Matratze, dann gibt es noch ein dieseliges Mopped in der Ecke, eine Honigzentrifuge (leider ohne Honig, leider leider) und in einer Ecke gammelt ein rostiger Campingkocher.

Auf der Pritsche finde ich ein paar Tshirts, ausserdem fliegt auf dem Boden ein Aufladekabel rum, UND ausserdem gibt es hier Brot und Marmelade.. Ich trau dem Braten nicht, die Indizien sprechen stark dafuer, dass ich hier nicht alleine bin. Hm. Hm. Keiner in Sicht, es ist abends, ich bin muede, es regnet, es ist kalt, drum werfe ich mich auf die Pritsche (in der Mitte fehlen leider die Holzplanken, dum haenge ich durch), wickele mich in vier Wolldecken ein und gebe mich der Nachtruhe hin. Zwei Stunden spaeter fliegt die Tuer auf, und herein kommt: Mein guter Kollege, namens Alex Santiago und aus ist es mit der Nachtruhe. „Boah ey, gut, dass ich wieder hier bin, letzte Nacht musste ich in Santa Clara in einem Schuppen pennen, der war voll mit Ratten, staendig bin ich aufgewacht, weil mir wieder eine ueber den Bauch gerannt ist.“ „Hm! Gibts hier auch Ratten?“ „Tuellich, aber nicht so viele, die meisten hab ich schon erlegt. Und weisst Du, warum ich nicht in dem Bett (Anm.: welches Bett? ) penne? Weil die Matratze voll ist mit Kakerlaken und Spinnen und Bettwanzen.“Hm! Aus ists, mit der Nachtruhe...“...in San Borja, im Dschungel, da ist alles besser, da gibt es wenigstens Krokodile und Schlangen zu essen...“ (Wovon redet der Mann?) „...und da gibts noch die richtig vernuenftigen Scharmanen...“Ein Laberflash...  „...die haben mich fast gegessen. Die Scharmanen in San Borja sind naemlich Kannibalen. Erst haben sie uns so einen geilen Drink verabreicht, von dem kann man volle Pulle entspannen, und gerad als ich so richtig schoen wegdoese, meint mein ortskundiger Companero, es ist an der Zeit zu gehen, und ich frage warum, und er sagt, sie wollen Dich jetzt einschlaefern, und ich frage warum und er sagt, weil sie dich essen wollen, das machen sie hier in der Regel so, und dann sind wir also gegangen..Aber ich sag Dir, wenn wir zwei naechste Woche nach San Borja fahren, das wird ein Heidenspass“ Nun gut. Es geht noch ca. 2 Stunden so weiter. Ich schalte ab und denke an Honig. „Stefanie, schlaefst Du?“ JA! Nachts traeume ich von Ratten, die Schnuersenkel und Menschen fressen. Ausserdem von einer kalten Dusche.

 

 

Das Glueck ist uebrigens mit uns, in unserem „Dorf“ gibt es gelegentlich Strom und gelegentlich auch Wasser. Und es kommt noch besser: Es gibt eine Dorftoilette / Kloakegrube UND eine Dorfdusche, aus der gelegentlich Wasser kommt, gelegentlich sogar ansatzweise lauwarm (gelegentlich auch markerschuetternd frostig). Ich bin also zuversichtlich und freue mich auf den Honig.

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Das Leben als Hostel-Marketingbeauftragter. Und: Das bolivianische Nationalgetraenk

Man schnorrt sich hier so durch die Tage. Auf Kosten des fuerchterlichen abfuck Adventure Brew Hostels haben der Kolumbianer und ich uns eine gute Nacht in einem Privatzimmer der Konkurrenz gegoennt, und Bar und Essen getestet. Wirklich ein Knochenjob, den hat man als Hostel-Marketingbeauftragter. Des Abends tun wir auf einem etwas verloren gegangenen Strassenfest in einer schummrigen Seitenstrasse literweise Te con Te fuer 1,50 Bolivianos pro Glas auf, also umgerechnet 20 cent. Das ist doch mal was. Lange schon hatte uns die Frage nach dem bolivianischen Nationalgetraenk gequaelt, denn eins ist klar, Pisco Sour ist es auf jeden Fall nicht (verwaessertes Zuckerwasser niedrigster Qualitaet, keineswegs vergleichbar mit der peruanischen Geschmackssensation, wie man es gewohnt in den guten alten Zeiten jenseits der Grenze gewohnt war). Rum gibts hier auch keinen, nicht mal Chicha, und auch ansonsten ist alkoholtechnisch hier nicht viel zu holen (essenstechnisch uebrigens auch nicht, mal abgesehen von Reis mit Kartoffeln und Ei, oder Ei mit Kartoffeln und Reis, oder aber Kartoffeln mit Ei und Reis, manchmal mit einem gruenen Salatblatt garniert, achso, und Pollo natuerlich, in jeglicher Varation, manchmal auch Gallina genannt, hab bis heute nicht rausfinden koennen, was da der Unterschied sein soll). Nun aber der Te con Te, eine recht simple, aber brauchbare Mische aus heissem Wasser, Zimt, Zucker und Singani (ungefaer sowas, wie der bolivianische Pisco, nur etwas billiger in Preis und Geschmack), damit laesst sich auf jeden Fall leben. Wir goennen uns 3-4 Glaeschen und wanken zufrieden zu Bett, stets in der Hoffnung, dass es morgen waermer ist als heute.

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Kampf fuer die Gerechtigkeit

“Better something to do than nothing to do” lautet das alte Junglemotto, drum bin ich nun Marketingbeauftragte fuer Menschenschmuggel, Zwangsprostitution, Versklavung, physische und sexuelle Gewalt, humanitaere Ausbeutung, Mangelernaehrung der Campesinos und organisierte Kriminalitaet. Selbstredend kaempfe ich auf der guten Seite, habe bei einer alt eingesessenen NGO angeheuert und teile mir mein schummriges Buero mit einer zynisch deillusionierten Menschenrechtsanwaeltin, die die Todesstrafe wieder einfuehren will und nicht versteht, wie sich diese bekloppte idee der Pflichtverteidigung etablieren konnte. Schaetze, sie hat schon mehr gesehen, als ich, ich bin da ja immer noch recht liberal und moderat und erwidere also meistens sowas wie „ja, aber...“. Nun gut, wie ich mit meinen laecherlichen Spanischkenntnissen professionelle Pressetexte verfassen will, das weiss der Geier, und der haengt bekannter Massen in Lima ab. Bin allerdings (wie immer) zuversichtlich, und wie der Volksmund zu sagen pflegt:“Ein Bild sagt mehr, als 1000 Worte“, drum werde ich bei oralen Defiziten einfach ein paar irre Bilder knipsen und das Problem duerfte geloest sein. Nachdem ich heute 6 Stunden damit verbracht habe, mir eine wissenschaftliche Abhandlung zum Thema Menschenhandel reinzupfeifen, droehnt mein Schaedel (kleineres Uebel), und sehe ich an jeder Ecke Schmuggler (groesseres Uebel), die besonders gerne in Busbahnhoefen, billigen Hostels (gut, dass ich in der muffigen Jauchegrube namens „Cactus“ nur eine Nacht verbracht habe), Maerkten, Strassenfesten, und Diskos rumlungern. Beruhigender Weise, gehoere ich jedoch nicht zur Zielgruppe, wie ich heute ebenfalls gelernt habe. Auch wenn wir schon in diversen Themen ziemlich aktiv sind, an der Wasserproblematik koennen wir leider auch nichts aendern, das ist nach wievor knapp und wenn es denn mal welches gibt, ist es kalt. Die Luft ist auch kalt, das morgendliche Duschen also nichts fuer Weicheier (aber wie wir alle wissen, habe ich schon Heftigeres durchgemacht, ich erinnere an meine Zeit in der Hoehle auf der thailaendischen Todesinsel, da war es schliesslich auch nicht unbedingt warm). Was geht sonst so in La Paz? Eins muss klar gesagt werden, es liegt zu hoch! Fuer Menschen von See ist das ein klarer Minuspunkt bei Minusgraden, die Akklimatisierung faellt schwer (werd mir von den Hexen wohl mal ein Wundermittelchen gegen die Hoehe besorgen), nach vollrichteter Arbeit, werd ich mich wieder an den Abstieg machen, und mir einen sonnigen Job an der peruanischen Pazifikkueste suchen. Hab mir noch eine weitere Schicht zugelegt, eine gruene Alpakkerwollkapuzenjacke (9,- Euro, kannste nicht meckern), die ich nun taeglich und naechtlich trage. Der Strassenverkehr wird von schwarz weiss gestreiften Zebras geregelt. Ich habe meine Bankkarte verloren – zugegebener Massen Selbstverschulden. Das Brot ist besser, als in Peru. Die Kartoffelauswahl ist vergleichsweise duerftig (nur die Ruhe, die Kartoffelstory kommt noch). Ansonsten mag ich die Bolivianer irgendwie. Wie es der Zufall will, ist der Kolumbianer mittlerweile ebenfalls Marketingbeauftragter, allerdings in einem von hedonistischen Parasiten befallenen Partysauffickhostel, nichts fuer meine Nerven, deshalb weigere ich mich auch, dort miteinzuziehen. Um die Konkurrenz auszuspionieren, kriegt er allerdings ein paar Naechte in den umliegenden Herbergen spendiert, da bin ich dann wohl dabei. Um uns warm zu halten, spielen wir jede Menge Ping Pong und goennen uns immer mal wieder eine gute warme Mahlzeit. Das Trinken hab ich auf Grund hoehenbedinger Magenprobleme vorerst an den Nagel gehaengt (kein grosser Verlust, gibt hier keinen Pisco Sour und auch sonst nichts Erwaehnenswertes). Ach so, in meinem Buero gibts uebrigens einen – haltet Euch fest – H.E.I.Z.O.F.E.N. Soweit die Nachrichten.

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Im Taxi. Oder: Grosser Spass in La Paz

Am Stadteingang wacht eine riesige Che Guevara Statue aus Altmetall. Den haben sie ja nun leider hier abgeknallt, jetzt gibt es ihn also nur noch aus Schrott. Es herrscht ein Verkehr, der einem Magenschmerzen bereitet. Und die Hupen! (wuensche mich zurueck nach Lima, wo Hupen verboten war). Am Strassenrand tummeln sich dicke bunte Indiofrauen mit Zylinder (oder wie man das hier nennt) und langen Zoepfen, die grummelig drauf sind. Eine Frau schleift einen weggetretenen Obdachlosen aus dem Strassengraben. Alte Maenner lesen die Zukunft auf Kokablaettern und indigene Hexen verticken getrocknete Lamafoeten und andere Zaubermittel, die man eben so braucht, fuer schwarze Magie.

Meine ersten drei Stunden in La Paz verbringe ich auf dem Ruecksitz eines vergreisten Taxis hinter dessen Steuer ein vergreister Fahrer sitzt. „Wohin?“ „3600 Hostal.“ Leider ist der Greis schwerhoerig, senil und orientierungslos. Weil er zahnlos ist, nuschelt er so schrecklich, dass ich ihn wirklich nur gaaanz schlecht verstehen kann. „hjksdihfnjkggrmm“ Hä? „djkajmdsbgpfff“ Ja, nee, keine Ahnung, wo das ist. Avenida Ecuador steht hier. Nummer 1982. Ecke Calle J.J. Perez.

Nach 45 Minuten Fahrt: „grmmppp“ Hä? „bmmmpf“ Nee, wir wollen nicht zur Calle Perez, Nr. 3600, wir wollen zum Hostal 3600, Avenida Ecuador. „mmkjdkfm“ Nein, ich weiss nicht, wo das ist.

Wir fahren ein paar Runden im Kreis. Der Verkehr macht mir Magenschmerzen. Und die Hupen! „ooompf“ Hä? „In Avenida Ecuador gibts keine Nr. 3600.“ Senor! Es ist so: Wir wollen nicht zur Nummer 3600, wir wollen zur Nummer 1982. Der Name des Hostals lautet „3600“.

Wir fahren ein paar Runden im Kreis. Die Hupen! Die Hupen! „mmmooppfm“ Hä? Nein senor, wieso denn nun Avenida 20 de Octubre? (Wie kommt der denn jetzt auf Avenida 20 de Octubre?!) Nein. Nicht Nr 1982, Avenida 20 de Octubre. Nr. 1982 Avenida Ecuador, Hostal „3600“. „ddddmmmpp“ Hä? Doch. Das Hostal gibt es. War gestern noch auf der Homepage.

Wir fahren ein paar Runden im Kreis. Ich flipp gleich aus. „Senor. Wie waer’s, wenn wir einfach mal jemanden fragen, wo das ist.“ Der Greis kurbelt die Scheibe runter und fragt einen besoffenen Penner am Strassenrand. Der hat keine Ahnung. „Gibt kein Hostal.“ Der Greis nickt wissend: „Sag ich doch!“ Doch.Das.Hostal.Gibt.Es. Wir fahren ein paar Runden im Kreis. Von diesem Gekreisel ist mir schlecht und schwindelig. Ich weiss kaum noch, wo oben und unten ist. Und die Hupen! Es ist so furchtbar fuerchterlich. „Mein lieber Mann, es bringt doch wirklich nichts, wenn wir nochmal 3 Stunden ohne Ziel durch die Gegend kreiseln. Funk doch mal die Taxizentrale an und frag die.“ „gtuuumpl“ „Mach schon!“ Er gehorcht: „Hallo! Ich hab hier eine voellig verwirrte Auslaenderin im Wagen, die kommt mit den spanischen Zahlen nicht klar, deshalb wissen wir nicht, wo wir hin muessen.“ Ist es zu fassen?! „...Ja, Hostal 1982, Calle J.J. Perez.“ Ist es nicht!!! „...Ja, ich sag ja, es gibt kein Hostal 1982...“ FREUNDCHEN! Ich bin kurz vor dem Nervenzusammenbruch. Von hinten groehle ich (in der Hoffnung, dass die Frau aus der Taxizentrale es hoert): „HOSTAL 3600! DAS.IST.DER.NAME. Die ADRESSE LAUTET: Avenida Ecuador 1982!!!! Ecke Calle J.J. Perez!!!“ Der Funkkontakt bricht zusammen. Wir fahren eine weitere Stunde im Kreis. Der Taxifahrer ist kurz vor dem Heulen und ich auch. Dieses elende Schicksal schweisst irgendwie zusammen. „BITTE...“ kraechze ich (mir ist schwindelig und schlecht und ich habe Durst und Hunger & halte dieses Gehupe nicht aus, „...bitte versuchs doch nochmal mit der Taxizentrale...“ Es geht noch eine Weile so weiter, letzten Endes, nachdem ich bereits den letzten Hoffnungsschimmer in einem tiefen schwarzen Loch begraben hatte (/auf dem Scheiterhaufen verbrannt hatte) erreichen wir unter strikter Funkanleitung durch die Dame aus der Taxizentrale das Ziel. Hostal 3600. Avenida Ecuador, Nr. 1982. Ecke J.J. Perez. MEINE HERREN.

 

Wenig spaeter holt mich der Kolumbianer ab, dank dem ich ja nun hier gelandet bin (er war zwischenzeitlich davon ausgegangen, dass ich einen Buscrash u.ae. hatte). Nee, nee, war nur der Taxifahrer und so naja egal. Wir zelebrieren die Wiedervereinigung in einer Pizzeria mit einer Flasche spottbilligem bolivianischen Weisswein, der so auf die Schnell erstaunlich gut runter geht. Das Erwachen am naechsten Morgen allerdings ist ein Inferno. Doch dann wird alles besser. Aber vorher berichte ich dann noch von der Kartoffel. Und von meinen Abenteuern auf der Isla del Sol. Und vom Dorf des Schreckens.

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Im Dorf des Schreckens

Im Bus auf dem Weg nach La Paz. Wir fahren durch das Dorf des Schreckens. Staubige Schotterstrassen. Halbfertige oder halb abgerissene Ruinen. Schutt, Muell und Schlagloecher. „Se vende este lote (Haus zu verkaufen)“-Schilder tapezieren abgefuckte Aussenwaende eingefallener Bruchbuden. Farblos. Ausgestorben. Tot. Leergefegt. Rechts von uns am Laternenpfahl baumelt eine aufgeknuepfte Stoffleiche ohne Kopf. „Ladron Pillado sera quemado vivo (den Schurken Pillado vebrennen wir bei lebendigem Leibe)“. Links von uns zeigt der personal Guide eines versnobbten, in die Jahre gekommenen, Touriehepaars aus den USA auf den schneebedeckten Gipfel eines kilometerhohen Andenriesens. Seine weissen Haare sind zurueckgegelt, Siegelring und Segelschuhe. Hilfiger-Shirt, Ray Ban Sonnenbrille. Er ist einer von der Sorte, der alles weiss und nichts rafft. Allwissend nickt er seiner Frau zu. Sonnenbrille, Perlenkette, legere Treckingshorts, schiesst ein Bergfoto mit dem Iphone. Ein Hund wuehlt im Muell. Auf der Mauer: „Personas suspechos seran linchados (verdaechtige Personen werden gelyncht).“ In Grossbuchstaben ist der Weg zum Scheiterhaufen aufgezeichnet HORNO CALIENTE 24 HRS – 24 Stunden taeglich im Betrieb. Wir kriechen durch die metertiefen Schlagloecher. Die Strassen sind menschenleer. Eine Geisterstadt. Eine Hoellenstadt. Die Marktstaende verriegelt, bis auf einen. Eine eingefallene halbtote Frau verkauft Blumen. Fuer die Bestattungen nehm ich an. Muellberge, Schrott und Dreck „PROHIBIDO BOTA BASURA (Vermuellung verboten)“. „PAREJAS SUSPECHOS SERAN QUEMADO VIVO (Verdaechtige Paare werden lebendig abgefackelt)“. Eine weitere Message der „VECINAS ALERTAS“ – auch hier gibt es „besorgte Nachbarn“. Rechts gehts zum Scheiterhaufen. Links gehts zum Scheiterhaufen. Geradeaus gehts zum Scheiterhaufen. In der Stadt herrscht Gasmangel. „GAS IST EIN MENSCHENRECHT“ in blutrot. Wir fahren am Palacio del Pescado vorbei. Keinen Schimmer, wo der Fischpalast seinen Fisch herkriegt. Aus ausgetrockneten Staubpfuetzen. Ein besorgter Nachbar liefert sich eine steinerne Strassenschlacht mit einem Rudel abgefuckter Killermaschinen. Ein anderer erwuergt einen Hund. Rechts haengt noch eine aufgeknuepfte Stoffleiche. Darunter spielt ein Kind im Dreck. „LADRON PILLADO SERA LINCHADO“. Auf 3 Metern 3 Beerdigungsinstitute. Ein steinerner Kondor wird von herunterhaengenden Stromkabeln erwuergt. Die Touris im Bus unterhalten sich ueber Treckingadventures und kauen Schokoriegel.

 

La Paz – Friede sei mit Dir.

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Bolly Bally Bolivien

Ich bin auf dem Weg nach Bolivien. Irre, ne?! Wollt ich ja eigentlich nie hin. Den Bus nach Copacabana hab ich allerdings verpasst, deshalb hab ich auf einen kleinen Minivan umgesattelt (gute Entscheidung, mega billig und neben mir sitzen ein paar gelbe quietschende Entenkueken), keine Ahnung allerdings, wo der ueberhaupt so genau hinfaehrt. Nach Copacabana auf jeden Fall nicht, beim Einstieg hat man irgendwas von Grenze gekreischt, das klingt schon mal ganz gut. Ich gehe davon aus, dass die Richtung schon irgendwie stimmen wird. Nach 2,5 Stunden halten wir an einem kleinen, mir unbekannten Fleckchen Erde, ein trockenes Doerflein, irgendwo in der Steppe, in der Naehe des Titikaka Sees. Endstation! Austeigen! Hm. Wo sind wir? Das sieht mir hier irgendwie echt gar nicht so sehr nach Grenze aus. „Aeh sorry, wo ist denn hier die Grenze?“ „Welche Grenze?“ „Grenze nach Bolivien (zum Beispiel)?“ „Hier ist keine Grenze.“ Ok...

Ich versuchs nochmal beim Fahrer eines Mototaxis. Tatsaechlich gibt es erfreulicher Weise sehr wohl eine Grenze und zwar nur 4km entfernt, er ist so nett und faehrt mich hin. Der Grenzuebertritt verlaeuft reibungslos (mal abgesehen davon, dass ich stolpere und mit dem 20kg Rucksack auf die Schnauze falle – mega peinlich, vor allem das Aufstehen ist komplett aetzend, mit dem aetzenden Sack auf dem Ruecken), und keine zwei Stunden spaeter befinde ich mich in einem bolivianischen Minivan auf bolivianischen Strassen in Richtung Copacabana – bolivianisches Ufer des Titikaka Sees. Auf dem Weg seh ich ein paar Schafe, die Staub grasen und eine Lama-Esel Mischung – mit Abstand das Bekloppteste, was mir je unter gekommen ist. Andere Laender und andere Sitten...Und letztendlich zaehlt ja schliesslich auch nur eins: Jippie jo, jippie yeah, ich bin in Bolivien!!!

 

Achso, die Sache mit den Kartoffeln erzaehl ich Euch beim naechsten Mal. Oder beim uebernaechsten.

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Wendepunkt. Oder: Regen bringt Segen

Und als ich schon denke, der Tag ist verloren, was so aetzend anfaengt, geht in der Regel aetzend weiter, da kommt so ganz ueberraschend unangekuendigt der erste Lichtblick: Im Bus stelle ich fest, dass mir fuer meinen Aufenthalt in meinem spirituellen Luftschloesschen pro Nacht offensichtlich nur 30 statt 40 Soles berechnet wurden, womit dieses der billigste und zeitgleich mit Abstand luxurioeseste Aufenthalt wurde, den ich bisher in meinem Reiseregister hab verzeichnen koennen.

Hinzukommt, dass ich der Koechin noch eines meiner schmucken leuchtend grellen Armbaender fuer ihren Ehemann hab andrehen koennen, macht das Ganze nochmal ne Runde ökonomischer. Jippi jo jippi yeah, so schoepfe ich also neue positive Energie, und beschliesse, dem Tag noch eine Chance zu geben. Waehrend der Busfahrt singe ich ein bisschen Cumbia und ein bisschen Reggaeton – je nachdem, was der Ipod gerade so hergibt, und siehe da, beim Verlassen des Busses berechnet man mir statt der erwartetetn 7 Soles nur 4. Wo ich ja nun in so kurzer Zeit so unheimlich viel Geld gespart habe, beschliesse ich mir zurueck in Cusco ein Taxi zum Hostal zu goennen. Vor mir haelt ein schrumplig vernarbetes Auto, am Steuer ein schrumplig vernarbter Fahrer, der folgendes bruellt: „Senora! Taxi?“ „Wie teuer zum Flying Dog?“ „4 Soles“ 4 Soles!!! Das ist mit Abstand das billigste, was ich in Cusco je fuer eine Taxifahrt bezahlt habe! Ich steige ein, und denke, wie bescheuert bin ich eigentlich, das ist hier natuerlich kein offizielles Taxi und der raubt Dich natuerlich gleich aus, die 4 Soles waren natuerlich ein Fangpreis. Und waehrend ich noch am ueberlegen bin, wie ich mich im Ernstfall am besten mit meinen zwei Taschen und dem 20 Kg Rucksack aus dem Winzfenster des fahrenden Taxis werfen kann, halten wir auch schon vor dem Flying Dog, wo – oh Wunder – mein Stammbett frei ist, und nicht nur das, nein, ich habe den gesamten Dorm fuer mich alleine.

Mittlerweile ist meine Stimmung Bombe, und es wird noch besser. Ich frage ganz vorsichtig bei meiner Stammwaecherei um die Ecke nach, ob es wohl vielleicht IRGENDWIE moeglich waere, heute noch vier Kilo Waesche von mir zu waschen, so dass alles heut abend fertig und trocken und blitzeblank ist. Ich habe naemlich echt gar nichts mehr zum Anziehen, erst recht keine Hosen, keine Pullover und Socken sowieso nicht (letztes Mal hatte mir der gute Mann erfreulicher Weise ein Paar fremde braune Socken zuviel mit rausgegeben, und selbst DIE sind mittlerweile dreckig). Und siehe da: No Problem. Vollkommen beschwingte flattere ich im Rausch des Gluecks hinab zum Busterminal, um mir fuer morgen frueh ein Ticket nach Puno zu kaufen, ich will naemlich zum Lake Titikaka, um mich mit eigenen Augen davon zu ueberzeugen, wie es damals zuging, als der alte weise Inkasonnengott seine heiligen Soehne nach unten auf die vertrocknete Erde geschickt hat, um die vertrocknete Menschheit zu retten. Liegt ausserdem auf dem Weg nach La Paz, wo der Kolumbianer auf mich wartet (Anm. wie mir zugetragen wurde, gibt es in La Paz allerdings seit geraumer Zeit kein Wasser, will heissen, man kann auch nicht Duschen, das macht das ganze natuerlich etwas weniger attraktiv). Auf dem Weg zum Busterminal gehe ich natuerlich davon aus, dass ich ueberfallen werde, denn meine Glueckstraehne kommt mir schon recht seltsam ungewohnt vor. Und siehe da, ich werde NICHT ueberfallen, und obendrein kostet die Busfahrt auch noch 30 Soles weniger, als erwartet, ich ergattere den letzten freien Sitzplatz und zwar im ersten Stock, erste Reihe, Fenster, und obendrein erwische ich auch noch einen Luxusbus mit Liegesitzen, DVD und Toilette. Drum goenne ich mir erneut ein Taxi zurueck zum Markt, wo ich zu Essen gedenke, und wie sollte es anders sein, erneut wird mir ein laeppischer Spottpreis berechnet. So kanns weitergehen, denk ich mir, und es geht: Auf dem Markt erspaehe ich Aji de Gallina (wollt ich schon immer mal probieren) fuer laeppische 5 Soles. Natuerlich rappelvoll, der Stand, drum setze ich mich brav in die zweite Reihe ohne Tische, aber nein, man winkt mich nach vorne in die Luxusreihe, wo gerade ein Platz freigeworden ist. Mit prall gefuelltem Magen und prall gefuelltem Geldbeutel walze ich zurueck zum Hostel, wo mir die Putzfrau, die ich seit einer ausgiebigen Runde Chicha am Nachmittag in vergangenen Zeiten zu meinen guten peruanischen Freunden zaehle, freudig mitteilt, dass sie mir spaeter noch eine gute Pulle guten peruanischen Joghurt vorbeibringen wird, damit ich morgen gutes Fruehstueck habe, denn ihr guter Mann, den ich mittlerweile ebenfalls zu meinen guten peruanischen Freunden zaehle, arbeitet naemlich in einer Joghurtfabrik.

Ich halte ein ausgiebiges Mittagsschlaefchen, und beschliesse vor dem Einschlafen, da ich ja nun foermlich im Geld schwimme, mir heut abend zum cusquenischen Abschied ein besonders grosses Glaeschen Pisco Sour zu goennen.

 

Das Nachmittagsfazit lautet:

 

„Regen bringt Segen“

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Der fruehe Vogel hat 'n Vogel

Es ist 7:00 Uhr morgens, und ich hab die leidige Beschaeftigung am Kragen in fliessbandmaessiger Manier eine Katze nach der anderen aus dem Salon zu schleifen, weil die kleinen Maedels aus Lima, die ebenfalls bereits wach sind, und ebenfalls bereits im Salon abhaengen, voellig unsinniger Weise eine heiden Angst vor Katzen haben „Senora, por favor, kannst Du bitte die Katze rausschmeissen“ (und ich versuche eigentlich nur in aller Ruhe einen Instant Kafffee zu schluerfen). Das frustrierende an dem Job ist, dass immer dann, wenn ich die Tuer oeffne, um eine Katze rauszuwerfen, eine neue reinkommt. Und beachtlich ist, dass sie von Mal zu Mal fetter werden, und mit zunehmender Fettleibigkeit auch widerborstiger, und als wir bei der 5. Katze angelangt sind, ist diese mittlerweise so fett, dass ich sie nicht mehr mit einem Arm hochwuchten kann. Die Maedels fragen mich, wieviele Katzen es hier eigentlich gibt, und ich sage, offensichtlich viele und offensichtlich zu viele zu fette Katzen. Mein Kaffee ist kalt. Und ich hab keine besonders super gute Laune.

Der Morgen geht nicht besonders super gut weiter, denn kaum etwas ist schlimmer, als um 7:30 Uhr auf 3000m Hoehe mit 20 kg Gepaeck auf dem Ruecken steil bergauf zum 3 km entfernten Busterminal zu roecheln, weil natuerlich genau dann, wenn man es ausnahmensweise mal gebrauchen koennte KEIN hupendes Mototaxi vorbeikommt. Ja, allein das ist schon schlimm, aber schlimmer geht immer, naemlich dann, wenn es die gesamte letzte Nacht zum ersten Mal seit drei Wochen durchgeregnet hat (und zwar aus Kuebeln – besonders grossen), und Du mit Deinen Flipflops mit jedem zweiten Schritt in knietiefen Schlammloechern steckenbleibst und Deine allerletzte saubere Hose von oben bis unten mit schlammig braunen Sprenkeln besprenkelt wird (und Du weisst, dass Du mit 90 Prozentiger Wahrscheinlichkeit in den naechsten 3 Tagen keine Waschgelegenheit auftreiben wirst). UND Du dann auf dem Weg noch von einer Hand voll aggressiver Killermaschinen/Hunden attackiert wirst, die es besonders geil finden, dass Du zu voll beladen bist, um Dich zu wehren. Und wenn DANN noch eine Ladung dicklicher Indiofrauen auf der grosszuegigen Ladeflaeche eines Andenmoppeds an Dir vorbeirauschen, Dir froehlich zuwinken und Dir ein „MORGEN, WIE GEHTS“ zutraellern. Dummer Frage. Wie solls schon gehen. Mehr schlecht, als recht natuerlich, aber gute Fahrt Euch!

Fazit des Morgens:

 

Sport ist Mord.

Besonders schlimm bei duenner Luft

 

Da verpufft der letzte Schuft, 

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Aufstieg und Abstieg

Ich bin mal wieder auf dem Weg bergauf. In der Regel ist es naemlich so: Je hoeher Du steigst, desto tiefer Du faellst. Nein. Diese Floskel mein ich in diesem Fall natuerlich nicht. In der Regel ist es naemlich so: Je hoeher Du steigst, desto besser die Aussicht, desto unberuehrter Pachamama, desto heller die Erleuchtung und desto besser der Fund. Jeglicher Art. Auf diesem Aufstieg z.B. finde ich: jede Menge dicke wollerne Alpackas, jede Menge dicke pelzerne Steine, die mit so einer ueppigen flauschigen Moosschicht ueberzogen sind, dass man gar nicht so genau weiss, ob es nun Steine sind, oder Schafe oder Lamas. Des weiteren kreuzt ein friedliches Einhorn meinen Pilgerpfad. Bei Zeiten bin ich umgeben von dicken schweren Nebelschleiern, die sich wie ein undurchlaessiger Schleier ueber die Bergwipfel legen und Dir den Weg leiten, in das Reich der Berggeister und der viereckigen Eier. Ausser des Rauschen des Flusses umgibt Dich eine dumpfe, allumfassende Stille. Ich passiere steinerne Bruecken, die mich ueber steinerne Fluesse fuehren, in denen steinerne Fische schwimmen. Jahrtausend alte Inkaruinen, heisse Termalquellen mit weichem Wasser und einer Wassertemperatur von 43 Grad. Dann treffe ich auf eine Horde wildgewordener Wildschweine, eine Sau mit 5 Frischlingen (immer heikel) und zwei aggressive Eber, die sich gerade eine blutruenstige Schlacht liefern und voellig unkontrolliert von rechts nach links nach rechts taumeln und mich dabei unsanft anrempeln, was ich ehrlich gesagt nicht so gut finde. Auf 4300m Hoehe lichtet sich der Nebel. An einem friedlich plaetschernden Flusslauf lege ich eine friedliche Pause ein und verzehre meinen Proviant: Eine staubtrockene Kaese Empanada (frag mich, wo da der Kaese sein soll!). Ueber mir flattern bunt grelle Kolibris, und es ist gut zu wissen, dass es hier oben in den Anden so friedlich zugeht, und man sich vor keinerlei boesen Raubtieren fuerchten muss, ausser vllt. vor dem Eloria Noyesi. Da es noch erfreulich frueh ist, genehmige ich mir ein kleines Nickerchen auf dem knallgruenen Gras am Flussufer. Alles ruhig, bis ich von einem schrillen Pfeifton geweckt werde. Was denn das denn? Ein Wandertrueppchen! Bestehend aus 5 peruanischen Guides und 5 amerikanischen Touristen. „AMIGACITA!!! Was machst Du hier??“ Schlafen, was sonst?! „Alleine???“ Ja, wonach siehts denn aus? „Wo willst Du denn hin???“ Nach oben. „Zum Himmel???“ Nee, zum Mond. „WOW!!! Woher kennst Du den Weg???“ Bergauf halt. „WOW!!! Eres GUERILLA!!!“ Jo, tuellich. Zu meinem Leidwesen sieht es danach aus, dass das Trueppchen hier seine Mittagspause einlegen will, ich deute das als Zeichen, dass es an der Zeit ist, meinen Treck fortzusetzen. „OK! Guten Aufstieg!!! Pass auf die Pumas auf.“ Pumas??!! Pumas!!! Hier gibt’s Pumas??? Aus ists mit der kolibribunten Idylle...Pumas. Na geil. Das ist natuerlich aetzend. Ich krame das schweizer Taschenmesser aus meinem Beutel und trage es fortan in der Faust. Das Dumme an Messern ist, dass es im Falle eines Kampfes unvermeidlich auf einen Nahkampf hinauslaeuft, und da muss man sich dann wiederum fragen, ob ich dem Puma die Kehle durchschlitzen kann, bevor er mir die Kehle durchbeisst. Tatsaechlich begegne ich auf dem Weg KEINEM Puma, finde stattdessen vier einsame Lehmhuetten, die sich entlang des Flusslaufes aufreihen, und ich kann es nicht fassen, dass es nach vier Stunden Nebel und vier Stunden einsamer Wanderung auf steinernen einsamen Bergpfaden (mal abgesehen von dem Wandertrueppchen) hier oben tatsaechlich sowas aehnliches wie Zivilisation gibt. Ich passiere die Siedlung und finde wilde mystische einsame Wasserfaelle und denke mal wieder: Das ist das Krasseste, was ich je gesehen hab!

 

 

Auf dem Rueckweg treffe ich erneut auf einem Splitterpart des Treckingtrueppchens (2 der Guides, um genau zu sein). „Amiga! Wie wars da oben???“ Gut. „Was gibts denn da?“ Kleines Dorf, kleiner Wasserfall. „Und das hellbraune da oben, ist das der Pfad?“ Das? Ja. Sach mal, warum fragst Du? Solltest Du doch wissen, so als Guide, oder? „Nee. Bin zum ersten Mal hier.“ Soviel also zur Qualifizierung der peruanischen Andenguides. Anschliessend versucht er mich zu ueberzeugen, dass ich Quetchuan lernen muss. Mit Sicherheit nicht! Mir reichts mit dem ganzen Sprachenwirrwarr. Ein zweiter socalled „Guide“ gesellt sich zu uns. „Wo kommst Du her, Guerilla?“ Hamburg. Drum nennt man mich auch Hamburger. „Ah, a mi me gusta comer las hamburguesas – ich esse gerne Hamburger!“ Gut. Was will man erwarten...Schliesslich sind wir in Lateinamerika...Der Abstieg verlaeuft sutsche und unspektakulaer.

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Zurueck in Urubamba

Bin wieder in Urubamba. Zu meinem Leidwesen ist der zapplige Stinkende immer noch da. Die Wiedersehensfreude beruht auf Gegenseitigkeit. Wir wechseln folgende Worte: "Hallo." "Tschuess." Morgen droht uns eine russische Invasion, die unter anderem auch mein bescheidenes Bett zu erobern gedenkt. Weshalb ich mich nach einem neuen Schlafplatz umsehen muss. Das ist Mist. Ich versuchs mal beim Nachbarn. Der betreibt eine esoterische Luxusherberge, eine spirituelle Oase mit hauseigener Meditationspyramide. Die Baeume sind keine Baeume, sondern die hoelzernen Nachfahren echter alter Inkagoetter, die Dios Sol vor geraumer Zeit runter zu Pachamama gesendet hat, auf dass sie wandelnden Esoterikern Erleuchtung bringen moegen. Ich stelle gleich erstmal klar, dass ich mehr als 10 Euro pro Nacht KEINSTEN Falls zahlen kann. Die Rezeptionistin schlaegt 20 vor. Minimum. Ich sage 10. Maximum. Und der Deal steht. Ich darf ab sofort ein geraeumiges Luxuszimmer mein Eigen nennen, mit grossem Bett und eigenem Badezimmer UND heiss Wasser. Fruehstueck inklusive. Geiler Deal! Ich pilgere runter zum Dorf und ziehe einen alten Greis im Schach ab und schluerfe Chicha. Mit einer netten Familie aus Lima lasse ich den Tag am Lagerfeuer ausklingen. Abends im Bett hoffe ich, dass ich den stinkenden Zappler niemals wiedersehen muss. Die Sache mit der Kartoffel erzaehl ich Euch dann morgen. Oder wann auch immer.

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KOKA

Mein neuestes Steckenpferd lautet: Koka. Ein wahres Wundergewaechs! Es foerdert die Geselligkeit, vertreibt Hoehenkrankheit und boese Geister, verhilft zu spiritueller Kommunikation mit den heiligen Geschoepfen der Anden, und wenn man ein waschechter Scharmane ist, kann man mit ausreichend Konsum sogar das Wetter beeinflussen. Dafuer bedarf es allerdings einiger Lehrjahre, die noch vor mir liegen. Aus Kokablaettern laesst sich die Zukunft lesen und hervorragender Schnappes herstellen. Man kann es pur geniessen, in Kekse einbacken, oder als Schokolade konsumieren. Ausserdem eignet es sich hervorragend zur Schaedeldeformation. Schmiert man sich den Kopf mit einer speziellen Kokacreme (Rezept nur den alten Inkascharmanen bekannt) ein, kann man seine Schaedeldecke richtig schoen verweichlichen und sich anschliessend so einen richtig schoenen Turmschaedel zurechtformen. Und weil Koka so ein irres Gewaechs ist, kaut es hier auch jedermann: Die heilige Jungfrau Maria, Mutter Erde Pachamama, Jesus, alte Inkagoetter, Campesinos und Scharmanen, Barefeet und noch viele andere. Wie zum Beispiel der Eloria Noyesi, ein kokogeiler Nachtfalter, wegen des uebermaessigen Konsums auch La Gringa Gringa genannt, ein Kokajunkie und natuerlicher Feind der Kokapflanze, der, wenn er so weiter macht wie bisher, die Kokabestaende in den hiesigen heiligen Landen in wenigen Jahren zu nichte machen wird (Randnotiz: Deshalb wird er uebrigens auch von der kolumbianischen Regierung gezuechtet, gezaehmt, dressiert und anschliessend dazu eingesetzt, die Kokaplantagen der kolumbianischen Drogenbosse im grossen Stil leerzufressen).

Und weil dieses mystische Wunderkraut hier so einen hohen Stellenwert einnimmt, werde ich Euch natuerlich auch nicht vorenthalten, wo es ueberhaupt urspruenglich herkam. Das war naemlich so:

 

Vor langer langer Zeit (ca. 5050 ante Christi), da lebte die Goddess Coca – auch Cocomama genannt. Das war eine aeussert attraktive gruene Frau, die sich darauf spezialisiert hatte, die Maenner im gesamten Land zu verfuehren. Die Maenner verliebten sich reihenweise in sie, doch Cocomama war emotional unnahbar, niemandem gelang es, sie fuer sich zu erobern, sie hatte ein Herz aus Stein und ueberliess die Maenner nach dem vollzogenen Akt ihrem traurigen Schicksal, welches i.d.R. durch Suizid aus Liebeskummer gekennzeichnet war. Da befahlt der Koenig (der um den schrumpfenden Maennerbestand in der Gesellschaft besorgt war): Fangt mir dieses Luder, und zerhackt sie in Stuecke. Und tatsaechlich gelang es seinen Dienern Cocomama festzunehmen. Natuerlich verliebten sie sich ebenfalls allesamt in sie, weil sie einfach so unglaublich charmant war, der Scharfrichter ebenfalls. Doch der Koenig blieb hart, denn er wusste um die destruktive Kraft der gruenen Frau und so wurde sie letzen Endes in viele kleine Stuecke zerhackt, und ihre Leichenteile wurden querbeet im gesamten Land begraben. Zugebener Massen hatte sich der Koenig jedoch ebenfalls in sie verliebt, und sie erschien ihm jede Nacht in seinen Traeumen. Und dann, eines Tages, konnte man beobachten, wie dort, wo die Ueberreste von Cocomama begraben worden waren, kleine gruene Blaetter sprossen, die zu einer grossen gruenen, wundervollen, bis dato unbekannten Pflanze heranwuchsen. Und wie sich herausstellte, setzte der Konsum dieser Blaetter bei den Konsumenten wundersame Kraefte frei, was sich natuerlich schnell im ganzen Land herumsprach. Ein jeder im Land verfiel dem unnachahmlichen Genuss des gruenen Krauts, und so kam es also, dass das Kokablatt seit ehedem zu einem der wichtigsten Nahrungsmittel der peruanischen Andenbevoelkerung zaehlt. Neben der Kartoffel natuerlich. Aber wie die Kartoffel ihren Weg auf die Erde fand, das meine Lieben, das erzaehle ich Euch erst beim naechsten Mal.

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DER TAG AN DEM TRUMP GEWAEHLT WURDE

Um 7:00 Uhr erwache ich und noch ist alles gut. Es geht etwas bergab, als ich auf dem Weg zur Morgentoilette wie ueblich die Jauchekammer des stinkenden Erleuchteten (er schlaeft noch, Gracias a dios) durchqueren muss, aber davon lasse ich mich nicht erschuettern. Davon nicht. Es geht wieder etwas bergauf (bergauf, berab – merkt ihr selbst, die Metaphern sind stilsicher an die bergige Umgebung angepasst), als ich in der Kueche frisch gebrauten Kaffee abstauben kann. Und ab diesem Moment beginnt die Talfahrt („Talfahrt“!). Sechs kreischende Kinder zwischen 1 und 7 (seit gestern hat sich eine 5koepfige Familie aus Alaska in meinem friedlichen Adlerhorst eingenistet, sprich aus 3 -3 gehoeren zum Haus - werden 6 hektische Kleinwuechsige, die zwar nett, aber wirklich laut sind) jagen wie die Bekloppten durch den ueberschaubaren Raum. Ueber meine Fuesse rollt ein bunt bemaltes Bobbycar. Alejandro huepft im Spidermankostuem schreiend ueber das Sofa, das Baby heult, das Sofa kippt um, Alejandro heult, ich stolpere ueber den Blinden, der um meine Fuesse wackelt, ich verschuette meinen Kaffee. Das Baby heult. Durchatmen. Draussen wird alles besser. Wird es nicht. Auf der Suche nach einer sonnigen Sitzgelegenheit („careful kids, I have some coffee here“) kriege ich ein Fussballgeschoss in den Bauch, ich stolpere ueber den Blinden, der Lahme jault und pinkelt. Jackson schleudert das zweite Baby in einer maroden Haengematte wie einen Schleuderball durch die Luefte („careful, thats a bit to wild, Jackson“), Jackson verliert den Halt, und das Baby fliegt als Wurfgeschoss durch den Garten. Und kreischt. Und Jackson kriegt Hausarrest. Und heult. Spiderman und Tim bekriegen sich mit zusammengeklappten Klappstuehlen. Es ist 7:46 Uhr am Morgen. Kann es schlimmer werden? Es kann. Der stinkende Erleuchtete erscheint ueberdreht, zittrig und hektisch im grauen Trainingsanzug. „Congratulations for your new President!!!“ Trump. Ist. President. Kann nicht sein. Es kann. Micha greift sich eins der zahlreichen Babys und wirft es in die Luft („Aiigutschigutschi“). Yami stellen sich die Nackenhaare auf. Tim kreischt „what?“ Mama Alaska: „Yes my dear, that is the mean man I told you about. He is now our president.” Kann nicht sein. Ich reibe mir die Augen. Es kann. Alex aus dem Nachbarhaus erscheint auf der Bildflaeche. Er macht keinen guten Eindruck. Hey Alex, you already know what happened? „Yes...“ Es weiss es bereits seit 3:00 Uhr morgens, als Barefeet einen verzweifelten Schreckensschrei ausgestossen hat. Seitdem haben die zwei keinen Schlaf mehr gefunden. Mama Alaska berichtet, dass ueber nacht die Webseite des kanadischen Immigration Offices zusammengebrochen ist. Ich versuche nett zu Micha zu sein und sage (wie ein normaler Mensch):“ Wow. Thats the worst newz I have heard since...I dont know when“. Micha:”Oh well what do you expect. I mean, look whats going on in Europe. Look how Merkel is ruining the entire planet…” Excuse me, what? “...dragging all the terrorists into Europe...“ Excuse me, what? Micha, der Erleuchtete, das stinkende Stueck Scheisse, erlaeutert der Runde, dass es sich bei den Syrienfluechtlingen ausschliesslich um Terroristen handelt, die sich nach Europa schleusen, um den Kontinent zu vernichten, ich werde ausfallend und knalle meine Kaffeetasse auf den Erdboden. Und verschuette den letzten Tropfen Kaffee. Es ist 8:00 Uhr morgens. Und Zeit fuer ne Auszeit. Ich stopfe mein wichtigstes Hab und Gut in eine Plastiktuete, verstaue meinen Rucksack in Yamis Abstellkammer und mache mich voruebergehend auf den Weg nach Cusco (wo ein Kolumbianer – die Story kommt spaeter - und meine Englischklasse auf mich wartet). Im Bus zeigt mir mein Sitznachbar das Bild der weinenden Freiheitsstatue.

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Barfuss

Abends sitze ich mit Barefeet, Alex, dem Blinden und dem Lahmen auf dem nassen kalten Rasen und unterhalte mich ueber Hunde und Frauenrechte. Ab und zu kommt der stinkende Erleuchtete hektisch vorbeigeeilt, setzt sich, springt wieder auf und laesst einen Schwall daemlicher Kommentare auf uns herabrieseln, das Gras wird noch etwas feuchter. Barefeet hat den USA den Ruecken zugekehrt und hat sich mit seiner Frau und seinem Sohn Jackson in Yamis Nachbarhuette eingenistet. Er heisst Barefeet, weil er barfuss laeuft. Immer. Es gibt keinen besonderen Grund. In Urubamba leitet er seit 1,5 Jahren irgendein Ökobauprojekt. Alex ist ebenalls aus den USA und lebt ebenfalls in Yamis Nachbarhuette. Und er laeuft ebenfalls meistens barfuss. Allerdings nur meistens. Was Alex macht, hab ich nicht so richtig begriffen. Irgendwie ist oder war er Praktikant bei Barefeet, aber irgendwie ist er auch Paraglyder, man weiss es nicht so genau, aber es tut auch nichts zur Sache. Nett sind sie beide.

 

Barefeet kaut schmatzend einen Sack Kokablaetter und erzaehlt uns, wie er im Tschad einem Beschneidungsritual beiwohnen musste und in Indien Aufklaerungskampagnen zu Frauenrechten durchgefuehrt hat. Nachdem wir die die Tuete Kokablaetter und die verheerende Frauensituation in saemtlichen Kontinenten durchgekaut haben, wechseln wir das Thema. Hunde. Ich frage, ob die Hunde hier wirklich so aggressiv sind, wie sie aussehen. Sie sind. Barefeet erlaeutert, das liegt an den Haltern, womit er wohl nicht ganz unrecht hat. Er erzaehlt von einem schwarzen Hund aus der Nachbarschaft, der jeden Tag den 2km langen Marsch zu Barefeets Huette auf sich genommen hat, nur um etwas Liebe zu bekommen. Barefeet gab sie ihm, in Form von Streicheleinheiten, guten Worten und Fressen. Eines Tages kam der wahre Hundebesitzer mit einem Sack Kartoffeln bei Barefeet vorbei, entdeckte dort seinen schwarzen Hund, rastete aus und schleuderte ihn an der Leine durch die Luft, beim Aufprall brach sich der Schwarze das Genick, anschliessend zertruemmerte der Bauer dem Schwarzen den Schaedel mit einem Eisensparten. Barefeet hat den Hund in seinem Garten begraben und ist seitdem nicht mehr nett zu fremden Hunden. Betretenes Schweigen. Alex geht ins Bett. Ich auch. Barefeet auch.

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AUF WANDERSCHAFT

Ich sitze in der Sonne auf dem Sofa im Garten und produziere eine spirituelle Andenkette mit bunten Federn (geht bestimmt gut weg bei den ganzen Hippies hier). Sorgfaeltig neben mir habe ich eine Vielzahl kleiner verschieden farbener Samen aufgereiht, die ich nach und nach in die aufwendige Knuepfproduktion einzuflechten gedenke. Der Blinde kommt angewackelt, guckt mich an (oder tut zumindest so, denn er sieht ja nichts), ich denke: denk nicht mal dran und er springt mit einem Satz aufs Sofa, die sorgfaeltig zusammengesuchten Samen rollen in saemtliche Richtungen davon und sind weg. Der Blinde freut sich und wackelt mit dem Schwanz, ich scheuche ihn vom Sofa. Mir ist die Lust am Knuepfen fuers erste vergangen und deshalb mache ich mich auf, auf Wanderschaft in die mich umgebene Andenlandschaft. Mal checken, was die Gegend hier so hergibt. So einiges. Ich verzichte mal auf detaillierte Aufzeichnungen, guckt Euch die Fotos an, wenn es Euch interessiert.

Auf Wanderung schiessen mir jede Menge verrueckte Verse durchs Hirn, wie z.B.:

„In der Huette auf dem Berg,

wohnt ein indigener Zwerg,

der kennt sich auf mit Kraeuterkunde,

ich kehr ein zu spaeter Stunde,

ueber uns da laechelt leise

Mutter Mond, denn sie ist weise...“

Und so ein Quatsch...

Ich sammle nun uebrigens auch Gesteinsbrocken fuer meine Ketten, bin in der Steinkunde allerdings noch nicht sehr weit fortgeschritten, wenn man mich nach der Bedeutung fragt, sag ich meistens sowas wie „Kraft“ oder „Erdung“ oder „Schutz“. Das kommt immer gut an.

Dann folge ich einem verottetem Hinweisschild, dass bergauf zeigt und auf eine alte spirituelle Incaruinenstaette hinweist. Es geht bergauf. Und bergauf. Und bergauf. Ich roechele (liegt bestimmt an der Hoehe), nach drei Stunden denke ich, das kanns ja wohl nicht sein und verfluche die Incas fuer ihre bekloppte Bauweise in schwindelerregender Hoehe. Dann stolpere ich ueber einen alten Bierdeckel, auf dem ist ein Loewe aufgedruckt. Das ist ein klares Zeichen, das ich den Weg fortsetzen muss, denn der Loewe, der bedeutet: Kraft. Also weiter und weiter und weiter. Und es lohnt sich!!! Das Hochplateau, das ich erreiche ist ATEMBERAUBEND. BREATHTAKING. Mitten im Nichts, weit ueber den Wolken, zwischen Wasserfaellen und neongruen strahlenden Wiesen tuermen sich Jahrhunderte alte Felsbrocken zu imposanten Ruinen auf, und ich denke mal wieder ich bin in einem Maerchenroman gelandet. Ich verweile eine Weile in Meditation, allerdings nicht sehr lange, da ich schliesslich noch zurueck muss, und man will natuerlich nicht in die kalte farblose Dunkelheit geraten. Auf dem Rueckweg passiere ich imposante Salzterassen und esse ein bisschen Salz (macht mich stolz, was wohl die Frutarians davon halten wuerden). Muede und erledigt schleppe ich mich den abgetreten Pfad hinab, das Ziel in Sichtweite. Und dann das! Ein Rudel, bestehend aus 12 wild geworden Strassenkoetern versperrt mir den Weg. Zaehnefletschend und in Angriffshaltung. Ich koennt kotzen. Meine einzige Waffe: Eine halbleere Wasserflasche aus Plastik. Oben in den Bergen, hatte ich damit drei kampflustige Biester in die Flucht schlagen koennen, gemessen an der aktuellen Truppenstaerke, erscheint mir die Waffe allerdings mehr als erbaermlich. Kein Durchkommen. Ich muss wohl oder uebel den 5km Umweg durchs Dorf laufen. Bergab und dann bergauf. Aetzend! Auf dem Weg kauf ich mir ne Pulle Chicha.

 

Zurueck in meinem trauten Heim lasse ich mich kraftlos aufs Bett fallen, werde von einer Spinne gebissen und schlafe ein, waehrend die beiden netten Peruaner ueber mir sich lautstark irgendeine Art Pornofilm reinziehen. 

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UNTER INCAS UND BEKLOPPTEN

Bevor ich allerdings die alten Geschichten aufrolle, erstmal ein kleines aktuelles Update:

Ich befinde mich im heiligen Tal auf 3500m Hoehe. Ca. 3km oberhalb des quirligen Indiodoerfchens Urubamba finde ich eine idyllische Bleibe bei Yami und Familie. In dem grossen sonnigen Garten wachsen Aepfel (Aepfel! Wie damals! Im Hohen Atlas! Aber von Abdul keine Spur. ), Mangos und Mais. Kolibris trinken den neonfarbenen Saft knallig bunt leuchtender Blumen, Bienen schwirren durch die Luefte, ueber uns gleiten stolze Kondore. Es gibt Kaffee und Schokolade aus hauseigener Produktion. Glueckliche Kinder springen singend ueber die Wiesen. Es gibt drei Katzen und zwei braune Kurzhaardackel. Einer ist auf einem Auge blind, der andere lahmt. Ich nenne sie deshalb den Blinden und den Lahmen. Der Blinde mag mich, ich bin wie immer skeptisch. Doch an sich scheint alles blendend zu sein. Obwohl nein. Nicht alles. Es gibt einen Haken. Und an dem haengt: Micha, der stinkende Erleuchtete. Er haust in dem Durchgangszimmer zu meiner bescheidenen Kammer, kommt aus Tschechien, und ist so scheisse, dass es mir schwerfaellt, ueberhaupt irgendwas ueber ihn zu schreiben. Ich versuch es kurz zu fassen. Er ist so einer von der Sorte Snake the Blake nur noch etwas allwissender, etwas beschissener, etwas stinkender und etwas kraenker im Hirn. Dazu konstant hektisch, aufgedreht und zappelig, als leide er unter heftigsten Entzugserscheinungen. Wo immer er auftaucht verbreitet er eine erdbebenaehnliche Unruhe. Seine Haare sind braun fettig, seine Augen weit aufgerissen. Grundsaetzlich (tags und nachts) traegt er einen ekligen grauen Trainingsazug. In seinem kranken Hirn ist er allwissender Scharmane und natuerlich noch vieles mehr. Er ist mit allen Peruanern – egal ob man sich kennt oder nicht -BEST friends (er spricht nur leider kein Spanisch), dummen Touristen gibt er tonnenweise weiser Ratschlaege (ob man sie nun hoeren will, oder nicht). Nach eigener Auskunft lebt er bereits seit 3 jahren hier bei Yami, laut Yami kennt sie ihn seit zwei Tagen. Die Abneigung beruht erfreulicher Weise auf Gegenseitigkeit. Ich hasse ihn, er hasst mich, daraus machen wir kein Geheimniss und entsprechend geht man sich aus dem Weg (waere da nicht das Durchgangszimmer...)

 

 

Eins muss noch erwaehnt werden, die Campesinos saufen wie die Loecher. An jeder Ecke gibt es Bier (aussschliesslich in 1l Flaschen erhaeltlich) und Chicha (gegorener Maisploerre, auch das Spuckebier der Anden genannt – der Speichel alter Indiofrauen zersetzt die Maisstaerke zu Zucker - manchmal mit Erdbeergeschmack), der auch ausschliesslich in 1l Plastikglaesern erhaeltlich ist. Ich passe mich selbstredend an, und trinke auch jede Menge Chicha, wobei ich in der Regel schon nach dem ersten halben Liter schlapp mache. Und man trinkt hier tatsaechlich den gesamten Tag NICHTS anderes. Ausschliesslich Bier. Und Chicha. Und Chicha. Und Bier. Hat zur Folge, das spaetestens ab 12:00 Uhr Mittags allesamt stockbesoffen sind. Entsprechend ist die Stimmung. Gut. 

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Anpassung

Was hat sich so getan in den letzten Wochen? Nun, zunaechst einmal galt es, mit der so aeusserst unmarrokanischen Kultur warm zu werden (was bei naechtlichen Eisestemperaturen – Anm. fuer den landesunkundigen Leser: wir befinden uns hier in teilweise schwindelerregenden Hoehen, die zwischen 0m ue.n.N. und 4000m ue.n.N. schwanken/hoeher bin ich bislang noch nicht gekommen - natuerlich nicht ganz einfach ist). Meine wichtigste Investition bislang war somit eine gefuetterte graue Kapuzenjacke, womit die Herausforderung der Akklimatisierung weitestgehend ueberwunden werden konnte. Nun. Das Land der Inkas und Scharmanen, der Sonnengoetter und der Lamas, der Alpackas und des Ceviche, des Chicha und des Cumbia, ist nicht nur frostig kalt, sondern auch knallig bunt. In von Nebelschleiern verhangenen Andendoerfern leuchten kleine dickliche Andenfrauen, eingehuellt in neonfarben leuchtende Llicllas, regenbogenfarbene Jobonas, grellbunt bestickte Polleras. Unter farbenfrohen Monteras (ok, zugebener Massen sind die meisten schwarz) wachsen lange pinke geflochtene Zoepfe (ok, zugegebener Massen sind diese i.d.R. ebenfalls schwarz) und eigentlich sind die Frauen auch gar nicht dicklich, sie wirken nur so, weil sie unter den Polleras (Ueberrock) bis zu 10 Unterroecke tragen (wie die heissen, weiss ich nicht).

Keine Frage, ich muss mich da irgendwie anpassen. Meine Haare geben nicht viel her, das mit den geflochtenen Zoepfen kann ich getrost knicken. Mit den neonorangenen Schnuersenkeln meiner Converse (sind also doch noch zu was nuetze, die leidigen Schlappen) laesst sich jedoch punkten, ebenfalls relativ einfach zu haendeln ist das Schichtensystem – oder auch Zwiebellook genannt – leider hab ich jedoch nicht genug Klamotten in meinem Rucksack, um es auf 10 Schichten zu bringen. Allenfalls vier. Statt Hut trag ich Muetze – leuchtend gelb. Das Schmuckgeschaeft hab ich auf hiesige Sitten und Gebraeuche angepasst, ich stelle grellbunte Neonohrringe her, die auf eine begeisterte und mittelmaessig zahlungskraeftige Anhaengerschaft stossen.

Auch ansonsten geb ich adaptionell mein Bestes. Ich esse Cuy/Meerschwein (Achtung, diese andine Delikatesse ist nicht zu verwechseln mit dem laeppischen Hausmeerschweinchen, wie wir es aus dem Flachland kennen, das hochlaendische Meerschwein wird bis zu 5 kg schwer, farbtechnisch besteht es hauptsaechlich aus Creme mit Weiss, da Fleischkoerper mit dunkler Haut als unaesthetisch gelten), trinke Pisco Sour (aus gesundheitlichen Gruenden musste der Konsum jedoch voruebergehend eingestellt – naja, wollen wir sagen „reduziert“ werden) und haenge, wie es hier im allgemeinen Sprachgebraeuchchen ueblich ist, hinter jedes Woertchen ein vernietlichendes „chen“ (auf Spanisch „ita“) und so wird aus Bett dann eben Bettchen, aus Bus Bueschen und aus frueh fruehchen, und wie ich mich da so wortakrobatisch ueber die Huerden fremdlaendischer Sprachgebraeuche schwinge, komme ich mir mittlerweile auch schon vollkommen versuesslicht vor. Den Prozess der Versuesslichung unterstuetze ich, indem ich moeglichst viel suesses Zeugchen konsumiere, vorzugsweise Cocadachen oder Dulce de Leche oder Inka Colachen.

Neben dem never ending process der Selbstfindung im Nebel schleierhafter Sitten und Gebraeuche ist nebenbei auch noch so einiges Erwaehnenswertes geschehen. So traf ich auf nervengestoerte Papageien, verbrachte eine durchzechte Nacht mit Mitchuell the Spirituell, kam vom Cheesecake zur Englischklasse und unternahm blamierende Tanzversuche mit feurigen Kolumbianern. Nebenbei versuche ich das Schmuckgeschaeft zur Perfektion zu bringen.

 

Davon jedoch spaeter mehr, muss jetzt erstmal noch n paar mehr Schichten suchen, denn es ist kalt (und ich bin alt).

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Lima ist prima

Wie man ja nun munkelt, bin ich in Peru. In Lima genau genommen. Und wenn mans ganz genau nimmt, in Barranco. Einem gediegenem Vorort, dessen kreative Vibes das Kuenstlerherz hoeher schlagen lassen. Bislang gehe ich es ebenfalls gediegen an. Nicht viel passiert. Ich bin ins Schmuckgeschaeft eingestiegen, bevor verkauft werden kann, muss allerdings produziert werden. Eine nicht zu unterschaetzende Arbeit, und die Konkurrenz schlaeft nicht. Dann hab ich mir noch ein paar Stifte gekauft und vertreibe mir die uebrige Zeit mit Strassenmalerei. Ansonsten hab ich mich als Statist in einem Film versucht. Das wars auch schon. Alles ruhig und locker. Nur eins frag ich mich> Wieso zum Geier gibts hier Geier?

1. Wochenfazit Stinkend schwarze Geier, gehen mir auf die Eier.

2. Wochenfazit Pisco Sour knallt auf Dauer.

In diesem Sinne. Bald mehr.

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Erkenntnis

Ich habe ein neues Mantra. Es lautet:

NICHTS IST ALLES. UND ALLES IST NICHTS. 

Die Allgemeingueltigkeit gilt es noch zu verifizieren.

Ps. Habs uebrigens nach Peru geschafft. Das war'n Trip! Dazu mehr, sobald ich den verarbeitet habe.

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In the air

In den Lueften treffe ich einen der Djinns aus Essaouira. Er fragt mich, wo ich hin will, und ich sage: Eigentlich ganz gern nach Peru. Das ist allerdings ein Problem mit meinem Fortbewegungsmittel, denn fliegende Teppiche fliegen hoechstens nach Persien, wie er mir erlaeutert, nicht aber nach Latainamerika. Na bravo. Wat nu?

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Abschied

Die Voegel fliegen heute niedriger. Ihr Windhauch streift mein Haar. Der Nachbar vom Dach gegenueber ruft nach seinen Tauben. Ich winke rueber. Bevor ich gehe, male ich Heather eine Feather aufs Bein. Ein weisser Schmetterling laesst sich auf meiner Schulter nieder. Das letzte Mal lausche ich, wie der Muezzin den Maghrib ausruft. Es ist an der Zeit. Weiterzuziehen. Ich schwinge mich auf meinen Teppich und gleite von dannen. In meinem Gepaeck ein bisschen Magie, ein bisschen Weisheit, ein bisschen Liebe. Ein bisschen Schwermut und ein bisschen Wuestenstaub.

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Its magic

Am Abend des darauffolgenden Tages (ich habe dem gesamten Tag unbeweglich im Fiebertrance im Bett verbracht) finde ich auf dem Erdboden unseres Innenhofes einen prall gefuellten Jutesack. Und waehrend ich mich noch frage, was das denn nun hier soll, verdunkelt sich der Saal. Mit einem Male erschallen aus allen Ecken des grossen Raumes smoothe orientalische Klaenge und aus dem Sack: Entschwebt Hannah, in eine weiss guelden glitzernde Robe aus Spitze gehuellt, wie der Geist aus der Wunderlampe. Ihr graziler Koerper gleitet elfengleich durch die alten Gemaeuer, sie ist ein Akrobat aus Gummie, tanzt federleicht ueber die Jahrhunderte alten Mosaikfliesen, schlaegt ein Rad, sinkt im Spagat zu Boden, wirft ihren Kopf in den Nacken, greift nach den Sternen, und ich bin mir gar nicht so ganz sicher ob das nun real ist oder noch eine meiner Fieberhalluzinationen. Anschliessend erscheint Mohammad, der Anmutige, der Vollkommene, Magier, Herrscher ueber Licht und Feuer. Ein zu Mensch gewordenes Amphibium. Das Schoenste, was ich je gesehen habe. Sein nackter Oberkoerper glaenzt im Mondesschein, Schlangen aus Feuer zuengeln um seinen makellosen Koerper und waehrend seine Bewegungen in willenloser Hingabe dem Diktat der Flammen folgen, loest sich sein Haar. Seine meterlangen Dreads wirbeln durch die vom Feuer erhitzte Nacht und erfuellen den Saal mit dem Geruch von Amber und Weihrauch, und ich hoffe instaendig, dass Abdel NIEMALS die Gelegenheit bekommen wird, ihm dieses Wunderwerk, diese Quelle der Spiritualitaet, abzusaebeln. Und waehrend meine Augen dem Lichtschein folgen, ertoent auf einmal Anggas Stimme in meinem Kopf, die sagt:“Just follow the light and you be ok.“ Und waehrend mein Herz im Rythmus der Trommeln schlaegt, hoere ich Remys ruhige tiefe Stimme, die raunt: „Just follow your heart, and you be ok“, und ich bin dankbar, dass das Licht wieder leuchtet, und ich bin dankbar, dass das Herz wieder ganz ist, denn so habe ich meinen Weg gefunden.

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Back to the base

Auf halbem Wege zu Priscilla schwebt mir eine verschleierte Gestalt entgegen. Ihre Augen von schwarzer Kohle umrandet, mystische Hennamuster schmuecken ihre Handinnenflaechen. So geheimnisvoll, so magisch, dieses fremde Wesen. Aber nein, es ist nicht fremd, nein! Es ist Heather the feather! Sie hat mittlerweile beschlossen die irdischen Sphaeren nicht nur geistig sondern auch koerperlich zu verlassen, deshalb hat sie seit kurzem aufgehoert zu essen und ist der Erleuchtung somit wieder einen kleinen Schritt naeher gekommen.

Auf dem Dach laesst der zauberhafte Mohammed (ebenfalls zurueck in Marrakech) eine Kristallkugel ueber seinen Koerper gleiten und sieht dabei so anmutig aus, wie eine schwerelose Gazelle. Die Aura, die ihn umgibt, ist so weich wie Watte. Ich koennte durch ihn durchboxen und weder er noch meine Faust wuerden etwas davon spueren.

 

Heute ist Vollmond. Um die dabei freigesetzten magischen Energien in ihrer Vollkommenheit aufsaugen zu koennen, wird Heather spaeter nackt in einem mit Wasser gefuellten Waschzuber auf dem Dach floaten. Vorher wird sie uns allen eine wundersame afrikanische Teemische mit Amberelementen einfloessen, damit auch die Analphabeten unter uns in der Lage sind, die Sprache des Mondes zu verstehen.

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Ciao Essaouira

Ich habe eine etwas deliriummaessige Nacht auf dem Dach verbracht. Am naechsten Morgen bin ich nach wie vor etwas geistergestoert. Der Zustand bessert sich zumindest ein wenig, weil Abdel der Gute mir zum Glueck 2 Glaeser extrastarken Berberkaffee macht. Ich verkuende, dass ich heute abfahren werde. „No! Dont say that! Dont go! Please! Stay!“ No way. „Just stay one more day, I promise tonight I cook for you, I will make the beeeeest food for you.“ No way. Uebrigens (ist jetzt etwas ab vom Thema, faellt mir aber gerade ein: Wenn man waehrend des Ramadans draussen auf der Strasse mit einem Bier in der Hand erwischt wird, kommt man fuer zwei Jahre ins Gefaengnis). Abdels Blicke werfen ein paar Speere. Sind allerdings aus Watte. Aus seinen Augen strahlt das Leid der Welt. „I promise I will wait for you. You are so different I never meet someone like you. I think you already my wife in our last lives” nono… “Even if you come back after three years or more I can wait for you.“ ohjeohje…

Ich packe meine sieben Sachen, umarme die Putzfrau und fahre ab, bevor ich hier noch mehr Unheil anrichte. Um meinen Hals ein Bergkristall aus dem Atlas.

 

Am Abend bin ich krank. Da hatte garantiert die alte Hexe mit ihrem boesen Blick ihre Finger im Spiel. Ich kauf mir besser die Hand Fatimas

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So viel Zeit muss sein. Oder: Besessen.

Ich sitze auf dem Dach des Atlanic Hostel. Minderbemitteltes Partyvolk besaeuft sich mit Pasties und billigem Wodka, verfeuert die letzten verbleibenden Gehirnzellen in Haschzigaretten. Berauscht an der Illusion unnachahmlicher Coolness schwelgen sie in einer toxischen Blase ueber den Daechern der Stadt und vergiften die heilige Stille des Abends mit den nervenzerfetzenden Sounds trashiger Trancemusik. Die Nachbarin vom Dach gegenueber kaempft eine tapfere Schlacht gegen die unaufhaltbare Invasion parasitaerer Eindringlinge aus dem Westen. Aus einer extra hierfuer eingerichteten Lautsprecheranlage bebombt sie die leichtbekleidete Armee hedonistischer Kleingeister mit den belehrenden Klaengen sakraler Koransuren – in einer Lautstaerke, die einem das Trommelfell zersprengt. Moege der Lauteste gewinnen... Auf der zum Scheitern verurteilten Suche nach meiner inneren Mitte an diesem Ort spiritueller Verdorrtheit, bahnt sich ein weiterer Laut seinen Weg durch meinen geschundenen Gehoergang. Von irgendwoher, in nicht all zu weiter Ferne, erschallen rythmische Tbalschlaege. Und ich hoere das Rasseln von Qaraqip. Ich spitze die Ohren, strecke meinen Kopf ueber die Bruestung, recke mich ein wenig und ja, es besteht kein Zweifel, irgendwo da draussen geht irgendetwas ab. Man ruft mich. Ich hab keine Wahl.

 

Meine Beine setzen sich in Bewegung. Als seien sie fremdgesteuert. Wie von Geisterhand gefuehrt folge ich den Rufen dieser fremdartigen Rythmen, bahne mir meinen Weg durch durch ein endlos erscheinendes Labyrinth verwinkelter Gassen und hohler Gaenge, und als ich schon laengst nicht mehr weiss, wo ich ueberhaupt bin und was ich hier ueberhaupt mache, erreiche ich vor einer kleinen unscheinbaren Tuer das Ziel meines naechtlichen Streifzugs. Mit einer Selbstverstaendlichkeit, mit der man einem erwarteten Gast zu Tisch bittet, winkt man mich herein. Die Musik wird lauter,und ehe ich so recht begreife, wie mir eigentlich geschieht, durchschreite das Tor zu einer Welt aus Dschinns, Geistern und okkulter Besessenheitsriten. Ich befinde mich in einem riesigen, mit Menschen gefuellten Innenhof, in dem die benebelnden Rauchwolken mir bis dato unbekannter Inszenzen haengen. Und wie ich alsbald feststellen soll, ist das, in was ich da so mir nichts Dir nichts reingestolpert bin, ein geheimes Derdeba Ritual, ein Besessenheitskult der Sufi-Bruderschaft, im Rahmen dessen man sich dem Angriff boeser Geister entgegensetzt, im Rahmen dessen die Seele vom Leben in den Tod und zurueck ins Leben gleitet.

 

Meine Anwesenheit scheint keinen zu verwundern. Weder mich, noch die anderen. Die Musiker sind eingehuellt in weisse, mit Gold bestickte Umhaenge, auf ihren wild hin und her schleudernden Koepfen sitzt ein mit weissen Muscheln verzierter roter Fes. Die Fusssohlen und Handinnenflaechen der Frauen sind verziert mit wundersamen und wunderschoenen Hennahmustern, so fein und detailliert, wie ich es noch nie zuvor gesehen habe. Verkrueppelte Greise, die kaum mehr gehen koennen, lassen im extatischen Rausche der repetetiven Rythmen ihre Koerper kreisen, als waeren sie 20 Jahre jung, kleine Jungs werfen ihre Arme auf und nieder, drehen sich im Kreise, immer wieder, immer schneller, immer schneller, bis sie vor Erschoepfung zusammenbrechen, Besessenheitstaenze, die Raeucherinszenzen benebeln meine Sinne.

 

Die Alte neben mir schwebt bereits in anderen Sphaeren, die schwarze Kapuze ihres Umhangs rutscht ihr ins Gesicht, wild wirft sie ihren Kopf vor und zurueck, ein kleiner Junge laesst sie den Rauch der abbrennenden Inszenzen inhalieren, ihr Koerper verbiegt sich in unnatuerlichen Winkeln, eine voll verschleierte Hexe stoesst schrille Trillerlaute aus, die sind nicht von dieser Welt, lauter werdende Trommelschlaege, schneller, schneller, die Alte schlaegt ihren Kopf gegen die Steinwand die Schultern meiner juengeren Sitznachbarn fangen an zu zucken derRythmuslaesstmichwegdriftenmeinKopfbeginntzukreisenwirklatschenunsereHaende der wippende Fuss meiner alten Sitznachbarn bohrt sich in meinen Oberschenkel meinKopfkreist ein Maedchen wirft sich auf die Knie wippt wie eine Besessene ihre Augen verdrehen sich sie zuckt wild auf allen vieren robbt sie in Richtung der Musik reisst ihren Kopf rauf und runterraufundrunterraufundrunterschuetteltsich wir druecken uns an die Wand um ihr nicht im Weg zu sein zwei Frauen stuetzen sie von hinten haelt man sie an einem um ihren koerper geschlungenen guertel damit sie sich nicht verletzt waehrend ueberirdisches die kontrolle ueber ihren koerper uebernommen hat bis sie zusammenbricht und der Geist ihren Koerper verlaesst. Regungslos liegt sie auf dem Steinfussboden, ihre Stirn ist von Schweissperlen bedeckt, man verhuellt sie mit einem Schleier und schleift die schlaffe Gestalt zurueck in die Ecke aus der sie gekommen ist, wo sie wenige Minuten spaeter erwacht.

Die Gerueche werden intensiver, die Trommeln schlagen schneller, meinKopfdrehtsichimRythmusderTrommelschlaegewirreissenunsdieSchleiervondenKoepfenschuettelnunserHaarichweissnichtwasmitmirgeschiehtmeinHerzschlagwirdschnellerbummbummbmbmbmbm das maedchen schreit die alte frau schreit schlaegt ihre haende vors gesicht das maedchen wirft sich auf den boden ihr koerper zuckt hektisch ichhabemeinenkoerpernichtunterkontrollebummbmmbmmbmmichkannnichtmehrichmusshierrausichmusshierrausmusshierraus...

 

 

4 Stunden spaeter bin ich wieder auf dem Dach des Atlantic Hostels. Voellig durch den Wind. Kann kaum sprechen. Voellig erledigt. Abdels Gesicht erscheint vor mir. “Stef! Where were you??” Muehsam presse ich ein paar Wortfetzen hervor, und versuche ihm klar zu machen, was ich gerad fuer eine krasse Scheisse mitgemacht hab. „Stef, promise me, NEVER go to these kind of places again! This really bad, many djinns around there, just promise me, stay away from these things! Reaaally crazy many people reaaaallyy scared of this”. Das kann ich dir aber fluestern, mein Lieber, einmal und NIE WIEDER, ich wiederhole: N-I-E W-I-E-D-E-R! Bleibt mir fern Geister und Hexen und Djinns und Schrecksen und Gesindel! Meine Welt ist nicht bereit fuer Euch! Meine Fresse, was fuer ne Nacht! (Und, meine Lieben, diese Story ist von vorne bis hinten wahr)

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Gebrochene Herzen in Essaouira

In Essaouira geniesse ich die steife Briese, hangele mich von Galerie zu Galerie, treffe meine Dachbekanntschaft Mohammad, belege Workshops zu Electro Genoua Fusion, und lese mich durch gut sortierte Bibliotheken (der Intellekt darf auf Reisen selbstredend nicht verkuemmern). Ausserdem breche ich ein paar Herzen. Waehrend ich dabei bin, die moderne Auslegung zum Thema Zwangskonvertierung im Islam zu studieren, werde ich von der Bibliothekarin in ein Gespraech verwickelt. Wir kommen auf das leidige Thema Fluechtlinge zu sprechen. Ich rede mich bei diesem emotionalen Thema wie ueblich in Rage, am Ende bricht sie in Traenen aus, und mir tut das Ganze schrecklich leid.

Anschliessend erwischt es ein Berberherz. Ein Kuenstlerherz. Es gehoert Abdel. Abdel ist ein attraktives und liebenswertes Gesamtkunstwerk. Er erfuellt mich mit positiven und tiefenentspannten Spirits, und es ist mir ein Hochgenuss, mich in seiner kreativen Aura aufzuhalten. Er ist einer von der Sorte Mohammads und kreiert Einrichtungsgegenstaende aus alten Flaschen, Dosen, Glasscherben und Paletten. Er entwirft abstrakte Berberkunst und macht Schmuck aus Bergkristallen (wuerde Dumont gefallen), ein Taenzer (mal Breakdancer mal Traumtaenzer) und Performer. Er schlaeft auf dem Dach (diese Dachbekanntschaften haben es in sich) des Atlantic Hostel (eine outgesourcte Muelldeponie partygeilen Touriabschaums, hierzu jedoch spaeter mehr) und es ist mir eine Freude, mich in seinen Afrolocken einzuwickeln. Obendrein ist er ein super witziger Kerl. UND er hat Djinns gesehen („veeeerryy scary, maaaany strange things happen, when Djinns around. I saw people speaking maaaany different languages, they never knew before and veerrrryyy crazy! But I don’t want to talk about these kind of things please!” schade…). Ich frag ihn, ob er Mohammad kennt. Kennt er, in der Tat – wie klein sie ist, die Kuenstlerwelt, sie kennen sich von dem Dach auf Priscilla – auf den ist er leider GAR nicht gut zu sprechen “Wooooh, if I see this guy, woooohhh I promise I will cut off all his f....hair!!!“ Ein unguter Vorfall in der Vergangenheit...Wir unterhalten uns ueber Gott und Macrami, Ueberfischung, Upcycling und Reinkarnation und sowas, und ich seh schon kommen, das nimmt kein gutes Ende. Die Traumtaenzerei laeuft ungefaehr so ab:

 

„Stef, come to the desert with me.” Neee, really, too much Staub…”No problem, I promise I buy you sunglasses.” Neee….”Stef, shall we marry here and now, not tell anyone, just you and me know, no papers, nothing, just you and me know we are husband and wife?” Neee, sorry, no way, too many problems…Er tut mir ein bisschen leid, er ist schliesslich nicht der Schlechteste…”What problems? Maybe you think because you are German (mein Lieber, wenn Du wuesstest, WIE deutsch ich bin, wuerdest Du aber vermutlich ganz schnell die Biege machen…) and I am Berber and you think I will later make you wear Hijab or something. I promise I don’t care about that shit. Fuck society! We can go and live in the mountains in a cave, we live on 10 dh each day, and maybe we buy 5 chicken, will be veeeerry nice life…” Hmmm! Klingt spannend! Wie weit, frag ich mich, wie weit kann ich im Rahmen meiner Feldstudie gehen? Aber: Was wuerde Muddi sagen? “And I promise I stop smoking Hash, because I know you don’t like this stuffs, look, I stop right now for you.” I wo! Rauch soviel Du willst…„Or, if you want to live in Germany, I can come, I can open little shop and sell my art and I can make some Sandals from good leather...“ Nee, that’s not so easy my friend, that’s not so easy. Er tut mir leid…”Then stay here, we can live in Essaouira. Every day I promise I will cook the beeeest food for you! I give you the money for your flight ticket to Peru and you stay here with me.” Ok, 600 Euros! How much you have? “120 dh (12 Euro)...“ Und schon wieder tut er mir leid. „Thank God I met you!“ nana...Ich weiss genau, das laeuft auf ein gebrochenes Berberherz hinaus. Aber bevor es soweit ist, passiert folgende krasse Scheisse:...

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Was mach ich nur in Ait Mansour

So, nun aber erstmal zurueck zu meinen Tagen in Ait Manour. Kurz zur Auffrischung: "Und gerad als ich denke, hier passiert ja goar nix, und ich schon beginne, mich zu sorgen, was ich denn nun in den Reiseblogg schreiben soll (denn lyrische Erguesse ueber den seufzenden Windhauch in verschlafenen Palmenzipfeln und magische Wunderwelten sind zwar herzerwaermend, koennten den fleissigen Leser auf Dauer jedoch auch langweilen), da: KNALLTS!"

 

Waehrend ich dabei bin, Wandgemaelde Berberstyle an einer alten Ruine abzufotografieren, fahren zwei Jungs auf ihren Fahrraedern an mir vorbei. In einem Affenzahn, und ich denk noch, vorsicht, langsam bei der Kurve, und dann hoer ich auch noch ein Motorengeraeusch von der entgegengesetzten Richtung kommen, und ich denk nochmals mit Nachdruck, vorsicht, langsam bei der Kurve, und ich seh es kommen, das Unheil, das nicht mehr abzuwendene. Frontalzusammenstoss! Das Kind fliegt ueber die Windschutzscheibe, und ich denk noch: Krass, wie hoch man fliegen kann! Mit den Unfaellen scheints hier generell so ne Sache zu sein. Ich erinnere daran, wie Laura in Marrakech von dem Mopped uebergemaeht wurde. Und Super Richy hatte mir gerad noch berichtet, wie sein alter Freund Mohammad dabei umkam, als sich sein Turban in dem Rueckrad seines Zweirads verfangen hatte, und ihn von hinten erdrosselt hat. Auch die Tiere bleiben nicht verschont, seit zwei Tagen pflegt Rich einen armen Hund am Strassenrand, der von einem vorbeirasenden Jeep ueberfahren wurde. Man weiss noch nicht, ob ers ueberlebt, aber er kriegt jeden Tag ein bisschen Couscous. Also! Augen uff im Strasseverkehr! Glueck im Unglueck, Gott seis gedankt, ausser aufgeschuerften Knien ist dem Bub nichts weiter geschehen. Sah allerdings furchtbar aus! Da es mittlerweile dunkelt begebe ich mich auf den Heimweg. Niemand zu Hause und schon gar nicht Abdou. Gut. Warten. Hab ja immerhin nochn Granatapfel in der Tasche. Nach ner Stunde passiert: noch immer nichts. Aussitzen raunt es in meinem Hirn. Aussitzen hat schon immer die Loesung erbracht. Bloed nur, dass ich einen MORDShunger habe, ausserdem wird’s frisch. Eine weitere Stunde vergeht. Kanns ja wohl nicht sein! Ich wuerd ja NOTfalls draussen pennen, aber dafuer haett ich dann wenigstens gern ne Decke, denn wahrlich mich frostet! Ich ueberlege, ob ich vielleicht Super Richy anrufen sollte, aber Super Richys Karte befindet sich in meiner Tasche, und meine Tasche befindet sich in Abdous Butze, wo ich ja nun nicht reinkomme. All mein Hab und Gut in greifbarer Naehe, jedoch gut verschlossen, Abdou verschollen, ich hier draussen und weit und breit auf weiter Flur keine Menschenseele zu erspaehen. Und ich hab HUNGER. Und es ist KALT. Aussitzen hin oder her, so gehts nicht weiter. Man muss aktiv werden. Ich begebe mich auf die Suche nach Zivilisation und finde ein paar Berberfrauen, die leider nur Tschlhait und ein paar wenige Brocken Arabisch sprechen. Irgendwie mach ich mich verstaendlich und die Antwort, die ist folgende: „Abdou? Der ist in Marrakesch.“ I GLOAB I SPINNE! Das kann der ja wohl nicht bringen! Oder kann er? Kann ihn vielleicht mal jemand anrufen? Man kann, die Leitung ist tot. So lande ich dann letzten Endes bei Haj und seiner lieben Frau Aisha, die mich aufs VORZUEGLICHSTE bewirten, gepriesen sei sie, die berberische Gastfreundschaft, ich haue mir den Bauch voll mit Datteln, Brot, hervorragendem Arganmuss, koestlichen Suessigkeiten und leckersten Kaffee. Letztendlich ist es gar nicht sooo uebel, dass der olle Abdou verschollen ist. Haj jedoch ist sichtlich entruestet ueber Abdous Verhalten, er koenne sich das ABSOLUT nicht erklaeren, dass sei UNVERZEIHLICH. Ich meine: „no problem“ und werfe noch ne Dattel ein. Und dann, eine weitere Stunde spaeter: Steht Abdou vor der Tuer. Von Schuldgefuehlen zermuerbt, ja ein Schatten seiner selbst. Wie sich herausstellt, hatte er auf der Strasse einen Kumpel getroffen, mit dem er nur ganz kurz nach Tafraout (aha, also nicht Marrakesch) fahren wollte, und dann in Tafraout kam dann eins zum anderen, da mussten sie dann noch Kaffee trinken, und Freunde besuchen und Einkaeufe erledigen, und dann wollte der Freund noch einen Kaffee trinken und dann wurde aus einer Stunde 6 Stunden und ach und herrjemine, es ist alles so furchtbar, denn er sagte ihm noch, ich muss zurueck, ich hab einen Gast ohne Schluessel! Usw.usf. Nach einer hektisch zubereiteten Tarjine ertraenkt Abdou seinen Scham in einer Pulle Pastis (wobei ich nicht weiss, ob es das jetzt unbedingt besser macht, was den Kundenkomfort angeht) und ich lese „Der fremde Gast“ von Charlotte Link (hatte ich aus Tafraout mitgehen lassen), ein Meisterwerk westeuropaeischer Schundliteratur, toppt an Niveaulosigkeit noch „Murder House“ (hatte Kathrine sich aus Mangel an Alternativen bei Abdul in Ait Bougmez einverleibt).

 

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Wenn ich Zeit haette

Wenn ich Zeit haette...

...wuerde ich Gnaoua Musiker werden

...ich wuerde die Sintir einstudieren und mir Tbal und Gimbri einverleiben

...wuerde ich mir einen roten Fes aufstuelpen, dessen Zipfel ich wild im Kreis schleudern wuerde, wie ein Propeller, bis ich abhebe & alle boesen Geister vertrieben sind

 

Wenn ich Zeit haette...

...wuerde ich Kalligraph werden

...ich wuerde die Bedeutung der Berbersymbole studieren

...wuerde ich Rauten, Vierecke, Sterne, Kreuze, Punkte, Kreise, Dreiecke, Spiralen und Halbmonde auf Ziegenhaut zeichnen und obendrein auch noch verstehen, was ich da mache

 

Wenn ich Zeit haette...

...wuerde ich ein ein ganz grosser Kuenstler werden

...ich wuerde meine schwarz weiss Fotos mit bunten Mosaikmustern bemalen, Kunstwerke aus zerbrochenen Fliesenresten kreieren und ein zwei Meter hohes Kamel aus Sperrmuell bauen

...wuerde ich mit einem Stueck Kreide ueber dem Djma El Fna rennen, und die Konturen aller verrueckten Strassenkuenstler auf den Boden malen und schauen, was das fuer ein feines Muster ergeben wuerde

 

Wenn ich Zeit haette...

...wuerde ich Tonmeister werden

...ich wuerde mit einem leeren Tonband durch Marokko ziehen, durch die Wueste und den Atlas streifen, und ans Meer fahren und durch den Antiatlas touren und durch kleine Doerfer und die grossen Staedte irren

...wuerde ich das Haemmern und Klopfen und Raspeln der Kunsthandwerker aufnehmen, das Kraehen der Haehne und das Schreien der Esel, die Stimmen der Kinder und Rufe der Muezzins, den Sound von Wind und Staub und Wellen aufnehmen und ein richtig geiles Mixtape fabrizieren

 

Wenn ich Zeit haette...

...wuerde ich so’n richtiger Allrounder werden

...ich wuerde den Scharmanismus studieren und mich in Wahrsagerei versuchen, die Hennamalerei erlernen und Teppiche knuepfen

... wuerde ich mit den Tuareq durch die Wueste ziehen und mit den Atlasnomaden in Felshoehlen leben, ausserdem wuerde ich tagaustagein den Geschichtenerzaehlern auf dem Djma El Fna lauschen, bis ich alle Storys auswendig aufsagen kann

 

Ich wuerde ein bisschen werden, wie Snake the Blake.

 

 

Leider hab ich keine Zeit.

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Like a feather

This one is inspried by and dedicated to: Heather!

 

Heather...

Is like a feather...

Her mind like a butterfly…

…flying so high…

Her former life once rather tragic

But then she took a dose of magic

And luckily she saw the light

She’s dancing with the stars tonight

Her world so spiritually enlightened

Her soul is blessed with sweet excitement

And as I turn sit down and pray

The whispering wind blew her away

And where her feet had left the ground

A shiny unicorn was found

And as her body warm and tender

 

drifts away, I smell lavender...

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Entzaubert. Oder: Super Richy und Pinky und Michaela!

Mmmaaeeppp maaaeppp! Was denn das denn? MMMMMAAAAEEEPPP MMMAAAAAAEEEPPP!!! Ja geil! Es ist Super Richy! „Joa mai, willsts mitfoarn? I hab da no zwoa Wiena im Auto, aber wie gsagt, Platz waer scho no fuer di, gell. Wo willsts denn hin?“ Und es ist nicht nur Super Richy! Nein, es kommt noch besser! Denn hinten im Jeep sitzen Pinky! Und Michaela! Aus Wien!„Wie gsagt, wir foarn nach Ait Mansour, willsts mitfoarn? Na komm, steigsts ein, nehma di mit!“ Klar, will I mitfoarn. Nach Ait Mansour will I do auch! Super Richy ist ein dufter Quasselstriptograph und so’n waschechter eingefleischter Camper aus Oberbayern, der sich jetzt in Tafraout niedergelassen hat, um dort kleine heimelige Appartments und Mountainbikes zu vermieten. Und Pinky und Michaela? Das ist ein in die Jahre gekommenes Hippiepaaerchen und die, muss man ehrlich sagen, haben schon so EINIGES gesehen, ja da kann ich mir noch so EINIGES abgucken. Zum Beispiel als sie anno dazumal in den guten alten 60ern mit dem Magic Mobil durch Indien und Pakistan gecruist sind, allesamt voellig zugedroehnt mit Opium, inklusive Fahrer. Himmel Arsch und Zwirn, das war’n Zeiten! Mittlerweile ist Pinky Bluesmusiker, der echten oesterreichischen Blus macht, und schmettert Songs wie „Mei Freind“ und „Dem Teufel sein Hauch“ und eigentlich ist das auch nicht Pinky, sondern um genau zu sein: „Pinky aus der Donau“ und zwar hoechst persoenlich. Wie mir Richy erklaert „ist wie gsagt der Pinky als kloaner Bub naemlich ma fast in der Donau abg’soff‘n, drum ist des nu dem sein Kuenstlername“. Michaela macht Wunderheilerei mit geschlossenen Augen, Richy hat sich auch schon einer kleinen Therapie unterzogen, kann er nur weiterempfehlen. Ich muss schon sagen, dass ist schon ne irre Truppe, die mich da aufgegabelt hat. Und Super Richy hat Camperstorys auf Lager, die sind nichts fuer schwache Nerven. Zum Glueck bin ich seit meinem Hoellentoern auf der Fido Dido so abgebrueht, sonst koennt ich’s ja nicht aushalten zu hoeren, wie er damals mit seinem Campervan in Suedspanien von bewaffneten Banditen mit gefaelschter Polizeimarke ausgeraubt wurde, oder damals in Frankreich, als er nur mal kurz fuer kleine Bubn...und hast’s nicht g’sehn, da woar wie g’sagt die g‘samte Rueckscheibe zerschmettert und oalles, ja wirklich OALLES ham’s mitgnommen! Und dann die Gastechnik! Bei der Gastechnik wird dem armen Camper des Nachts durch einen Spalt Nervengas ins Auto geblasen, bis er komplett ausgeknockt ist, und dann steigen sie ein und raeumen die Kiste leer.

Da grauts einem ja vom zuhoer’n! Zumal ich mich ja gelegentlich auch selbst zum Campervolk zaehle, drei mal schwarzer Kater, dass mir Naivling da nicht schon viel mehr passiert ist! Nie mehr campen ohne Messer, halte ich ab jetzt fuer besser!

 

Und das besonders Gute an meiner Mitfahrgelegenheit – insbesondere an Pinky und Michaela ist: Sie haben Nuesse und Schokowaffeln dabei. Ade frutarianism! Jetzt wird geschlemmt. Allhamdulillah, was fuer ne Fahrt! Und dann, dann trennen sich unsere Wege. Leider. Vorruebergehend zumindest – in Ait Mansour, einem abgelegenen Oasental, wo ich gedenke, einige Tage in Meditation zu verweilen. Bei der einzigen Auberge auf weiter Flur setzt Richy mich dankenswerter Weise ab. Sieht mir stark unbewohnt aus. „HHAAAALLLLOOO?!!!“ Sollte ich etwa dazu verdammt sein, meinen Aufenthalt in Ait Mansour in einer nasskalten Felshoehle zu fristen? Nein, da seh ich ihn, hinter rotfarbenen Gesteinsbrocken, verkrueppelten Arganien und einigen Wassertanks, da wuselt Abdou herum, der Patron. Wie er mir mitteilt, will er eigentlich gerade nach Marrakesch, wenn ich allerdings hoch und heilig verspreche, mindestens zwei Naechte zu bleiben, dann verspricht er ebenfalls hoch und heilig, nicht nach Marrakesch zu fahren. Wacha, d’accord, abgemacht. Ait Mansour ist unbeschreiblich wunderbar! Ruhig und idyllisch, hier liegt der Hund begraben, und zwar in einem besonders tiefen Loch. Auf meinem Erkundungsmarsch durch ein paar verfallene Lehmdoerfer staube ich ein paar Aepfel und ein bisschen Brot und ein bisschen Tee ab. Zugegebener Massen schon irgendwie mega peinlich, wie ich mich hier so durchschnorre, aber ganz ehrlich, alles ist besser, als das Leben als Frutarian in Zeiten der Duerre. Und gerad als ich denke, hier passiert ja goar nix, und ich schon beginne, mich zu sorgen, was ich denn nun in den Reiseblogg schreiben soll (denn lyrische Erguesse ueber den seufzenden Windhauch in verschlafenen Palmenzipfeln und magische Wunderwelten sind zwar herzerwaermend, koennten den fleissigen Leser auf Dauer jedoch auch langweilen), da: KNALLTS!

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Weltfremd

Ich bin irgendwo im Antiatlas. In schwindelerregeder Hoehe folge ich den verwitterten Ueberresten einer alten Passstrasse, die sich, vom Tal aus unsichtbar durch das rote Gestein frisst. Ich durchwate ein versteinertes Meer glitzernde Kristalle, eine Zauberwelt, weit ab der Erde. Eine Milliarden Meter unter mir durchreissen titanische Schluchten die Felsmassen. Von Dattelpalmen bewucherte Oasenlaeufe schlaengeln sich entlang eingetrockneter Flusslaeufe. Die Voegel sind so zutraulich, als wuessten sie nichts von dem Leid dieser Welt. Neugierige Streifenhoernchen beschnuppern meine nackten Fuesse. Ich durchwandle verwunschene Bergdoerfer. Verschleierte Berberfrauen in schwarzen Gewaendern schweben elfengleich durch staubige Gassen. Exotische Stickmuster zieren ihren langen schwarzen Roecke, gueldene Perlen glaenzen im Sonnenlicht. Oh Du mystische, wundersame Welt. In geheimen Gaerten gedeihen Orangen und Feigen. In den Wipfeln der Granatapfelbaeume schimmern leuchtende Rubine. Ziegen durchstreifen die Olivenhaine, wenn ich nicht mehr kann, kauere ich im kuehlen Schatten der Arganien. Die Luft ist erfuellt vom suesslich blumigen Duft fremdlaendischer Gewaechse.

Ich durchquere verfallene Geisterstaette. Verwaiste Ruinen aus Lehm und Gesteinsbrocken. Reich der Djinns und Hexen und Schrecksen. Die Stille droehnt in einer Lautstaerke, dass ich mir die Ohren zuhalten muss. Oh Du tote, vergessene Welt.

 

Ich passiere Goldminen und Taeler aus Marmor, tiefe steinerne Hoehlen, an deren Waenden uralte Felszeichnungen von einer laengst vergangenen Zeit berichten.

Ich friste das Leben eines Frutarian (by the way, dem Obstler geht es gut Alhamdulillah, erst gestern hab ich ein Rauchsignal von ihm empfangen, er hat es tatsaechlich bis an die US-Amerikanische Kueste geschafft, allerdings einige hundert Meilen noerdlich von Hawaii, so dass er sich jetzt auf dem Landwege nach Sueden durchschlagen muss, um auf dem fruchtbaren Eiland wie geplant den grossen Traum einer eigenen Durianplantage wahr werden zu lassen) und ernaehre mich von dem, was Mutter Natur am Wegesrande fuer mich bereithaelt. Das Leben als Frutarian ist hart, beschert mir eine karge Mahlzeit, bestehend aus 4 mickrigen Feigen (offensichtlich gerade kein Erntezeit, ausserdem Madenzeit), einer unreifen Orange und 2 versaeuerten Granataepfeln (offensichtlich ebenfalls gerade keine Erntezeit).

Nach Stunden der Einsamkeit kreuzt ein Rudel Schakale meinen Weg, misstrauisch beaeugen sie meine Schritte (ich beaeuge ebenfalls misstrauisch), im stillen Einvernehmen kehren wir einander den Ruecken und hoffen einander nie wieder zu begegnen.

 

Abends verwandeln die mueden Sonnenstrahlen das Bergreich in eine rosarot leuchtende Maerchenwelt, so unwirklich und so wunderschoen, und auf einmal begreife ich, dass ich die Sagen aus 1001 Nacht durchschreite, und die Erde? Die Erde, die schwebt schwerelos durchs Universum, abertausende Lichtjahre entfernt von mir. Und als ich schon laengst vergessen habe, dass es irgendwo in einer fremden Galaxie, fernab von hier, ein Phaenomen gibt, das sich Zivilisation nennt, da passiert folgendes:...

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On the road

Ich loese mich auf. Mein Blut kocht. Meine Haare verkleben unter dem Hijab, dem LAESTIGEN Accesoire! Die Sonne verfeuert meine Gehirnzellen. Die Hitze die Hitze! Mein Geist verfluessigt sich. Ich kapituliere. Jegliche Spannung weicht aus meinem Koerper, ich verforme mich in einen nassen Waschlappen, ich schwelge im Trance, mein Koerper ist eine labbrige Huelle mit wenig Inhalt. So muessen sie sich anfuehlen, die „out of body experiences“, von denen ich in einen von Saids Buechern ueber den tibetischen Buddhismus gelesen habe. Es gibt viele schlimme Jobs auf dieser Welt. Aber kaum einer kann schlimmer sein, als der des Fahrers eines marrokanischen Kollektivtaxis. Stundenlang schmorst Du in unertraeglicher Hitze. Und es ist kein Schatten WEIT UND BREIT KEIN SCHATTEN!!!! Stundenlang wartest Du und wartest. Und nichts passiert, denn niemand, ich wiederhole NIEMAND will mit dir nach Tafraout fahren. Und waehrend Du wartest, verwandelt sich Dein Auto in einen kochenden Folterkeller, der Deine Koepertemperatur ums dreifache ihres Normwerts ansteigen laesst, das Atmen faellt schwer, jede Bewegung fuehlt sich an, als wurdest Du versuchen ein 250 Kilo Gewicht mit dem kleinen Finger zu staemmen. Schlimmer geht immer, naemlich als Mitfahrer eines marokkanischen Kollekivtaxis, denn niemand bezahlt einen dafuer. Und das besonders Schlimme an der Misere ist, dass ich ein Grossraumtaxi mit 7 Sitzplaetzen erwischt habe, d.h. wir muessen noch auf mindestens 12 weitere Personen warten, bis wir losfahren (ausser mir schmort bislang nur ein weiterer Greis in der gluehenden Blechhoelle – keine Ahnung, wie der das aushaelt) und niemand, ich wiederhole NIEMAND will nach Tafraoute fahren. Die Hitze die Hitze! Langsam und formlos rutsche ich vom Sitz. Wasser! Das Plastik meiner Plastikflasche schmilzt, das Wasser beginnt bald zu sieden. Und dann verdampft es, und ich habe gar nichts mehr. Schatten! Gebt mir Schatten! Ich bin kurz vor dem Kollaps. Dem Taxifahrer haengt die Zunge aus dem Hals. Die Hitze, die Hitze! Wie furchtbar ich doch schwitze! Ich verfluche die Marokkaner und ihr vermaledaites Transportsystem! Mein Kopf haemmert, fuehlt sich mittlerweile an, wie eine Zeitbombe unmittelbar vor der Detonation. Was fuer ein Hoellenjob! Staub und Hitze. Ich ueberlege, was schlimmer ist, Feuchtigkeit und Hitze, wie damals in Thailand, oder Staub und Hitze, wie heutzutage in Marokko. Die Frontscheibe ist zersprungen. Ich ueberlege, ob ich dem Taxifahrer einfach die verdammten 7 Euro Differenz fuer die fehlenden Fahrgaeste zahlen soll, damit wir zur Hoelle endlich losfahren!! Schande nochmal, nein! Das Elend wird nun ausgesessen. Laut Saids Buch ueber den tibetischen Buddhismus fuehrt Leid zur Erleuchtung, der Zustand duerfte bald erreicht sein. Hoffe nur, dass ich mich nicht vorher in Staub aufloese. Und dann, als der letzte Tropfen Hoffnung bereits in der Wuestensonne verdampft ist, dann, dann g-e-h-t-e-s-l-o-s! Allahu akbar! Und das Warten, meine Lieben, das Warten, das hat sich gelohnt. 

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4. Lektion: Arm bleibt arm, oder: "Abdullah, der Waescher"

Das menschliche Schicksal ist Gott gegeben. Ist man arm geboren, so ist dieses Gottes Wille, man moege nicht versuchen, dem Gott gegebenen Schicksal zu entrinnen. Und da komme ich ins Spiel und erzaehle eine marokkanische Geschichte, die ich auf dem Djemaa al Fna aufgeschnappt hatte. Sie heisst „Abdullah, der Waescher“

Im Namen Allahs, des Allmaechtigen, des Barmherzigen, denn Er weiss es am Besten. Es war einmal ein armer Waescher, namens Abdullah, der war so arm, dass er kaum seine Familie ernaehren konnte. Eines Tages zog er sich in ein verlassenes Haus zurueck, weinte bitterlich und fragte Allah um Rat. Da kam ein Engel, der sprach zu Abdullah: „Schliesse Deine Augen. Dann gehe drei Schritte vorwaerts. Dann oeffne Deine Augen, und ich werde Dir Dein taeglich Brot zeigen.“ Abdullah tat, wie ihm geheissen, und er fand sich wieder, in einer weissen, fremden Welt. Vor ihm sprudelten so viele Quellen, wie es Menschen auf der Erde gibt. „Dies“, sprach der Engel, „ist das taeglich Brot der Menschen, so wie Allah es ihnen zugesprochen hat“. Aus manchen Quellen sprudelte literweise Wasser hervor, das war das taeglich Brot der Koenige und der Sultane. Aus anderen Quellen sprudelte etwas weniger Wasser, das war das taeglich Brot der Kaufmaenner. Und dann gab es da eine ganz kleine erbaermliche Quelle, aus der troepfelten nur ein paar klaegliche Tropfen. „Dies, mein lieber Abdullah,“ sprach der Engel „ist Dein taeglich Brot.“ Abdullah war traurig und erschuettert, und versuchte, das Loch aus dem sein Quellwasser hervortroepfelte zu vergroessern, doch bei dem Versuch verstopfte er die Quelle vollends.

„Nun schliesse Deine Augen wieder, gehe drei Schritte vorwaerts, und dann oeffne Deine Augen wieder.“ Abdullah tat erneut, wie ihm geheissen, und er fand sich wieder in dem verlassenen Haus, in das er sich zum Weinen zurueckgezogen hatte. Er war durch den Wind, rannte nach draussen auf die Strasse und rief:“Leute! Ich habe mein taeglich Brot gesehen, ich habe mein taeglich Brot gesehen!“ In dem Moment kam der Koenig im Tarnanzug vorbeigeritten, denn er wollte nicht erkannt werden. Da der Koenig etwas taub war, verstand er Abdullah nicht richtig, was er hoerte war: „Leute! Ich habe den Koenig gesehen, ich habe den Koenig gesehen!“ Er ging davon aus, Abdullah habe ihn erkannt und fand es unmoeglich, dass dieser das Geheimnis so offen herumposaunte, drum liess er ihn festnehmen und verhoeren. Da erklaerte ihm Abdullah:“Aber nein, mein Koenig, das ist ein Missverstaendnis. Was ich rief war, ich habe mein taeglich BROT gesehen.“ Und er erzaehlte dem Koenig was ihm wiederfahren war. Der Koenig hatte Mitleid mit dem armen Waescher und sagte: „Mein lieber Abdullah, mach Dir keine Sorgen, ich werde Dich reich machen.“ Und er schenkte Abdullah 10 Saecke voll Gold. Als sich Abdullah voller Dank vor ihm auf den Boden warf, schlug er sich seinen Kopf auf und starb vor dem Fuessen des Koenigs. Und dann erschien der Engel vor dem Koenig und sagte: „Allah hat den Waescher arm gemacht und Du machtest in reich. Allah hat den Waescher getoetet, nun mach Du ihn wieder lebendig.“ Der Koenig war erschuettert und lebte fortan in Demut, bis an sein Lebensende.“

 

 

Ps. Laut Said verdient man als gut organisierter Bettler uebrigens locker das Dreifache eines hart arbeitenden Handwerkers.

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Lessons mit Said, oder: Der marokkanische Patient

1. Lektion: „Disease of surpressed sexuality“

Krankheitsursache: Die Maennlichkeit der marokkanischen Machokultur definiert sich durch Sexualitaet. Das ist ein Dilemma, da diese in einem konservativ islamischen Land wie Marokko nicht frei ausgelebt werden kann.

Symptome: Resultat ist die konstante Besessenheit des maennlichen Geistes von Sexeslust, welche u.a. durch verbale und koerperliche Belaestigung von Frauen auf offener Strasse, Homosexualitaet („much easier to have a male friend around than a female one.“- ACHTUNG: Der aktive Part ist NICHT schwul) und im schlimmsten Falle durch Paedophaelie ihren Ausdruck findet.

Medikation: Said empfiehlt A) Die radikale Modernisierung der marokkanischen Gesellschaft, oder aber B) Kastration.

 

2. Lektion: „The matrimony Disorder“

Krankheitsursache: Die Mehrheit der Ehen sind in Marokko arrangiert, Liebe als ehestiftendes Phaenomen ist weitestgehend unbekannt. Liebe muss wachsen, und zwar nach vollzogener Eheschliessung. Klappt manchmal, aber leider nicht immer.

Symptome: Entweder Scheidung (kleineres Uebel), oder aber die Frauen bedienen sich schwarzer Magie (groesseres Uebel), eine gefaehrliche Praxis, bei der besonders gern Haut und Fell von Hyaenen zum Einsatz kommt. Resultiert in Krankheit oder Tod des Ehemannes.

Said haelt schwarze Magie fuer puren Aberglauben, die Frauen wuerden ihre Ehemaenner schlichtweg vergiften, indem sie ihnen toxische Substanzen ins Essen mischen.

Medikation: Said empfiehlt: s. A) „Disease of supressed sexuality“

 

3. Lektion: Illegale Substanzen

Ein weiteres Problem ist der Schmuggel illegaler Substanzen ueber einen unbewachten Grenzabschnitt von Algerien nach Marokko. Besonders uebel: Karkoubi (auch bekannt als „La drogue des pauvres (die Droge der Armen – eine Dosis, bereits ab einem Preis von 2 dh / 20 cent erhaeltlich, „Crocodile“ oder „ampoule rouge“) und Flakka (Substanzen auch in den USA und Europa erhaeltlich)

Symptome: Verlust des Realitaetssinns, unkontrollierte Aggressivitaet, „superhuman strengths“. Es kursieren Geschichten ueber Menschen, die unter dem Einfluss von Flakka ihrem Opfer das Gesicht zerfleischt haben sollen, 2015 wurden in Fes zwei deutsche Touristen von Banditen erstochen, die angeblich unter dem Einfluss von Karkoubi standen.

 

Medikation: Komplizierte weltpolitische Massnahmen

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Bei Said

Ich bin in Taroudant, einer Oase der Ruhe und Gediegenheit. Dank des wertvollen Rats eines Hippiebruders von Priscilla bin ich bei Said untergekommen, der drei Zimmer in seinem ehemaligen Elternhaus als Gaestezimmer untervermietet. Die Wohnung – mehr WG als Gaestehaus – ist eine Seifenblase positiver Spirits, die Atmosphaere ist so entspannt, dass ich aufpassen muss, mich nicht in eine formlose Glibbermasse aufzuloesen (und auf dem Dach zu verdampfen).

Aus dem Wohnzimmer erklingt Blues und Rock’n Roll, von den Waenden des als Galerie umfunktionierten Raumes starren einen die abstrakt kubistischen Gesichter von Prince, John Lennon, Jimmie Hendrix, Keith Richards, Jim Morrisson und weiteren Rockgroessen an, dazwischen moderne Strichzeichnungen marrokanischer Wuestenbewohner und die eindringlichen Potraits anonymer Gesichter der Strasse. Auf seiner Akkustikgitarre schwebt Said durch eine melodische Klangwelt aus Blues, Jazz und Rock’n Roll, eine Passion, ja fast schon eine Obsession, seine Fingerkuppen sind blasig blutig, seit er versucht, die „Vibrationstechnik“ zur Perfektion zu bringen („I’m trying to get the vibrations right, it is not so easy, but I’ll keep trying“). Said hat nie die Schule besucht, umso beachtlicher sein enormer Intellekt, was Weltpolitik, Geschichte und Philosophie angeht. Ein marokkanischer Analphabet mit einem derart perfekt ausgefeilten britischen Akzent, dass man annehmen koennte, man unterhielte sich mit einem Oxfordstudenten. In seinem Buecherregal stapeln sich Werke von Dickens, Huxley, Coelho und Che Guevara. Neben „Trainspotting“, „Modern American Shortstorys“ und „Into the Wild“ reiht sich systemkritisch revolutionaere Lektuere, wie „God is not great“ und „The God Deillusion“.  

 

Ich verbringe meine Tage damit, mir die Tagebuecher von Che Guevara einzuverleiben oder mir von dem gesellschaftskritischen Said bei einem Glas Kaffee die Eigenheiten einer kraenkelnden marrokanischen Gesellschaft erlaeutern zu lassen.

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Something in the air...

Nachdem wir die ueblichen Langstreckenbusfahrtenqualen (Killerhitze, kotzende Sitznachbarn, luesternde Lustmolche, Motorschaden, Hahndrang, Schlaegereien und das Uebliche eben) erfolgreich ueberwunden haben, sind wir wieder im guten alten Marrakesch. An sich wollte Katherine nach Fes und ich wollte nach Tangeroute, hat irgendwie nicht hingehauen, drum sind wir nun wieder hier. Selbstredend kehren wir wieder in der guten alten Priscilla ein, die uns ja nun schon zur zweiten Heimat geworden ist. Die Handinnenflaechen von Heather the Feather leuchten in pastellfarbenen blaugruen Toenen. Die Schildkroete ist auch ein bisschen blau, weil sie leider das „frisch gestrichen“ Schild auf den 2m grossen Metallbuchstaben nicht gesehen hat. Heathers freier Geist ist mittlerweile so federleicht geworden, dass sie fuerchtet, bald fortgeweht zu werden. Auf dem Erdboden sitzt eine junge bruenette Hexe, die Tarotkarten legt. Meine Dachbekanntschaft Mohammad ist auch wieder am Start, und markiert mir in einer handgezeichneten Karte, wo sich in Marokko am besten nach Gold graben laesst. Es koennte alles so schoen sein.

Die Betonung liegt auf „koennte“. Denn dann fliegt die Tuer auf, und Laura schleppt sich ueber die Schwelle. „The Artist in Residence“ ist ein Schatten ihrer selbst, denn sie wurde soeben ausgeraubt und dann leider noch von einem Mopped ueberfahren. Obendrein kann sie unsere Nachbarn Cecile und ihre kleine Tochter nicht erreichen, die nicht zum verabredeten Zeitpunkt am verabredeten Ort erschienen sind. Man muss davon ausgehen, dass sie verschollen sind. Ich spreche ein paar aufmunternde Worte, muss dann aber los, weil ich am verhungern bin. Auf dem Weg zum Djma El Fna laufen mir die Vermissten in die Arme, sichtlich nicht auf der Hoehe, denn sie wurden ebenfalls gerade augeraubt, sind aber etwas besser dran, als Laura, denn sie wurden immerhin nicht vom Mopped ueberfahren. Ich begleite sie nach Hause, wo Heather voellig verstoert auf und ab laeuft, offenbar am Ende ihrer Kraefte. Jemand hat ihren Lavendel geklaut und obendrein hat sie auch noch ihren federnen Ohrring verloren, den sie vor Jahren von einem alten afrikanischen Scharmanen geschenkt bekommen hat. Sie braucht diesen dringend fuer ihre Heilungssessions, denn er enthaelt u.a. auch Eulenfedern, wie ich mir erklaeren lasse, eroeffnen diese dem Traeger Einblicke in die duesteren, unergruendlichen Teile der menschlichen Seele. Das Elend ist nur schwer zu etragen, drum verlasse ich die Homebase auf ein weiteres, diesmal auf der Suche nach positiven Vibes (vorsichtshalber ohne Geld, wie wir wissen treibt sich draussen eine marodierende Raeuberbande rum).

 

Und dann, ihr glaubt es kaum! Zwischen Schuhputzern und Saftverkaeufern, Wahrsagern und Leopardenfellen. Zwischen Scharmanen und uralten Buechern toxischer Pflanzenkunde. Zwischen Bettlern (maennlich, weiblich, blind, bucklig, verkueppelt, entstellt) und Strassenkindern. Zwischen dressierten Affen mit Oezil Trikot und Schachbrettschnitzern. Im gespenstischen Licht des guelden schimmernden Mondes, umhuellt von dem benebelnden Duft hunderter orientalischer Raeucherlaempchen – da seh ich ihn. Nein, das muss ein Irrtum sein. Aber doch! Er ist es! Es bleibt kein Zweifel. Da sitzt er, voellig in Ekstase, im Kreis essaouirischer Gnaoua Musiker, und schwingt sein Haar, wie im Trance, sein fettiges, eingehuellt in eine blaue Dejalaba, ja ein Local, aber nein, sieh genau hin, es ist kein Local, es ist SNAKE THE BLAKE! Und mit einem Male weiss ich, alles wird gut werden. Inshallah.

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BLAKE THE SNAKE

Wir treffen Blake the Snake in unserer Lehmhuette in Ait Timi, schon lange hatte the Snake keine Auslaender mehr gesehen, da muss er erstmal wieder drauf klar kommen, da er ja eigentlich nicht redet, mit Touristen, diesem laecherlichen Pack. Blake the Snake hat fettiges Strassenkoeterfarbenes Haar, ungefaehr Kinnlaenge, welches er im feschen Mittelscheitel traegt. Er sieht aus, wie eine Mischung aus Hitler und dem Kindermoerder aus dem Blockbuster „Der fremde Sohn“ mit Angelina Jolie.

 

Blake the snake kann alles, weiss alles und kennt alles. Blake the snake spricht englisch, franzoesisch, portugiesisch, spanisch und Hindi. Fliessend selbstredend. Und pah, wenn man erstmal so viele Sprachen spricht, dann versteht man alle anderen sowieso und Blake the Snake sogar mit nur einem Ohr. Blake the Snake ist was ganz Besonderes. Blake the Snake ist ein Mann von Welt, ja man moechte fast sagen, Blake the snake, ja, er ist ein Held. Er hat die Welt gesehen, und noch viel mehr. Blake kennt den Himalaya (lachhaft diese kuemmerlichen Huegel in Marokko) und die Inder, nein, an sich ist er selbst ein solcher. Blake the snake hat Shantaram in zwei laeppischen Tagen gelesen (immerhin scheint der Autor wenigstens ein bisschen Ahnung von der indischen Kultur zu haben, nicht wie die ganzen anderen Wannabes, die sich als Indienkenner ausgeben, dabei weiss Blake the Snake doch so viel mehr). Blake the Snake kennt Marokko wie seine Westentasche, da muss er schliesslich immer durch, wenn er mal wieder mit seinem Auto den afrikanischen Kontinent durchquert und mal wieder bei seinen Bruedern in Gambia, Burkina Faso, Senegal oder Guinea Bissau abhaengt. „Ruehrt mal die Tarjine um, bevor ihr sie esst, normaler Weise ist es unten komplett verbrannt und oben schmeckt es nach gar nichts.“ Denn Blake the Snake weiss auch von allen am allerbesten, wie man Tarjine zubereitet, denn eigentlich ist er ein Local, so ein waschechter Berber eigentlich. Das erkennt man schliesslich an seiner original hoelzernen Kifpfeife, die er sich im Rifgebirge zugelegt hat. Blake the Snake ist Englischlehrer, aber eigentlich ist er viel mehr. Die Schulen reissen sich um ihn, ja, er weiss es noch, als waer es gestern gewesen, als man damals in der Tuerkei vor ihm auf die Knie fiel, damit er doch dort unterrichten moege, denn er ist nicht nur Englischlehrer, nein er ist eigentlich auch ein Vollbluttuerke, das erkennt man aber erst auf den zweiten Blick, so ein echter Local, der obendrein auch noch Englisch unterrichtet, wie kein anderer. Das sieht man auch jetzt wieder in Spanien, im Land der Massenarbeitslosigkeit, aber sowas tangiert The Snake selbstredend nicht. Fuer Blake the Snake ein Klacks, ein laeppischer, mit seinen Skills in Barcelona einen Lehrjob zu bekommen, begehrt wie kein anderer ist sie, die Schlange, kennt schliesslich auch die Spanier, als waeren sie aus ihrem eigenen Fleisch und Blute. Mit den Portugiesen allerdings wurde the Snake nicht so recht warm, wegen dieser negativen Grundstimmung und dem laestigen Laster, stets Witze auf Kosten anderer zu machen. Nee, also die Portugiesen...Mit den Brasilianern kommt er schon deutlich besser klar, sein Brudervolk, ja eigentlich ist er selbst ein Brasilianer, da muss man nur zwei mal hinschauen, dann rafft das auch der Bloedeste, dass the Snake eigentlich so ein richtiger, echter Brasilianer ist. The Snake ist nicht nur irgendein Englischlehrer, nein, er ist die Schlange, er ist DER Englischlehrer, pah, da hat er z.B. den Sohn des azerbaidschanischen Diktators unterrichtet, damals, in Britain in der Summerschool, das war ein echt korrekter Bursche, und das bei dem Vater, damit haette selbst die Schlange nicht gerechnet. Ach und pah, ja, den Sohn von dem russischen Zaren, den hat er selbstverstaendlich auch unterrichtet, und diese ganzen anderen auch. Und dann natuerlich auch den Sohn von diesem No.1 deutschen Celebrity, der in jedem Boulevardblatt erscheint, nur dem Namen, den hat er leider vergessen, koennt er auch gar nicht sagen, ja der ist es, wenn ihm jemand den Namen sagt, denn the Snake hat schon so viel gesehen und weiss so unheimlich viel, da muss er gedanklich dann auch manchmal aussortieren. Lange Rede, kurzer Sinn, Blake the Snake ist einzigartig. Und um das nochmal zu unterstreichen, seht doch selbst, nach dem Verzehr der mangelhaft zubereiteten Tarjine, sitzt the Snake mit dem Local Abdul auf dem Dach und raucht echten Berberkif aus der echten Berberpfeife, wie ein echter Local eben. Ich verzichte heute nacht auf das Sternschnuppenzaehlen (bin zu geblendet von der Schlange, da kann ich sowieso gar nichts mehr sehen).

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Tag 4, 2500M ue.N.N. Der Gejagte

Wir haben den hoechsten Punkt unserer Route ueberwunden und bewegen uns in sengender Hitze den Abhang hinab. Das Tal ist in Sichtweite. Die Aepfel ebenfalls. Das Gute ist, dass die Schuhe beim nahezu senkrechten Abwaertsmarsch weniger druecken. Das Schlechte ist, dass sich der mangelnde Gripp so deutlich staerker bemerkbar macht, ich slide mehr als dass ich gehe, jeder Schritt will bedacht sein, das strapaziert Nerven und Muskeln.

 

Auf halber Hoehe kommt uns ein greises, buckliges Maennchen entgegen. Sieht aus, wie 95, er muss also ungefaehr 75 sein. Auf seinem runzligen Gesicht sitzt eine dicke Brille, die mindestens genauso alt ist, wie er. Sie ist in der Mitte mit feuerrotem Tape notduerftig zusammengeflickt. Seinen Kopf ziert eine schwarze, spitz zulaufende Wollmuetze. Ansonsten traegt nichts bei sich, ausser einen abgebrochenen Zweig, den er als Krueckstock nutzt. Es ist ein Regierungsfluechtling, dem die Polizei auf den Fersen ist. Abdul murmelt irgendwas von big Problem with wife. Er muss in zwei Tagen vor dem Gericht in Kelaat Mgouna erscheinen, ansonsten sieht es schlecht um ihn aus. Das einzige oeffentliche Transportmittel, einen einmal woechentlich verkehrenden Minivan, hat er verpasst, deshalb muss er sich nun zu Fuss die 125 km durch den hohen Atlas schlagen (und u.a. auch den 4200m hohen Mgoun bezwingen). Ich finde es wirklich bemerkenswert, was man im hohen Atlas so fuer Gestalten trifft. Ich ueberlege, ob ich eine Reportage darueber schreiben sollte. „Kathrine! Good?“ „I wanna squash him like a bug!” (squash him like a bug, squash him like a bug…)

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Tag 4, 3600 M. ue.N.N. Der Fuss des Babys

Zwischen Geroell und Schutt finden wir den kleinen Fuss eines versteinerten Babys. Die Natur holt sich zurueck, was ihr gehoert. Und eines Tages, wenn das Leben aus unseren Koepern weicht, so werden auch wir zu Stein werden. Amen.

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